Sie konnten es immer noch nicht fassen. Mitten im Oktobernebel blühte ein zarter Rosenstock mit pastellenen Blüten. Seit fast zehn Minuten starrten die Zwillinge nun schon auf dieses Wunder der Magie. Snape hatte ihnen beim Frühstück gesagt, dass Draco für zwei Tage auf der Krankenstation bleiben musste. Weshalb hatte Snape nicht erwähnt. Ihn danach fragen mochten sie auch nicht. Er war und blieb nun einmal ein unsympathischer Kerl. Jedenfalls blühte hier unbestreitbar eine rumänische Bergrose. Statt einer einzelnen Blüte hatten sie nun fast zehn kleine Blüten zur Verfügung. Dumbledore klatschte vor Vergnügen in die Hände. „Zauberhaft, geradezu magisch.“, bemerkte Minerva. Beim Frühstück spürten sie alle noch einfach nur Bedrückung. Es hatten tatsächlich drei Kerzen die Farbe gewechselt. Darauf konnte sich niemand einen Reim machen. Unbehagen hatte sie alle ergriffen. Der dunkle Lord hatte offensichtlich tiefe schwarze Magie gewirkt und so hatte sich die Dunkelheit schneller ausgebreitet, wie es bisher geschehen war.
Aber jetzt kam mit der Blume der Mut zurück. Sie würden es schaffen. Albus Dumbledore brach eine kleine Knospe ab. Nachdenklich betrachtete er sie. Eine zarte Blüte in dem Stürmen des Herbstes. Er prägte sich die Muster der Magie auf ihr genau ein. Vorsichtig hauchte er einen Zauber, wie einen Sonnenstrahl darauf. Sie öffnete sich fast schüchtern und färbte sich zart gelb. Er häufelte etwas kalte Erde mit seinen Händen auf, wärmte sie magisch und legte die gelbe Rose hinein. Der Zauber strengte den mächtigen Magier deutlich an. Er mochte zu dieser Zeit jedoch keine Anrufung der Macht verwenden. „Crēsce!“, befahl er der Pflanze. Der Zauber verlangte ihm fast all seine Kraft ab, aber es gelang ihm die zart gelben Rosenstöcke in geometrische Figuren zu zaubern. Erschöpft ließ er sich auf einer Bank nieder und rief nach einem Hauselfen, der ihm eine heiße Schokolade brachte.
Minerva nahm zwei Blüten von dem Ursprungsstock und heilte ihn anschließend. Beide Blüten fügte sie magisch zusammen. Sie bildeten eine große roséfarbige Blüte. Sie um schritt sorgsam jede Säule im Hof. Dann legte sie die Blüte an einer Säule ab. Ihr „Cresce!“ trug weit in den Morgen hinaus. Minervas Magie erfüllte den Platz. Traumhaft schöne Rosen rankten sich von Säule zu Säule. Langsam kletterten sie auf dem kalten Stein bis zu den Kapitellen. Der Hexe brach der kalte Schweiß aus. Ihr Atem ging unregelmäßig wie nach einem heftigen Duell. Sie fror jämmerlich und musste sich hinlegen.
Viele trauten den beiden Zauberscherzerfindern keine hohe magische Begabung zu; sie irrten alle. Ihr perfektes Zusammenspiel ermöglichte ihnen hohe helle Kunst. George wählte ein grünes Blatt von der größten Pflanze und brach einen Dorn ab. Er stach sich mit dem Dorn in den Finger. Er tropfte etwas von seinem Blut auf einen besonders schönen Platz. Fred tat es ihm nach. Zugleich riefen sie „Cresce!“ und aus der Erde streckte sich im Zeitraffer ein Baum voller weißer Rosen mit roten Spitzen. Schwer atmend nahmen sie jeder einen Zitronenbonbon von Dumbledore und klatschten ab. Natürlich war der Garten noch lange nicht fertig, aber der Fortschritt glich einem Wunder.
Severus Snape schaute sich mit großem Interesse die vielfältigen Roseninterpretationen genausten an. Anerkennend nickte er an der einen oder anderen Stelle und korrigierte einige Kleinigkeiten mit einfachen oder mittleren Zaubern. Dann gesellte er sich zu den drei anderen Magiern: „Beeindruckende Arbeit, meine Herren – leider vollkommen nutzlos“, sagte er unbewegt. „Vollkommen nutzlos?“, fragten die Zwillinge aus einem Mund. „Fast der halbe Hof blüht.“, echauffierte sich Fred. „Aber wie lange bei dieser Temperatur? Spätestens morgen um diese Zeit sind die Rosen erfroren.“, wies der Tränkemeister auf ein entscheidendes Detail hin. Dumbledore lutschte gut gelaunt ein weiteres Zitronenbonbon. „Severus, ich bin sicher, Du hast bereits fertig, was wir brauchen.“, mutmaßte der weiße Zauberer. „Ein wenig davon konnte ich bereits fertigstellen, allerdings hatte ich heute Nacht dringendere Aufgaben. Wir werden sehen ob es reicht.“ Snapes Arroganz nervte die Zwillinge gewaltig, aber bei diesem Projekt konnten sie nicht auf einen so fähigen Zauberer verzichten.
Joshuas Blutdurst schien im Moment unerträglich zu sein. Schon seit drei Tagen hatte er keinen einzigen Tropfen mehr gehabt. Kurz bevor er in die Dunkelheit zurückkehren wollte, um seine Beute zu finden, hielt ihn ein Hauself auf. „Seine Lordschaft verlangt nach Ihnen, Sir.“ Widerwillig, aber unverzüglich begab er sich zu seinem Herrn. „Mylord Potter. Was darf ich für Euch tun?“, verneigte er sich vor dem Dunklen Lord, der ihn entspannt in seinem Privaträumen empfing.
„Joshua, Du bist sehr durstig, mein Lieber.“, stellte Lord Potter freundlich und beinahe mitleidig fest. „Du hast drei Tage nicht getrunken. Es muss furchtbar sein.“, fuhr er fort. „Es ist noch auszuhalten“, log der Vampir fast überzeugend. Seine Lordschaft spielte mit einem sehr scharfen Obsidiandolch in der Hand. „Ich habe Dir Aurora versprochen. Verführ sie, bring sie in mein Reich und gib ihr den Kuß. Die gesamte Aufmerksamkeit von Shacklebolt liegt auf mir. Er wird begeistert sein, Dich als meinen Nebenbuhler zu empfangen.“, grinste Potter sadistisch.
„Mylord. Shacklebolt will für sein Kind keinen Dunklen Lord, aber sicher noch viel weniger einen Vampir?“, wagte der Schattenjäger einen Einwand. „Er wird Dich nicht erkennen. Du trinkst mein Blut. Es macht Dich satt und schenkt Dir drei Tage ohne Durst. Niemand sieht in dieser Zeit, wer Du wirklich bist.“ Der Schattenjäger war verwirrt. „Ihr meint, ich soll Euch beißen?“ Lord Potter verneinte kühl. Er griff einem goldenen Kelch, legte seine linke Hand darüber und zog den Dolch blitzschnell durch die Handfläche. Das rote Blut lief pochend und schnell in den Kelch. Der Vampir konnte sich kaum mehr bezähmen. Potter behielt ihn fest im Auge, während das heiße Blut weiter in den Kelch rann. Es war fast ein dreiviertel Liter, den er in das Gefäß laufen liess. Dann schloss er seine Wunde einem Zauberspruch und reichte den Becher hinüber. Ungezügelt gab Joshua nun seinen Trieb nach. Es war ein Wunder für ihn. Nachdem er alles ausgetrunken hatte und den letzten Tropfen heraus geleckt hatte, war er tatsächlich satt. „Das Blut eines Dunklen Lord sättigt besser und gibt Dir mehr Macht. Wage es trotzdem lieber nie einen anzugreifen“, riet ihm der Potter. Der Magierlord trank einen Becher Bluterneuerungstrank, den er bereits vor sich stehen hatte.