9. Kapitel
Rasenmäher Rick
Mit dem zusätzlichen Sichern der Eingänge und den sonstigen gefährdeten Stellen, schien die Anzahl der Zombies draussen auf dem Schulgelände fast zeitgleich, mehr und mehr anzusteigen (hoffentlich hatte das nichts mit Marquards Marderschreck zu tun! :-( ). Es war eine überaus beunruhigende Entwicklung und wir machten uns schon darauf gefasst, dass wir uns vielleicht doch noch in die eher ungemütlichen Zivilschutzräumlichkeiten der Schule, zurückziehen mussten. Das überlegten wir deshalb schon, weil auch die Zahl der Hilfesuchenden mehr und mehr anstieg. Irgendwo mussten diese ja untergebracht werden. Auch das Essen wurde immer knapper, je mehr Leute kamen. Denn Hilfe von seitens der Polizei, oder des Militärs war noch immer nicht in Sicht. Wir hörten immer Radio, oder schauten fern, um auf dem Laufenden zu bleiben. Doch wir vernahmen immer nur neue Hiobsbotschaften. Die ganze Sache schien mehr und mehr aus dem Ruder zu laufen und die Beamten konnten sich kaum all der Zombies erwehren, welche überall ihr Unwesen trieben und immer mehr Leute durch Bisse ansteckten. Wir wussten ja nicht, dass neben Peter auch noch der infizierte Affe und der Kasten- Mann, welchen Peter durch seinen Jungfernbiss angesteckt hatte, ebenfalls für einige Verluste innerhalb und ausserhalb der Labors zuständig waren. Sie hatten deutlich dazu beigetragen, dass die Epidemie so rasend voranschritt. Bald würde deshalb wohl der Notstand ausgerufen werden müssen.
Unsere Hauswart- Wohnung wurde ebenfalls immer unsicherer, denn die Wiesen und der Pausenplatz waren überlaufen mit Zombies. Die meisten davon, kannten wir nicht mehr, was in gewisser Weise beruhigend war. Es liess uns zumindest hoffen, dass nicht noch mehr unserer Lehrer und Schüler betroffen waren. Vielleicht auch dank unserer frühzeitigen Warnungen.
Wir verbrachten unsere Zeit damit, alles aus der Werkstatt zu holen, dass uns bei unserem Kampf gegen die Zombies helfen konnte. Dazu mussten wir jedoch tatsächlich schon bald die Wand von der Wohnung zur Werkstatt durchbrechen. Denn nach draussen gehen konnte man nicht mehr. Zu viele Zombies waren unterwegs. Alle Lebensmittel, die wir noch in unseren Kästen und in unserem Kühlschrank hatten (und das war nicht mal so wenig, wir besassen einen richtigen, kleinen Notvorrat) schafften wir hinauf ins Schulhaus, oder teilweise auch schon hinunter in die Zivilschutzräumlichkeiten.
Mein Mann hatte ausserdem eine Idee, wohin wir uns als Familie im Notfall zurückziehen konnten. Es war eine kleine Dachkammer, die nur Eingeweihte kannten. Diese Kammer war nur über das Vordach des oberen Pausenplatzes erreichbar. Wir mussten entweder mit einer Leiter vom Pausenplatz aus aufs Vordach klettern und dann hinauf zu der Kammer. Oder wir konnten von den Bibliotheksfenstern aus, die sich im Obergeschoss befanden, aufs Vordach gelangen und dann von dort mit einer Leiter zur Kammer hochsteigen. Letzteres war im Augenblick die ungefährlichste Lösung. So gingen wir zusammen mit Remo, durch die doch recht ansehnliche, gemütliche Bibliothek, hinaus aufs Vordach und von da aus zur Kammer. Dort richteten wir uns ein persönliches Notlager mit einigen Lebensmitteln, schützenden Planen und Schlafsäcken ein. Es war nur eine kleine Kammer und deshalb, hatten wir drei dort gerade noch so Platz. Eine Weile würden wir, falls alle Stricke rissen und die Zombie Apokalypse über uns hereinbrach, dort oben überleben können. Es hatte halt schon gewisse Vorteile, wenn man Schulhauswart war. Dadurch erschloss sich einem oft der eine oder andere versteckte Winkel, den sonst niemand je zu Gesicht bekam.
Vom Vordach aus, liessen wir unseren Blick über das Schulgelände schweifen und dort unten, bot sich uns ein unglaublich, grausiges Schauspiel dar. Da waren Duzende von Zombies überall auf den Wiesen und Plätzen verstreut. Wie träge Ameisen wankten sie herum. Der Garten von Familie Marquarts, glich wahrlich einem Schlachtfeld und auch sonst herrschte ein wildes Durcheinander.
Doch dann passierte erneut etwas Unglaubliches! Die Reihen der Zombies wurden auf einmal auseinander getrieben und wir entdeckten einen jungen, schlanken Mann, mit blondem, gelockten Haar und rotem T- Shirt, welcher auf dem grossen Rasenmäher Traktor der Schule dahinraste und eine Schneise in die Reihen der Zombies schlug. Immer wieder fuhr er hin und her, vorwärts und rückwärts. Ob er die Messer eingeschaltet hatte, konnten wir von hier aus nicht so genau sehen. Aber viele der Zombies fielen dem wilden Rasenmäher- Mann sogleich zum Opfer. Er fuhr einmal quer durch die Reihen, dann wieder zurück und jedes Mal, fällte er dadurch mehrere Monstren. Dabei liess er ein seltsames, fast wahnsinniges Lachen hören. Bald lagen überall flachgedrückte, zerstückelte Zombies herum. Obwohl in gewisser Weise schockiert, über so viel Gewaltbereitschaft (vorsichtshalber hielt ich meinem Sohn die Augen zu), mussten wir dem Rasenmäher- Mann dennoch unseren Respekt zollen. Dafür, dass er sich so mitten in die Höhle des Löwen… oder vielmehr der Zombies, wagte. Wir kannten den jungen Mann sehr gut. Er hiess Riccardo Burkhart und hatte sich nach einem Praktikum bei uns in der Schule so wohl gefühlt, dass er gleich blieb. Er war in unserem Team sehr beliebt, wenngleich er manchmal den einen oder andren Schubs brauchte, um sich entschlossen an die Arbeit zu machen (vor allem wenn es um Arbeiten ging, die er nicht sonderlich mochte). Zum Rasenmähnen, war er jedoch immer zu haben und so ging er in die Hauswartchronik schlicht als «Rasenmäher Rick» ein. Rasenmäher Rick, machte hier seinem Namen wiedermal alle Ehre. Denn so viele Zombies auf einmal, hatte bisher wohl noch niemand erledigt. Wir waren da eher etwas zögerlich gewesen. Doch durch Ricks «Arbeit» wurde unser Schulgelände fraglos ein Stück sicherer gemacht.
Nachdem unser einstiger Praktikant, die grossen Wiesen und den unteren Pausenplatz einigermassen «gesäubert» hatte, schlug er die Richtung zum einst schmucken Häuschen der Nachbarn Marquart ein und «mähte» dort munter weiter. Allerdings waren es diesmal nicht Grashalme die fielen (wenngleich es natürlich gewissen grünen Kollateralschaden wie z.B. Marquarts Hecke, ihre Rabatten und Büsche etc. zu beklagen gab), sondern knurrende, stöhnende Zombies, welche mit ihren langen Krallenfingern versuchten den flinken Rick zu packen. Doch dieser liess sich davon nicht beeindrucken und entschwand schliesslich für einen Augenblick lang unseren Blicken.
Mit wild klopfenden Herzen, starrten wir zu Marquarts Zombie- Tummelplatz herüber, denn wir wollten auf keinem Fall, dass unserem Rick etwas Ernstes zustiess. «Machen wir lieber mal die Leiter bereit, » sprach mein Mann vorausschauend, «falls er doch noch ernsthaft in Bedrängnis gerät, kann er zu uns aufs Vordach klettern. »
Wie immer hatte mein Liebster klug gedacht, denn tatsächlich kam Rick bald schon in wildem Karacho zurückgefahren. Er schien wahrlich in arger Bedrängnis zu sein, denn einige der Zombies waren mittlerweile auf den vorderen Teil des Rasenmähers geklettert und griffen nun wild fauchend und knurrend nach unserem Rick. Er versuchte sich ihrer zu erwehren, indem er in wildem Zick Zack auf der Wiese herumfuhr und mit einer Stange, die er bei sich trug, nach den Monstren schlug. Wir gestikulierten wild in die Richtung unseres einstigen Praktikanten und schrien: «Hierher Rick, hierher!!» Zuerst hörte dieser jedoch lange nichts, denn der Rasenmäher machte einen ziemlichen Lärm und Rick hatte mehr als genug damit zu tun, selbigen am Laufen zu halten und zugleich die Zombies abzuwehren.
Dann jedoch schaute er zufällig in unsere Richtung und als er uns erblickte und die Leiter, die wir daran waren ihm runterzulassen, da trat er das Gaspedal nochmals kräftig durch. Er streifte zwei der fünf Zombies ab, indem er unter den niedrig hängenden Ästen, unserer riesigen, uralten Schulhaus- Weide hindurchfuhr, am offenen Holzpavillon daneben vorbeischrammte, diesen niederriss (juhee, endlich hatten wir diesen Pavillon los!), den dritten Zombie, der sich noch weiter vorgewagt hatte, mit einem Fusstritt hinunter auf die Wiese beförderte und dem vierten, den bereits arg lädierten Schädel, mit der Eisenstange spaltete.
Am Fuss der Treppe, die hinauf auf den oberen Platz mit dem Vordach führte, brachte er den Kleintraktor abrupt zum Stehen und lief dann wild um sich prügelnd, die Treppe hinauf. Doch da waren noch mehr Zombies, die natürlich sogleich aufmerksam wurden und sich, wenn auch in ihrem eher langsamen Untoten- Tempo, auf ihn stürzten. Rick schlug weiter um sich, doch es waren einfach zu viele.
«Ich glaub ich muss ihm helfen! » rief mein Mann und machte sich, unter einem Entsetzensschrei von mir und unserem Sohn, eben daran hinunter zu klettern… Als sich von Süden her, plötzlich eine wild gestikulierende, schreiende Truppe von noch gesunden Menschen, auf die Zombies stürzte und ihnen mit Gartengeräten, Messern, Pfannen und sogar einem Sturmgewehr zu Leibe rückten, um sie von Rick abzulenken. Tief erleichtert, atmete ich auf, weil mein Liebster sich nicht hatte ins Getümmel stürzen müssen, denn die Zombies, welche Rick angriffen wurden von den Neuankömmlingen zurückge-, oder er- schlagen. «Hier rauf!» riefen wir und liessen die Leiter hinunter. So schnell wie möglich kletterten alle nach oben und wir zogen die Leiter sofort wieder herauf…