4. Kapitel
Unerwartete Hilfe
Ich rief den Jugendlichen auf dem Platz zu, dass sie verschwinden sollen, doch irgendwie reagierten sie eine ganze Weile nicht. Ich begann mit den Armen zu fuchteln, um auf mich aufmerksam zu machen und dann endlich, schienen sie mich zu bemerken. Als sie sich mir jedoch zuwandten, gefror mir das Blut in den Adern! Ihr Auge blickten tiefschwarz und leer und ihr ganzer Körper war bereits mit Wunden übersäht. Sie stiessen ein Knurren aus und setzen sich dann mit den üblichen abgehakten Schritten und der krummen Haltung in Bewegung. Unglaubliches Entsetzen ergriff mich. Nun hatte es also schon unter den Schülern die ersten Opfer gegeben. «David! » schrie ich «Da hat es doch Zombies, es sind vier Schüler. Ich kenne sie aber nicht näher. Wir müssen zurück in die Wohnung, schnell! » «Nur noch ein Moment, hilf mir mal! » rief er und reichte mir zwei lange Bretter. «Schnell! Sie kommen! Wir müssen hier weg! Sofort! » Doch da war der erste der Schüler auch schon bei uns angelangt und stürzte sich, seine Klauen ausgestreckt auf uns. Mein Mann befand sich nun neben mir, holte mit einem der langen Bretter aus und schlug mit der flachen Seite selbigen, gegen die ankommenden Feinde. Drei von ihnen wurden zurückgeschleudert. Sie schüttelten jedoch nur etwas ihre Köpfe und rappelten sich, wie zu Fall gebrachte Käfer, wieder auf. Ich hatte noch die Mistgabel in der Hand, doch ich getraute mich irgendwie nicht, die Zombieschüler damit allzu schwer zu verletzen. So hielt ich sie mir einfach vom Leib, so gut ich konnte. Doch die Monstren, dachten nicht daran von uns abzulassen. «Schliess die Tür Remo! » befahl ich. «Nein, das mache ich nicht! » protestierte mein Sohn und kam uns zur Hilfe. Wir packten zu Dritt ein weiteres Brett und stiessen dieses mit aller Kraft gegen die Angreifer. Erneut fielen diese zu Boden.
«Schnell hinein in die Wohnung! » befahl mein Mann und schob unseren Sohn vor sich her in die Sicherheit unseres Heimes. Ich folgte so schnell ich konnte, doch eins der Bretter, das ich trug, verhakte sich im Eingang und ich verlor kostbare Zeit. In diesem Augenblick packte mich etwas von hinten. Es war ein halbwüchsiger Lulatsch, welcher wohl bereits so gross wie ich war (ich bin immerhin 1.73 m). Er war schlaksig gebaut und hatte schwarzes, kurzes Haar. Seine Gesichtszüge mussten einmal ganz schön gewesen sein, aber nun waren sie von Gier und Hunger verzerrt. Ausserdem hatte er blutige Krallenspuren, über seinem einst ebenmässigen Antlitz, welche vollgeschmiert mit geronnenen Blut waren. An seinem Hals klaffte eine der üblichen tiefen Biss- Wunden. Jene, von welchen die Seuche, oder was es auch immer sein mochte, ausgegangen war, schienen mit Vorliebe in Kehlen zu beissen. Dort befand sich auch die Hauptschlagader, denn die Kreaturen schienen sehr blutrünstig zu sein. Der Teenager packte mich nun also an meinem Ärmel und hielt mich fest. Ich zappelte verzweifelt und kam mir vor wie ein unglücklicher Fisch an der Angel.
Doch dann… geschah etwas! Auf einmal lockerte sich der Griff des Feindes und er taumelte zurück. An seinem Kopf klaffte eine frische Wunde und ich stellte mit Erleichterung fest, dass ihn ein ziemlich grosser Stein getroffen hatte. Es flogen nun noch mehr Steine daher und zwar kamen sie vom oberen Teil des Pausenplatzes. Die Zombies schauten verwirrt drein und wandten sich in die Richtung aus der die Steine kamen. Sie knurrten und hoben ihre Klauen. «Schnell! Wir müssen sie ausser Gefecht setzen! » vernahmen wir eine uns bekannte Stimme. Eine eher mollige Lehrerin mittleren Alters, mit hellem, halblangem Haar und eher einfacher, praktischer Kleidung erschien auf der Treppe, welche vom oberen Pausenplatz zu uns hinunterführte. Dicht gefolgt, von einer weiteren kurvigen, ziemlich grossen, jedoch jungen Lehrerin, mit schwarzem, langem Haar. Diese trug ¾ Leggins und ein langes schwarz- weiss gemustertes Blüschen darüber. Es waren Mina Vogelsang und Elina Leiterbach. Eine Mittel- und eine Unterstufen- Lehrerin. Erneut warfen sie Steine und lenkten so die Zombies ab.
Hinter ihnen folgten noch zwei Personen und erstaunt stellten wir fest, dass es sich dabei um unseren Schulleiter Karl Krause und den Lehrer Rubius Sandmann handelte. Letzerer war ein schlanker, dunkelhaariger Mann Ende 50, mit einem Schnauzbart und einer Brille. Er wirkte eher etwas exzentrisch und man nahm ihm den Schulchaoten vollkommen ab. Doch nun rettete er uns gerade und das würden wir ihm niemals vergessen. Auch den anderen Lehrpersonen die nun kamen, waren wir unendlich dankbar, denn durch sie wurden die Zombies abgelenkt und bewegten sich nun von uns weg. Karl hielt zwei metallene Stuhlbeine in der Hand und Rubius einen blauweissen Sonnenschirm. Mit diesen Gegenständen schlugen sie nun auf die Zombies ein und wehrten sie so gut es ging ab.
«Lasst euch einfach nicht beissen! » rief Karl uns zu. «Ich glaube durch die Bisse wird dieses… was auch immer es ist, übertragen. Wir wollen sie nicht töten, aber wir haben keine geeigneten Hilfsmittel, um sie gefangen zu nehmen und fest zu binden. Darum wollten wir zu euch kommen, vielleicht hast du ja einige Dinge die wir brauchen können David. Kabelbinder womöglich? » Während er sprach, wehrte er einen weiteren der Jugend- Zombies mit einem Schlag gegen dessen Kopf ab. «Die vertragen eine ganze Menge! » rief Elina und hielt die grosse, metallene Schere aus dem Lehrerzimmer, wie einen Säbel vor sich ausgestreckt. Wenn ihr einer der Zombies zu nahe kam, stach sie ihn irgendwo rein, allerdings nirgends wo es wichtige Organe gab. David und ich halfen ihnen indem wir die Bretter schwangen und immer mal wieder den einen oder anderen Feind zu Fall brachten. Mina duckte sich erstaunlich behände unter einem der schwingenden Bretter hindurch und schlug mit einem Hammer, einem der Zombies, die noch standen gegen das Knie, so dass dieser stürzte. «Kabelbinder habe ich allerdings!» keuchte mein Mann indes. «Die sind aber wie alles andere in der Werkstatt drüben. Ich müsste sie holen. Aber zuerst sollten wir diese Viecher ruhigstellen. Ich habe eine Idee! » Er holte aus einem Gartenwagen, welcher draussen vor der Garage stand eine Schachtel, derer sich wohl irgendein Lehrer, vor der grossen Jahresreinigung, entledigt hatte und stülpte diese einem Zombie über den Kopf. Orientierungslos geworden, taumelte dieser noch einen Moment lang hin und her, dann stürzte er und blieb erstaunlich ruhig liegen.
«Was um alles in der Welt ist das? » freute sich Mina, packte eine weitere Schachtel und stülpte diese triumphierend über den Kopf eines weiteren Zombies. Dieser reagierte auf dieselbe Weise. «Sie sind wie irgendwelche Tiere, die sich beruhigen lassen, wenn sie nichts mehr sehen, erstaunlich, erstaunlich…,» sinnierte Rubius und holte die dritte Schachtel aus dem Wagen. Sogleich landete auch der dritte Zombie auf dem Boden und dann auch noch der vierte (was übrigens mein Verdienst war ;-) ).
Karl, Rubius und ich packten das breiteste Brett und drückten die Zombies damit zu Boden. Dann warfen wir uns darauf und hielten die Monstren so in Schach. Mein Mann rannte in die Werkstatt und holte die Kabelbinder. Sofort fesselten wir den Zombies damit Hände und Füsse. David brachte auch noch Klebeband, womit wir den Zombies, welche nun ziemlich hilflos waren, die Mäuler zuklebten. Sogleich als wir die Schachteln wegnahmen, wurden sie wieder aggressiver, so stülpten wir diese sogleich wieder drüber und mein Mann öffnete die Garage, welche schon längst nicht mehr wirklich als Garage, sondern als Lagerraum für verschiedenste Dinge diente. «Hier können wir sie erstmal einsperren, bis wir mehr wissen, » sprach mein Mann und Karl nickte etwas nachdenklich. «Ja, auch wenn er mir natürlich nicht Recht ist die armen Schüler so zu behandeln, aber was soll man machen. Sie sind lebensgefährlich geworden. » «Hat es noch mehr von der Schule erwischt, ausser Ella und den Schülern hier? » fragte ich besorgt. «Ja Dana ist mir gerade auch noch begegnet. » Dana Lehmann! Ich wusste wer das war. Eine junge, blonde Lehrerin, welche einem Mittelstufenklasse führte und ausserdem eine Schülerband auf die Beine gestellt hatte, welche uns schon manchen Donnerstagmittag mit dem einen oder andern Misston, traktiert hatte. Dana selbst konnte zwar sehr gut singen, aber da sie es eben gut konnte, tat sie es auch immer und manchmal in Momenten, wo man liebend gern was anderes gehört, oder zu tun gehabt hätte. Über ihre Leidenschaft für Blues und Jazz, vergass sie so manches und war darum ins Hauswarts -Gedenkbuch, als weibliches (noch etwas Schlimmeres) Pendant von Rubius Sandmann eingegangen. Jung übt sich eben, was einst einen Meister Chaotin werden will! Dass es sie nun jedoch auch erwischt hatte, tat mir dennoch leid, man wünscht so ein Zombie Schicksal wirklich keinem.
«Die Band von Peter ist auch betroffen, wie es aussieht und da waren noch irgendwelche Oberstufenschüler, die es auch erwischt hat, » fuhr Karl fort. «Ja, das wissen wir. Vermutlich hat alles bei Peter begonnen. » «Bei Peter? » Ja, aber das ist eine lange Geschichte, » sprach mein Mann ein wenig zerknirscht, weil er sich immer noch schuldig fühlte, dass wir Peter nicht zum Arzt gebracht hatten. Mir ging es ähnlich. So fragte ich: «Hast du schon jemanden angerufen Karl? » «Ja, die Polizei. Diese scheint jedoch zur Zeit gerade sehr überlastet. Es muss noch mehr solche Vorfälle in der Umgebung gegeben haben. Wir wissen also nicht, wer sonst noch als Zombie hier sein Unwesen treibt. Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet, eine Lösung für die Probleme zu finden. Sie sagten, sie schicken baldmöglichst Hilfe zu uns. Aber… bis dahin müssen wir wohl selbst schauen, wie es weitergeht. Die meisten Lehrer, vor allen von den Klassen, die erst um 8.15 Uhr Schule gehabt hätten, habe ich erreicht und diese haben dann all ihre Schüler angerufen.» «Das klingt doch schon mal gut.» freuten wir uns und baten nun unsere Helfer in unsere Wohnung (die ich zum Glück gerade sauber geputzt und aufgeräumt hatte). Wir liessen alle Läden runter und mein Mann nagelte, zusammen mit Rubius noch ein paar Bretter vor die Fenster.
Währenddessen machte ich für alle Kaffee und tischte ein wenig Gebäck auf. Endlich hatten wir einen Augenblick um aufzuatmen, wenn dieser auch nicht lange währen sollte…