Wochenendeinkauf, vom Hass zum Spaß
Viele Menschen die ich kenne, haben unter der Woche ein Vollprogramm zu absolvieren. Früh die Kinder aus dem Bett scheuchen, Pausenbrote zubereiten, Mittagessen ausfrieren und kindgerecht drapieren, zur Arbeit hetzen und 8 Stunden Heldentaten vollbringen. Danach abgespannt und ausgehungert nach Hause kommen und an die zweite Schicht. Hausaufgabenkontrolle, für die Mathearbeit oder Vokabeln pauken, Essen machen, Staub saugen, Bad wischen und wenn alles erledigt ist, aufs Sofa sinken und erschöpft weg nicken.
Zum Glück sind Kühlschränke heute so groß wie Papas Kleinwagen in den Siebzigern und ein Wochenvorrat einer vierköpfigen Familie passt ohne große Mühe hinein.
Nur das EINKAUFEN muss dann Samstags in der frühe erledigt werden. Vorzugsweise bei KAUFLAND!
Was für ein Name? Genial! In den 90er Jahren kannte ich diesen wahrscheinlich amerikanischen Gigantismus von Verkaufseinrichtung aus Frankreich. Dort hieß die Kette „ Mammut“ glaube ich, auch Größe suggerierend. Aber ein ganzes Land kaufen, wer wollte das nicht schon immer?
„Mein„ Kaufland liegt an einer großen Straße und hat ausreichend Parkplätze. Beste Voraussetzung um möglichst viele „Verbraucher“ anzulocken. Mir ist es faktisch unmöglich, in diesem Ding unter einer ganzen Stunde den Einkaufwagen zu füllen. Immer nimmt man sich vor, nur schnell ein wenig; nur das was man braucht; zu besorgen. Und trotzdem ist immer das Drahtgeflecht mit Rädern bis zum bersten beladen und das Vehikel mutiert zum kaum noch lenk- oder antreibbaren Etwas. Für mich war bisher der Lebensmitteleinkauf immer ein notwendiges Übel, um für ausreichend abwechslungsreiche Kost zu sorgen. Das geht dort auch ganz gut, allein die Auswahl ist sehr vielfältig und das Segment reicht meistens von Discount bis Mitteledel.
Seit einiger Zeit fange ich sogar an, die Zeit die ich dort verbringe, nicht mehr als verlorene Zeit zu betrachten. Im Moment entwickeln sich die Gänge zwischen den Regalen zum Wohngebietstreffpunkt. Irgend ein Leidensgenosse den ich kenne, ist immer da. Es soll ja immer noch Versuche geben in Heinersdorf ein Bürgerhaus zu initialisieren. Diese Mühe könnte man sich sparen, wenn der Bezirksbürgermeister so vernünftig wie gewöhnlich wäre und vor dem Großkapital kapitulieren würde. Zwischen Fleisch- und Käsetheke passt prima eine kleine Bühne und ein paar Tische mit Kaffeeausschank, die als Begegnungsstätte für alle fungieren. In meinen Kindertagen, musste der Dorfkonsum auch als Kontaktbörse aller Altersschichten herhalten. Gleichzeitig könnte dann dort zum Beispiel der Versicherungsvertreter, die neusten Anlageprodukte vorstellen oder der Orthopäde allen vorwiegend Übergewichtigen Kunden zeigen, das man den Einkaufswagen viel besser schieben kann, wenn man nicht drauf liegt und mit dem Bauch lenkt. Dort könnte dann auch das Weihnachtssingen der örtlichen Grundschule oder die obligatorischen Mitarbeiterauszeichnungen stattfinden. Der Bereich müsste natürlich auch so angelegt sein, dass er auch nach Verkaufsschluss am Abend oder an Sonntagen zugänglich ist. Ein Großbildfernseher, eine Karaokeanlage und ein Billardtisch stehen für die Besucher selbstverständlich zu Verfügung. die Zapfanlage und ganztägig bestzte Boulettenschmiede könnten die Ausstattung vervollständigen. So hätte Heinersdorf wenigsten eine vernünftige, vollausgestattete, zentral gelegene Kneipe mit Parkplatz und Anschluss an die Öffis. Mann könnte dann auch die letzten Einkaufsmuffel mit der Aussicht auf eine kühle Blonde im Glas und nicht an der Kasse, in das Kaufland locken. Die Muttis müssten nicht mehr so um die Regale hetzen, da die Vatis dann unter sich wären und bei eventuellen Extrarunden der Damen im Laden, sich mit einer weiteren Extrarunde bei der Getränkebestellung trösten. Win-Win, ach was, Win für alle. Der Familienfrieden ist fürs Wochenende gesichert, weitere Arbeitsplätze im viel beschworenem Dienstleistungssektor sind entstanden und der Abverkauf von grenzwertigem Schweinefleisch, wird intern als Boulette, Currywurst, Zwiebelmettbrötchen oder Bockwurst durch den Handelskonzern ohne nennbaren Aufwand allein bewerkstelligt. So hat das neue Stadtteilzentrum auch verbindende Funktionen. Der Laubeinpieper, der von Armut bedrohte Rentner, der junge Arzt aus dem Krankenhaus, die prekäre Alleinerziehende mit den drei Rotznasen verschiedener Hautfarben, der Maurer, Rechtsanwalt, Lehrer oder Kindergärtnerin, hier gibt es noch Vielfalt vor und in den Regalen und das ist gut so!