"Dein Vater war nicht zufällig Jäger?" Selina wunderte sich über diese Frage. "Nein! Mein Vater hasste es, zu töten. Ich meine, er war zwar kein Vegetarier, aber er hätte niemals selbst ein Tier schlachten können." - "Schade, dass ich ihn nie kennenlernen durfte. Er wird mir immer sympatischer. Ich müsste auch verhungern, wenn es darum ginge selbst schlachten und ausweiden zu müssen. Dabei liebe ich ein saftiges Steak. Aber es wäre praktisch gewesen, ein paar Jagdwaffen dabei zu haben. Deshalb die Frage. Ich habe mir übrigens was überlegt Schatz. Wenn wir nach Kärnten fahren, könnten wir vorher noch in meinem Haus vorbei schauen. Ich hab in meinem Labor sicher ein paar Dinge, die sich zur Selbsverteidigung zweckentfremden lassen würden." - "Wenn du nach Kärnten willst, liegst du fast auf dem Weg, aber was willst du in Kärnten?" - "Ich hab da einen Freund, der uns sicher eines seiner Ferienhäuschen zur Verfügung stellt. Ich glaub zwar nicht daran, dass Viktor noch Zugang zu Meldedaten hat, Aber mir ist trotzdem lieber, wo abzusteigen, wo ich nicht polizeilich gemeldet bin. Und wer sucht uns schon in Kärnten?" Selina bog rechts ab. Mit gemischten Gefühlen wartete ich ab, in welchem Zustand wir meine Villa vorfinden würden...
Eduard stieg aus dem Streifenwagen. Die eigentlichen Insassen hatte das gleiche Schicksal ereilt, wie die beiden tschechischen Kollegen. Er sah sich um. Kein anderer Streifenwagen war zu sehen. Sein untrüglicher Blick für zivile Einsatzfahrzeuge meldete ihm auch keine Gefahr. Das hatte einerseits den Vorteil, dass sich keiner seiner "Kollegen" über ihn wundern würde, andererseits waren die Ärztin und der Erfinder vielleicht doch nicht hier. Er beschloss, das Gebäude zu betreten. Als er durch die Empfangshalle ging, sah er sich um. Offenbar kein Polizeischutz. Er ging zum Empfang. "Guten Tag, ich muss dringend zu Frau Doktor Bücker. Es geht um den Patienten Montar. Michael Montar."Die Empfangsdame setzte ein freundliches Lächeln auf. "Oh, das tut mir aber jetzt leid, die haben sie verpasst. Frau Doktor hat die Klinik gerade in Begleitung ihres Patienten verlassen. Die beiden sind aber meines Wissens ohnehin unterwegs aufs Kommissariat. Die werden schon bei ihren Kollegen sein." Eduard überlegte, ob er die Empfangsdame mit der Waffe bedrohen sollte, um den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage bewerten zu können. Er würde sie dann aber verschwinden lassen müssen um nicht aufzufallen oder später von ihr verraten zu werden. Selina hatte das Personal absichtlich falsch informiert, um es möglichst nicht zu gefährden. Die Frau war also selbst von der Wahrheit ihrer Aussage überzeugt. Viktor alias Eduard kam zu dem Schluss, dass die Empfangsdame nervöser wäre, würde sie ihn anlügen. Sie war offenbar überzeugt von dem, was sie ihm berichtet hatte. Er beschloss, zum Benz zurückzufahren und sich wieder umzuziehen. "Ich danke ihnen. Das hat dann sicher seine Richtigkeit. Ich hatte Anweisung die beiden Herrschaften abzuholen, aber wenn sie selbst gefahren sind..." Er zuckte mit den Schultern und verabschiedete sich. Er würde die Uniform behalten, aber vorerst in zivil mit seinem Mercedes weiterfahren. Vorher aber, musste er die zwei Leichen loswerden, die im Kofferraum seines Autos lagen. Mittlerweile hatte er schon einige Polizeiwaffen einkassiert...
Nach einer knappen Stunde Fahrt bog Selina zu meinem Anwesen ab. Gespannt fuhren wir die Auffahrt hinauf und erwarteten Verwüstung vorzufinden. Doch als wir ankamen, war nur die zerschossene Kamera und die dahinterliegenden Einschüsse auffällig. Ich hatte meinen Schlüssel auf der Terrasse vom Seehaus verloren, als ich angeschossen worden war. Ich hatte ihn beim Rausgehen bereits in der Hand gehabt, um den Cayenne zu starten. Jetzt wurde mir auch klar, wie Viktor so leicht damit abhauen konnte. "Es tut mir leid, Schatz, du musst aussteigen und 18181891 eingeben um das Garagentor zu öffnen. Die Fernbedienung war auf dem Porscheschlüssel." Selina öffnete das Tor und fuhr anschließend auf den ehemaligen Standplatz des Cayenne. Sofort stieg sie aus und drückte die Schließtaste am Torrahmen. Ich hatte versucht auszusteigen, was zur Folge hatte, dass sie mir vom Boden aufhelfen musste. Sie verkniff sich, dazu etwas zu sagen, was ich dankbar zur Kenntnis nahm. Sie drückte mir die Krücken in die Hand und ich bewegte mich zur Tür in den Flur. Das ging erstaunlich gut und ich sah zu, dass ich ins Wohnzimmer kam und setzte mich auf die Couch. Selina sah mir besorgt ins Gesicht. "Michael, Liebling, wieso sagst du denn nicht, dass du Schmerzen hast?" Fragte sie liebevoll. "Ich hab doch was eingepackt." Ich wollte aber keine Schmerzmittel nehmen. Ich wollte klar im Kopf sein. Klar für den Fall, der jederzeit eintreten konnte...