Bald erreichte Xantina eine Gegend, wo es sehr viele kleine und grosse Inseln im Meer gab. Palmen wehten auch hier in grosser Zahl und das glasklare Wasser der Lagunen, schwappte gegen die zahllosen Ufer. Weit weg war sie nicht mehr von den Düstermarschen, die Inselgruppe kündigte an, dass sie schon bald ihr Ziel erreicht hatte.
Mit der Zeit veränderte sich die Gegend immer mehr, sie wurde richtig trostlos. Die braunschwarze Erde wirkte irgendwie verbrannt, viele Bäume hatten kaum Blätter, sahen aus wie dunkle Skelette die ihre Zweige in einen dunstigen, gräulichen Himmel reckten. Von den Bäumen die noch olivgrünes Blattwerk trugen, hingen schmutziggraue, moosartige Pflanzen. Xantina war noch nie hier gewesen, doch sie wusste, dass die Düstermarschen ein riesiges Moorgebiet mit hunderten von kleinen Seen war. Man hatte ihr eine genau Karte von der Gegend gegeben und das Haus bezeichnet, in dem ihr Opfer Kybelia wohnte. Sie musste nur weiter der Schreckensmoorküste nach, bis fast vor die Mauern von Theramore. Das Haus der Priesterin sah aus wie die meisten Menschenhäuser, gebaut aus Stein und mit einem braunen Schindeldach. Es war leicht zu finde, da es das einzige Haus in der Gegend war. Wieder verspürte die Orcin Aufregung, wenn sie an diese Aufgabe dachte. Black Shadow's samtweichen Schritte, waren im Sand der Küste kaum zu vernehmen. Ab und zu kreuzten gewaltige Schildkröten ihren Weg. Sie hatten eine türkisblauen, mit violetten Rändern umrahmten Panzer. Man nannte sie Schlammpanzer- Schildkröten. Sie waren harmlos, solange man sie in Ruhe liess. Xantina machten auch eher die menschliche Patrouillen Sorgen und in den Informationen über die Schreckensmoorküste hatte sie auch entnommen, dass es oft auch Räuber und Piraten in der Gegend gab. So war sie sehr auf der Hut.
Schliesslich dann, tauchten in der Ferne gewaltige, weisse Festungsmauern auf. Sie waren aus riesigen Steinquadern gefertigt, mit mehreren eindrücklichen Türmen. Es war die Menschenstadt Theramore! Xantina war beeindruckt. Die Menschen verstanden es wirklich gute Städte zu bauen. Diese Mauern waren kaum zu durchdringen, wenn die massiven Holztore geschlossen wurden. Man konnte so unter Umständen, tagelangen Belagerungen standhalten.
Die Orcin fand sowieso, dass der Baustil einiges über ein Volk aussagte. Die Orc's bauten wieder ganz anders, aber sie waren auch sehr selbstsicher und den Menschen körperlich sicher überlegen. Die Menschen legte darum sehr viel Wert auf eine massive Bauweise, die ihre eher schwachen Körper gut schützte. Die körperlich geringere Kraft, machten sie aber mit Heldenmut und Geschicklichkeit wieder wett. So sagte es zumindest Xantina's Vater immer. Irgendwie hatte er einen Narren an den Menschen gefressen, keine Ahnung weshalb. Immerhin waren die Menschen doch die grössten Feinde der Orc's. Xantina's Blut begann zu kochen, wenn sie daran dachte, dass dieses Volk die Orc's einst besiegt und sie als Sklaven gehalten hatte. Das schrie nach Rache! Mit Kybelia's Tod, kam sie dieser Rache wieder ein kleines Stück näher…
Noch während Xantina ganz ihren düsteren Gedanken frönte, tauchte rechts auf dem Hügel auf einmal ein kleines Häuschen auf. Es war wie es in den Unterlagen stand aus dunkelgrauen Steinen gefertigt und mit einem braungrauen Schindeldach gedeckt.
Xantina atmete tief ein und band ihren Wolf ein Stück abseits des Gebäudes fest. Dann legte sie den „Zauber der Verstohlenheit“ auf sich und schlich sich näher an das Haus heran. Es sah aus, als wäre niemand da. Sie blickte durch die Fenster in ein geräumiges Wohnzimmer mit hölzernen, rustikalen Möbeln, einem einfache Bett mit blitzsauberen Laken und einer Feuerstelle. Nicht bewegte sich. Die Priesterin war wohl gerade ausser Haus. Xantina machte sich an dem einfachen Türschloss zu schaffen. Die Schurken waren Meister im Schlösser knacken. Sie hatte eine lange Ausbildungsreihe absolviert, um so gut zu werden, wie sie es jetzt war. Beinahe geräuschlos schwang die Türe auf und ebenso geräuschlos schlich die Orcin hinein. Sie blickte sich nach einem Platz um, der es ihr ermöglichte einen guten Hinterhalt zu legen. Akribisch ging sie alles durch, was sie tun würde, um die Priesterin von hinten möglichst schnell unschädlich zu machen. Mit Quälereien würde wohl nichts werden, diese Gegnerin war zu stark. Sie musste sie bei der ersten Gelgenheit töten. Niemand konnte der Schurkin nachweisen, ob sie alle Wünsche genau einhielt. Sie konnte der Priesterin auch nachträglich noch einige unschöne Wunden beibringen, die auch nach Leiden aussahen. Darauf verstand sie sich. Ausserdem musste sie ja selbst entscheiden, wie sie vorging. Immerhin hing ja auch ihr eigenes Leben davon ab und die „Brennende Klinge“ wollte die Priesterin in erster Linie tot sehen. Also tat sie, was sie für richtig hielt und so wartete sie...wartete sie geduldig in der Unsichtbarkeit, bis ihr Opfer zurückkehrte.
Die Wartezeit war erstaunlich kurz. Denn schon eine knappe halbe Stunde später, vernahm sie draussen vor dem Haus Geräusche. Sie hielt den Atem an und blieb vollkommen regungslos im Schatten stehen. Die Tür schwang auf und eine, in eine einfache, blauweisse Robe gekleidete Frau trat ein. Sie hatte ein schönes, ebenmässiges, wenn auch eher herberes Gesicht, einen vollen Mund, braune Mandelaugen und beinahe dieselbe Haarfarbe wie Xantina. Ihr Haar reichte knapp über die Wange und seine Spitzen hatte man nach innen frisiert, so dass sie das Gesicht sanft umrahmten. Kybelia trug ausserdem im linken Nasenflügel einen kleinen Ring und auch einen durch die linke Augenbraue, was ihr irgendwie einen etwas rebellischen Ausdruck verlieh. Xantina war seltsam gefesselt von ihrem Anblick und einem Augenblick lang, vergass sie beinahe, wozu sie hier war. Doch dieser Moment währte nur kurz und machte erneut einem kaltblütigen, strategischen Denken Platz. Noch immer verhielt sie sich ganz still. Sie wartete den richtigen Moment ab, bis ihr die Priesterin den Rücken zukehrte, dann würde sie zuschlagen!
Kybelia zögerte einen Moment, bevor sie eintrat und ging dann langsam zur Feuerstelle herüber. Es war ziemlich kühl heute und vermutlich wollte sie ein Feuer entfachen. Nur noch einen Schritt, einen kleinen Schritt… und Xantina konnte zustossen, schnell wie ein Schatten, unbemerkt und tödlich!
Endlich war es dann so weit! Die Priesterin stand genau richtig und... Xantina, welche durch Magie ihr Tempo etwas verschnellerte, schlug zu um... gleich darauf von einer unsichtbaren Mauer zurück geschleudert zu werden!
Benommen schüttelte sie ihren Kopf. Sie lag auf dem Rücken, auf dem harten Holzboden und die Priesterin ragte über ihr auf! Sie hatte ihren Schutzschild aktiviert, der sie wie ein goldenes Leuchten umgab. Xantina war vollkommen fassungslos. Jahrelang war sie nun schon als Assassine tätig und die Todesrate ihrer Opfer war 100%. Dies war das erste Mal, dass jemand ihren Angriff auf diese Weise vorausgesehen hatte. Sie schaute an der Menschenfrau empor, die für ihre Rasse ziemlich hochgewachsen war und erwartete deren ersten Angriff. Doch Kybelia tat nichts. Sie blickte nur auf sie herab, mit einer Mischung aus Trauer und Mitleid und dann sprach sie dieser Worte, die das Leben von Xantina für immer verändern würde:
„Ich wusste dass du kommst. Es ist wirklich sehr...schade, dass wir uns das erste Mal auf diese Weise begegnen müssen, meine liebe Tochter...“