Von einem Geräusch aus dem unruhigen Schlaf hochgeschreckt, wusste sie sofort, dass etwas falsch war. Phoebe richtete sich aus ihrer hin gekauerten Haltung aus Hände und Füße auf und lauschte mit angehaltenem Atem. Durch das schmale Fenster fiel Mondlicht und ließ sie die Schemen ihrer Umgebung erkennen.
Da! Schritte! Jemand war mit ihr in dem dunklen Keller. Lauschend drehte sie den Kopf nach den Geräuschen, dann stand sie langsam auf. Sie schwankte vor Müdigkeit und tastete sich an der zerbröckelnden Wand entlang.
Die Schritte waren langsam und schwer. Sie konnte schnellen, flachen Atem hören, Schweiß riechen. Wie ein lautloses, wildes Tier trat sie die Flucht an.
Plötzlich wurde es hell. Der Strahl einer Taschenlampe durchschnitt das Dunkel und tastete über den feuchten Boden, über die Spinnweben und den Schimmel.
Phoebe huschte aus dem Raum, als der Fremde ihn betrat, in ein Nebenzimmer. Sie drückte sich flach an die Wand. Sie wusste, dass es sich nur noch um Herzschläge handeln konnte, bevor man sie entdeckte. Am liebsten wäre sie auf die andere Seite des Raumes gelaufen, hinter die schwere Tür, um sich ein paar wertvolle Sekunden zu erkaufen. Doch der Fremde, ein abgerissener, schwarzhaariger Mann mit wilden Augen, stand bereits so, dass er die Bewegung sofort bemerkt hätte.
Phoebe hielt den Atem an. Der Mann trug ein Gewehr mit sich, den Riemen locker um die Schulter geschlungen. Weil sie die Augen über die Waffe gleiten ließ, bemerkte sie das getrocknete Blut an der Kleidung des Mannes erst später. Der Fremde humpelte, doch der harte Blick in seinem unrasierten Gesicht machte ihr klar, dass ihn die Verletzung nicht schwächte.
Schon wandte er sich ihr zu, bemerkte den schmalen Körper, der sich in die Dunkelheit zu drücken versuchte, und hob die Waffe. Er rief Worte in einer fremden Sprache.
Phoebe ließ sich nach vorne auf die Hände fallen, in Erwartung lauter Schüsse, doch der Mann schoss nicht. Stattdessen ließ er den Gewehrlauf auf ihren Kopf krachen, als sie gerade nach oben sah.
Mit dröhnendem Schädel schlug sie auf dem Boden auf und verlor für eine Sekunde jegliches Zeitgefühl. Als sie blinzelnd zu sich kam, kniete sich der Mann neben sie und zerrte ihre Arme unter ihrem Körper hervor. Er schimpfte in einer Sprache, die sie nicht verstand und zerrte so grob an ihr, dass sie sich sofort zu winden begann. Einen Fuß bekam sie frei und trat damit blindlings auf ihren Gegner ein. Der Griff um ihre Arme lockerte sich überrascht, Phoebe konnte ich umdrehen und die Finge um die Ohren des Mannes krallen.
Mit aller Kraft ihrer Verzweiflung stieß sie den Kopf des Mannes gegen die Wand und rollte ihn von sich fort. Sie sprang auf, hechtete ihm nach und trat ihm ins Gesicht, als er aufstehen wollte. Dann packte sie seine Haare an den Schläfen und schlug den Kopf wieder und wieder auf den Steinboden, bis die dunklen Finger, die an ihr rissen, erschlafften.
Keuchend krochen sie von dem Mann weg und zog die Knie vor die Brust. Tränen stiegen in ihre Augen und ihr war schlecht. Eine Blutlache breitete sich um den Kopf des Mannes aus. Der Schädel war ein wenig deformiert. In der Blutlache lagen dünne Strähnen von Haar und kleine, weiße Splitter.
Sie würge und erbrach sich in die Ecke hinter der Tür. Zitternd stand sie auf und strich über ihre Kleidung, die zum Glück unbeschadet geblieben war. Sie schwankte wieder, sie war zu müde. Aber in diesem Keller würde sie nicht bleiben.
Auf wackeligen Beinen schlich sie den Weg entlang, den der Angreifer gekommen war. Sie fand eine Treppe, die auf ein verlassenes Fabrikgelände führte.
Langsam atmete Phoebe durch und schluckte den fahlen Rest der Übelkeit herunter. Sie straffte die schmalen Schultern und suchte ihre Umgebung ab. Dann wandte sie sich dem Gebäude zu, kletterte durch ein geborstenes Fenster und kroch leise eine Treppe hinauf.
Vorsichtig betastete sie die schmerzende Seite ihres Kopfes. Ihre Finger waren feucht von Blut, als sie sie zurück zog.