Es war einmal ein Volk, das sich ein Land zum Leben suchte, denn sie waren anders in der Welt der Menschen. Sie lebten lange Jahre und nicht wenige von ihnen konnten Geschichten der alten Zeiten, die die Welt längst vergessen hatte, erzählen.
So kam es, dass sich diese zusammenfanden und ein Volk ohne Heimat entstand. Diese Heimatlosen zogen nun aus, um eine zu finden.
Viele Monde vergingen ehe sie fündig wurden und tief in den Gebirgen ein Tal erblickten, das grün und fruchtbar vor ihnen lag. Ein Fluss durchschnitt das Tal wie unzählige Bäche es ihm gleichtaten. Er spaltete sich in zwei an einer Stelle, um eine bewaldete Insel zu umspülen. Man nannte bald die eine Flussseite Erid, die andere Livol nach den Familien, die dort als erstes siedelten.
Sie rodeten die Wälder, um Ackerflächen zu schaffen, die genügend Korn trugen, um das Volk zu ernähren. Sie bauten Häuser und Dörfer und da jeder von ihnen lange lebte und andere Zeiten als die Seine nannte bauten sie große Monumente der alten Zeit, um ihren Tribut und Dank zu zeigen.
Gefunden wurde das Volk im Tal nicht. Sicher jedoch waren sie auch hier nicht lange, denn sie ahnten nichts von der Quelle einer Kraft, die ihr Tal verändern würde und im Herzen heranwuchs.
Es dauerte bis die Natur ein Kind gebar oder genauer eine livolische Mutter einen Sohn zur Welt brachte, der einen eridischen Vater hatte und somit beide Familien des Flusses vereinte.
Das junge Paar hatte sich auf die Insel zurückgezogen, hatte eine stabile Brücke an einer Schmalseite des Flusses errichtet, um das Inselland zu erreichen, denn eine Fähre war an den meisten Tagen undenkbar gewesen.
Sie hatten auf einer breiten Lichtung des Waldes ein Landhaus errichtet und einen Garten angelegt, der sie mit Nahrung versorgte.
Ihr Kind, der Sohn, der später Stammhalter einer neuen Familie werden würde, war der Auslöser, der vieles ins Rollen brachte.
Er riss aus als er knapp zehn Jahre alt war, denn er liebte die alten Bäume und die moosigen Wege des Waldes und erkundigte alles, was vor ihm auftauchte mit Leidenschaft.
So verschlug es ihn einst auch in einen dunkleren Teil des Waldes, wo die Bäume höher und stämmiger gewachsen waren. Ein kleiner silbrig schimmernder Bach schlängelte sich um jeden Stamm und schuf ein feuchtes Labyrinth.
Begeistert folgte der Junge dem Lauf, tänzelte um dicke Stämme, sprang über Steine. War der Bach breiter, der an vielen Stellen nur ein Rinnsal war, blieb er auf einer Seite und überquerte ihn erst wieder wenn er dünner wurde.
Er fand heraus wie der Bach fließt und folgte dem Wasser zurück an seine Quelle. Nicht unbemerkt von Augenpaaren in den wildesten Farben, die aus dem Schatten heraus ihn nicht aus den Augen ließen.
Der Junge bemerkte dies nicht und eilte dem Wasserlauf hinauf zu seinem Ursprung, der sich in einer Grotte befand, die erleuchtet wurde durch das Schimmern eines großen Kristalls, der inmitten eines kleinen Sees lag, der den Bach speiste.
Der See war nicht tief und angetan von dem Funkeln näherte sich der Junge und hob den Kristall auf. Nichts ahnend, was er damit ausgelöst hatte.
Sogleich versickerte das silbrige Wasser und es wurde dunkel.
Erschrocken umklammerten die Finger des Jungen den Kristall fester, der überraschend leicht in den Händen lag.
Schneller denn je trugen seine Füße ihn fort aus der Grotte in den Wald über dem nun eine eigenartige Dunkelheit lag.
Hätte er die Augen bemerkt, die vor Aufregung leuchteten und das Flüstern gehört, hätte ihn wohl noch mehr Angst gepackt als er ohnehin verspürte.
Ganz außer Atem, mit Angstschweiß überströmt, erreichte er das sichere Heim der Eltern, wo die Mutter besorgt in die Augen ihres Sohnes sah.
Er drückte sogleich den Kristall in die Arme seiner Mutter und bereute es im nächsten Moment, denn erneut verströmte der Kristall Licht und der Himmel über dem Haus wurde finster durch aufziehende Wolken.
Raschen Schrittes stürzte der Vater aus dem Haus und riss den Sohn gerade noch beiseite, ehe die Mutter aufschrie und der Kristall ihre Hände zu verbrennen schien.
Das Licht bündelte sich zu Strahlen, die in alle Himmelsrichtungen gesandt wurden und bedrohlich erklang eine Stimme in fremder Sprache. Man konnte nicht deuten, ob Mann oder Frau, denn die Stimme klang wie beides.
So schnell es begann, so schnell war es vorbei und es wurde ruhig. Das Leuchten verschwand, der Himmel klärte sich und doch war nichts mehr wie zuvor.
Die Zeit hatte sich verändert und mit sich die Bewohner des Tals, das gewachsen war und sich zu einem großen Land ausgedehnt hatte, welches man beinahe als Welt nennen konnte.
In allen Teilen verschwanden die Grenzen zwischen den Zeitepochen der gewesenen Zeiten und der kommenden Zeiten, die außerhalb des Tales herrschten und herrschen würden.
Die erbauten Monumente, einst nur Abbilder aus Erinnerungen waren nun groß geworden und spiegelten die Vergangenheit in den stolzen Pyramiden und die Zukunft in Häusern aus Glas, die in den Himmel reichten, wieder.
So wurde das Tal epochenlos und vereinte doch alle in sich. Viele Zeiten, längst vergessen oder noch nicht geschehen in der Welt der Menschen, wurden nun im Tal, das im Gebirge des Vergessens liegt, geboren.
Die kleine Familie auf der Insel erfuhr eine Erscheinung als der Kristall ruhig wurde. Eine Stimme, leise nun, sprach, dass sie die sein müssen, die diese Welt im Gleichgewicht hielten, denn die Finsternis des Waldes war mit dem Nehmen des Kristalls erwacht und mit Berühren durch eine Frau, hatten sich die Tore der Zeit und auch die Tore der Welten geöffnet und der Wald war nicht mehr gut gesinnt.
Zurückgebracht musste der Kristall werden, dennoch war es zu spät, als die Silberquelle den Bach wieder speiste.
Sie waren bereits entfesselt und all die Augenpaare, die dem Jungen gefolgt waren, erhielten nach all den Jahrhunderten, die sie nur Schatten waren in diesem Tal, einen Körper.
Sie mischten sich unter das Volk, waren gut und böse gesinnt, trieben das Menschliche aus und schlossen die neu entstandene Welt von der Anderen ab.
Manche halfen dem Volk sich zurechtzufinden. Manche aber wollten das Volk nicht und verbündeten sich mit diesen nur, wenn sie die gleichen Ziele hatten und die Macht über das Tal an sich reißen wollten.
Das Tal ward zur Welt geworden, die den Namen Elensar erhielt und ihre Bewohner zu einer eigene Rasse mit langem Leben namens Elensarian.
Sie hat Tag und Nacht und Stunden und dennoch ist es eine andere, eine merkwürdige Zeit, die dort Einzug genommen hatte.
Der Wald auf der Insel war gefährlich geworden. Das silbrige Wasser schon bald blutrot und der Kristall gebar nun mehr Monster, die von der Familie in Schach gehalten werden musste, wie es die Kinder und Kindeskinder des Sohnes tun würden, damit andere in Frieden leben konnten.
Jedenfalls so lange bis ein Mann sich hervortat, der Bruder des Königs und diese Welt ins Unglück stürzte.
Anmerkung:
Es ist lange her, dass die Geschichte begann und sie begann damals noch nicht mit dieser Erzählung.
Wir, meine Freundin und ich, die das Vergessene Land Elensar erschufen, das von zwei Flüssen, Erid und Livol, durchschnitten wird, haben uns weniger Gedanken um die Vergangenheit gemacht als um die Gegenwart mit unseren Charakteren.
Elensar ist, kurz gesagt, ein verwirrendes, epochenloses Land. Die Zeit dort vergeht anders als in der Außenwelt, weswegen die Bewohner ein langes Leben genießen. Dieses Alter wird bei vielen verstärkt dadurch, dass sie sich, als das Land noch nicht vergessen war, mit Bewohnern der Außenwelt vermischten. Sie nennen sich die Elensarian.
Die Geschichte findet in einer Fantasiewelt statt, in der es Dämonen (verschiedenster Art. Es gibt nicht nur böse Dämonen und es gibt nicht nur gute Engel), Engel, Mischwesen, Hexen, Zauberer, Drachen, Meerwesen, Elfen (verschiedenster Rasse), Vampire und alles Mögliche bis hin zu ein paar Gottheiten gibt, die zum Teil in Elensar leben, aber vor allem in der Außenwelt im Verborgenen leben oder sie leben in den Unterlanden (Hölle, Unterwelt).
Elensar riegelte sich irgendwann von der Außenwelt ab. Die genauen Gründe sind unbekannt. Es liegt vor allem damit zusammen, dass Elensar ein Ort ist, in dem die Zeit anders tickt und das ist für die meisten gruselig.
Die Bewohner können nach außen durch verborgene Pfade in den Gebirgen und sie können auch Leute von außerhalb mitnehmen. Das geschieht jedoch sehr selten.
Die Geschichte ist jetzt schon so groß und nicht einmal ein Drittel ist zu Papier gebracht worden, sondern spukt in meinem Kopf und meiner Erinnerung herum. Ich habe mich bemüht über die letzten Jahre die Vergangenheit ein wenig aufzurollen und Erklärungen zu schreiben, warum Elensar so ist, wieso es dort nicht nur friedlich ist, was es mit den drei Thronen auf sich hat, etc.
All das habe ich unter „Elensarische Märchen“ verbucht, in einer Idee, dass die Einwohner selbst nicht mehr so genau wissen, wie das alles passiert ist, aber sich Mythen darum ranken und Märchen, die sie ihren Kindern erzählen (oder auch nicht. Sind nicht unbedingt schöne Märchen). Darum sind die Geschichten einfach gehalten.
(28.3.2012)