Slenderman, Jeff the Killer, Ticky Toby und der Rake. All diese Namen sind keine Unbekannten, nicht zuletzt wegen eines Verbrechens von zwei Mädchen, die ihre Freundin ermorden wollten um ihr Herz als Opfer darzubringen. Die Rede ist natürlich von dem Genre der Creepypasta, eine Form von urbanen Mythen, die über das Internet verbreitet werden. Was früher die Alligatoren in der Kanalisation von New York waren sind heute verfluchte Videospiele und der Mann, der eine attraktive Frau auf einer Party kennenlernt und am nächsten Morgen in einer Badewanne voller Eis und ohne Nieren aufwacht, wich einen jugendlichen Psychopathen, der seinen Opfern sagt, dass sie schlafen sollen, ehe er sie ersticht. Creepypastas haben sich inzwischen zu einem eigenem Genre innerhalb der modernen Literaturlandschaft entwickelt und unterstehen einem ständigen Wandel. Was genau eine Creepypasta ausmacht, wie sich das Genre entwickelt hat und wohin die Reise gehen wird, wird im folgenden Artikel dargestellt.
Definition und Herkunft
Viele Bezeichnen das Genre der Creepypastas als Lagerfeuergeschichten, die im Internet wiedergegeben werden. Während bei ersteren die Geschichte an einem Lagerfeuer oder in einer kleinen Runde, bei der man sein Gesicht mit einer Taschenlampe anleuchtet, erzählt wird, wird letzteres einfach durch simples Kopieren und Einfügen verbreitet. So unterschiedlich diese Erzählformen bezüglich Atmosphäre und Spannung auch sein mögen, so haben sie dennoch eine Gemeinsamkeit: die virale Verbreitung. Im englischen Sprachraum hat sich der Begriff Copypasta etabliert, der die Verbreitung eines Textes mittels Copy and Paste wiedergibt. Personen die diese Schritte durchführten wurden Copy Paster genannt, woraus sich schließlich der Begriff Copypasta entwickelte. Der Ursprung dieser Mischung lässt sich bis in das Jahr 2006 zurückverfolgen. Basierend auf dieser Entwicklung formte sich der Begriff Creepypasta für gruselige oder verstörende Geschichten, die über das Internet weiter verbreitet wurden.
Die Anfänge der Creepypastas
Laut eigenen Angaben der Internetseite creepypasta.com lassen sich Creepypastas bis in das Jahr 2008 zurückverfolgen, wobei jedoch nicht klar ist, welche Geschichte die Geburtsstunde des neuen Genres markierte. Legt man jedoch die oben genannte Definition streng aus, kann man die Geburtsstunde bereits schon auf das Jahr 1998 datieren. Die Produzenten des Films Blair Witch Project legten im August diesen Jahres eine Webpräsenz an, in der über das Verschwinden der Filmcrew berichtet wurde. Der Bericht über den Fund, sowie die damit verbundene Geschichten und der Mythos um die Hexte Blair verbreiteten sich rasant im Internet und trugen zum Erfolg des Films bei. Möchte man die Marketingkampagne ausblenden, verschiebt sich die Geburtsstunde auf das Jahr 2001, als ein Höhlenforscher namens Ted auf seinen Blog die Entdeckung einer neuen Höhle und die damit verbundenen übernatürlichen Ereignisse schilderte, ehe er spurlos verschwand. Das Interesse an dieser Geschichte war so groß, dass Ted gezwungen war an die Öffentlichkeit zu treten und sein Verschwinden zu widerlegen um eine groß angelegte Suchaktion zu vermeiden. Spätestens in den Jahren 2008 und 2009 etablierten sich die Creepypastas zu einem eigenen Genre der Internetkultur
Der Aufstieg der Creepypastas
Am 10. Juni 2009 erblickte die Figur des Slenderman das Licht der Welt, als ein User des Forums „Something Awful“ bei einem Wettbewerb ein Foto erstellte, dass eine große, in einem dunklen Anzug gekleidete, gesichtslose Gestalt mit langen Armen zeigte, die im Schatten eines Baumes stand und scheinbar mit dem Verschwinden von mehreren Kindern in Verbindung gebracht wurde. Der Mythos, der sich um diese Figur entwickelte markiert den Durchbruch des Genres der Creepypastas. In den folgenden Jahren erfreute sich das Genre immer größer werdender Beliebtheit. In den folgenden Jahren stieg die Anzahl der Geschichten enorm an und sehr schnell bildeten sich verschiedene Subgenres, unter anderem auch Parodien wie Crappastas und Trollpastas, auf die aber nicht näher eingegangen wird. Neben bekannten Charakteren, wie den besagten Slenderman oder Jeff the Killer, kamen weitere Geschichten hinzu, die sich auch heute noch großer Bekanntheit erfreuen. Beispiele für bekannte Creepypastas sind:
· Ben drowned
· Candle Cove
· Squidward Suicide
· 11 Miles
· Dead bart
· Suicide mouse.avi
· Smile Dog und
· No end house
Sicherlich lässt sich diese Liste noch weiter fortführen, jedoch würde die Länge den Rahmen dieses Artikels sprengen. Jedoch spiegelt die Liste alle ernst zu nehmenden Subgenres wieder. Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Genre im Jahr 2014. Bei einem Vorfall in den USA, stachen zwei zwölfjährige Mädchen ein drittes Mädchen ein, um den Slenderman ein Opfer zu bringen.
Teufelsanbetung, Videospiele, unheimliche Kreaturen und ein Hauch von Realität – Die Elemente einer Creepypasta
Wenn man sich mit dem Genre der Creepypastas befasst stößt man öfters auf Anspielungen zu Kochrezepten oder zur Gastronomie allgemein. Diese Witze sind aufgrund ihrer Vielzahl und geistigen Tiefe so schmackhaft wie ein übergares Nudelgericht, weswegen an dieser Stelle auf sie verzichtet wird. Stattdessen soll der Fokus auf der Analyse dem besonderen Reiz einer Creepypasta und den wichtigsten Subgenres liegen.
Wie auch bei den bekannten Lagerfeuergeschichten oder modernen Sagen haben auch die Creepypastas gewisse Elemente oder Regeln, die sie als solche auszeichnen. Zum einem muss das Medium Internet als Erzählung gewählt werden, da es ansonsten unter die Kategorie einer normalen Geschichte fällt. Die eigentliche Erzählform und auch die Perspektive sind dabei variabel. Man kann den Leser direkt ansprechen, eine Anekdote erzählen oder seine eigenen Erlebnisse berichten. Meiner persönlichen Meinung nach erzielen Geschichten, die aus einer persönlichen Perspektive erzählt werden oder den Leser direkt ansprechen, die größte Wirkung, da somit der Anschein erweckt wird, dass diese Geschichte wirklich so passiert ist oder passieren kann. Das bringt auch gleich den nächsten und zugleich auch wichtigsten Punkt mit sich. Der Hauch von Realität. Der Reiz von urbanen Legenden besteht in der Plausibilität. Die Tatsache, dass es irgendwo Organhändler gibt, die attraktive Frauen einsetzen um an die Nieren von Männern zu gelangen ist weitaus erschreckender als ein vermeintlich magisches Ritual, dass mehrere Tage dauert und die unmöglichsten Vorkehrungen und Aktionen vorsieht, wie z.B. das nackte Tanzen eines umgedrehten Kreuzes bei Vollmond um den Teufel zu beschwören. Je realistischer und glaubwürdiger eine Creepypasta ankommt, desto größer ist ihr Effekt auf den Leser. Hyperrealismus ist ein Wort, das es so nicht gibt und die Geister verstorbener haben keinen Zugang zum Internet um ihre Geschichte zu erzählen. Briefe oder Aufzeichnungen, die man jedoch gefunden hat sind hingegen realistischer und ermöglichen so dem Leser in die Welt der Geschichte einzutauchen.
Da es sich bei den Creepypastas um ein relativ junges Genre handelt, unterscheiden sich auch die Subgenres maßgeblich von den klassischen Urbanen Legenden und Lagerfeuergeschichten. Basierend auf ihrer jeweiligen Natur lassen sich die Creepypastas in folgende Kategorien unterteilen:
· Internetpastas: Die Urform und auch spannendste Form der Creepypastas. Mysteriöse oder verstörende Internetseiten, die entweder dunkle Geheimnisse oder Videos bereitstellen, vor denen gewarnt wird. Klassische Beispiele sind Normal porn for normal people, Candle Cove, Username 666 und Smiledog
· Gamingpastas/Haunted Gaming: Meistens handelt es sich hierbei um verfluchte oder besessene Videospiele bzw. Spiele mit verstörenden Inhalten oder Bezügen. In den klischeehaften Geschichten finden die Protagonisten die Spiele bei irgendwelchen Flohmärkten oder Geschäften die nachher wieder verschwinden. Wirklich erwähnenswert ist hier die Geschichte Ben drowned, da sich der Autor sowohl mit der Erzählung als auch mit dem dazu gehörigen Material sehr viel Mühe gegeben hat. Eine weitere, erwähnenswerte Creepypasta ist Mortis.
· Ritualpastas: Hierbei handelt es sich um Rituale. Angefangen bei typischen Teufelsbeschwörungen über Körper- und Dimensionswechsel bis hin zur Anrufung von Dämonen oder Aufdeckung von Tatsachen findet sich hier alles wieder. Die Anforderungen sind dabei teilweise lächerlich einfach oder absurd hoch, so dass sich erkennen lässt, dass es sich um reine Fiktion handelt. Bekannte Vertreter dieser Kategorie sind The Devils Game, 11 Miles und The midnight man
· Lost Episodes: In diesem Subgenre wird meistens von einer verlorenen Episode berichtet, die nie im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Gründe hierfür sind meistens die verstörenden Bilder und Inhalte, die ein unbekannter hineingeschnitten hat. Was anfangs ein interessantes Konzept besaß ist leider inzwischen zu einem Klischee verkommen, weil zu viele Autoren bekannte Folgen von bekannten Serien einfach umschreiben. Bekannte Vertreter dieses Subgenres sind: Dead Bart, Suicide Mouse.avi und Squidward Suicide.
· Anekdoten: Der Typische Klassiker einer Gruselgeschichte. Jemand hat etwas erlebt oder gehört und erzählt es weiter. Teilweise geht es sogar soweit, dass ganze Kurzgeschichten verfasst werden, die dann über das Internet verbreitet werden, die jedoch die ursprünglichen Kriterien einer Creepypasta keinesfalls mehr erfüllen. Wirklich bekannte Geschichten gibt es nicht zu benennen, da in diesem Teil eher bekannte Figuren wie z.B. der Slenderman auftauchen, jedoch haben sich auch hier Geschichten wie No End House oder The strangest securitytape I’ve ever seen durchsetzen können.
Vom Internet ins Reale Leben – Der Niedergang der klassischen Creepypastas
Obwohl das Genre der Creepypastas noch sehr jung ist, ist die klassische Form seit 2014/2015 auf dem Weg in Vergessenheit zu geraten. Slenderman, Jack the Killer und Ticky Toby wurden von der schreibenden Gemeinde des Internets ausgebeutet und in jeder erdenklichen Form verwendet, sodass es nicht verwundert, dass es zu einer Übersättigung kam und sich die Menschen von übernatürlichen Wesen abwandten und sich dem realen Leben widmeten. Was vorher verfluchte Konsolenspiele, niemals veröffentlichte Episoden bekannter Fernsehsendungen oder übernatürliche Wesen waren sind nun mysteriöse Erfahrungen mit Ouija-Boards, besonders bösartige Hacker im Deepweb oder Psychopathen aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Das menschliche Grauen ist wieder in den Vordergrund gerückt, während das wirklich paranormale sich wieder in die Schatten zurückgezogen hat. Was jedoch geblieben ist, ist eine neue Erzählform, die die moderne Literatur geprägt hat.
Quellen und weiterführende Links:
Copypasta:
http://knowyourmeme.com/memes/copypasta
https://en.wiktionary.org/wiki/copypasta
Creepypasta
https://en.wikipedia.org/wiki/Creepypasta
http://creepypasta.wikia.com/wiki/Creepypasta_Wiki:What_Is_Creepypasta%3F