Der Bogen starrte ihn hämisch an. Hatte Potter zunächst tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, in der Mysterienabteilung Sex zu haben, verwarf er den Gedanken ziemlich schnell. Dieses Artefakt verunsicherte ihn auf ungewohnte Weise. Die Schlacht. Voldemort. Lestrange. Sirius. Lucuis Stab an Lunas Kehle. Das irre Lachen von Bellatrix. Oh, diese Schlampe. Plötzlich erschien ihm alles gegenwärtig. Gestern und heute verschwammen. Kälte ging von dem Podest aus. Unerbittlicher als jeder Dunkle Lord stand der Schleier zwischen den Lebenden und den Toten. Er bekam Angst. Draco könnte unvorsichtig sein und hineinfallen. Draco könnte auch einfach stolpern und hineinfallen. Draco könnte…
Potter schluckte kaum merklich und zog Draco an sich. Die Angst, Malfoy verlieren zu können, war einen Moment überdeutlich. Harry spürte die Hand seines Prinzen an seiner Hüfte. Er musste Malfoy küssen. Wieder und wieder und wieder. Der Duft des Anderen und der Geschmack der Küsse beruhigte Potter nur unzureichend. Also begann er von der Schlacht zu sprechen. Er sprach nur, um das Gefühl der Ohnmacht im Angesicht des Schleiers, zu verlieren. Ein Absinth wäre jetzt genau das Richtige oder eine Flasche.
Malfoy hörte ihm aufmerksam zu. Etwas war anders. Potter redete schneller, lauter und irgendwie durcheinander. Irgendetwas an diesem Ort entwickelte seine Macht. Unheimlich. Unerbittlich. Zeitlos. „Du hasst Tante Bellatrix wegen Black, oder?“, fragte Malfoy nur um selbst keine Stille entstehen zu lassen. „Tante Bellatrix? Du nennst diese Irre Deine Tante?“ Potter erschien dieses Familienverhältnis absurd. „Sie ist meine Tante – Mutters Schwester.“ Draco verstand die Nachfrage nicht. „Sie kann tolle Plätzchen backen, hat Mutter gesagt. Aber ich weiß, was Du meinst, denke ich zumindest.“ Bellatrix Lestrange mit weißer Schürze beim Plätzchen backen, überstieg Harrys Vorstellungsvermögen. „Ich hasse Riddles Wahnsinn an ihr. Sie strahlt ihn aus. Er rinnt durch sie hindurch.“ , fügte Potter hinzu. „Er vergiftet alles.“ Draco dachte darüber nach. Er dachte an die Szenen in Malfoy Manor. Das schwarze Schloss war grausam und böse und tödlich, aber keineswegs irre. Er glaubte dem Dunklen Herrn.
„Laß uns gehen,“ sagte Potter. „Sie hatten Zeit genug.“ Malfoy fühlte sich ziemlich ertappt: „Zeit genug?“, fragte er lahm nach. „Deswegen wolltest Du doch herkommen… Damit sie Zeit haben, ohne mich zu verhandeln.“ Der Dunkle Lord lächelte süffisant. „Du bist ziemlich Slytherin, Harry.“, gab Malfoy zu. „Ich bin ein Dunkler Lord. Was hast Du erwartet?“
Sie kamen gut voran. Jetzt wo Potter nicht mehr provozierte, gelang es routiniert Fortschritte zu machen. Sie hatten ähnliche Ziele und wollten sich nicht in Kleinigkeiten verlieren. Es stand zu viel auf dem Spiel, um über Details zu streiten. Severus blieb hart. Das blieb er immer. Es war seine Rolle. Hermine machte Zugeständnisse. Das machte sie immer. Es war ihre Rolle. Ron stellte sich dumm. Das machte er sonst nie. Cornelius Fudge wurde in die Ecke gedrängt. Das passierte ihm selten. Shacklebolts Job fiel zuerst. Die Haftstrafe kam allerdings erst spät ins Gespräch. Fudge kämpfte hart um Kingsley. Sie waren ein ganzes Leben Freunde gewesen. Er hatte keine Chance. Es stand zu viel auf dem Spiel, sagte Moody. Er hatte natürlich Recht. Es ging um mehr als um Shacklebolt. Es ging um das Konkordat. Es ging um den Frieden. Es ging um die Sicherheit. Fudge trank Kürbissaft. Der bittere Geschmack des Verrates blieb auf seiner Zunge.
Arthur fragte sich, ob sein Sohn ein Vergewaltiger geworden war. Er mochte es sich nicht vorstellen. Das Gesicht seines Sohnes gab keine Antwort darauf. Er konnte ihn nicht fragen. Nicht hier und auch sonst nirgends. Er hatte die Berichte aus dem Schwarzen Schloss sooft gelesen. Er verstand sie nicht. Sie wiesen Widersprüche auf, die unerklärt blieben. Wen sollte Arthur denn fragen? Hermine? Ron selbst? Harry? Die Auroren schienen sich sicher zu sein. Arthur wollte es nicht glauben. Ron war sein Sohn. Er hatte ihm immer beigebracht, was richtig und was falsch war. Oder nicht? Ron liebte Hermine. Das zumindest schien klar. Alles andere blieb in den Mauern des Schwarzen Schlosses und seinem Schweigen verborgen.
Der Tür öffnete sich geräuschvoll. Potter erschien im Türrahmen. Moody sah ihm direkt in die Augen, grinste und wollte mit großem Interesse wissen: „War es gut, Harry?“ Potter erwiderte den Blick cool. „Ja. Was denkst Du denn?“ Mad Eyes Blick strich unendlich langsam über Malfoy und blieb lange an seinem Gürtel hängen. „Ich weiß nicht recht – ein Malfoy? Mein Geschmack wäre das nicht.“ Das Duell ging weiter. „Du weißt nicht, was Dir entgeht. Wie weit seid Ihr denn gekommen?“