Nathaniel verbrachte die ganze Nacht und den kommenden Tag am Bett seiner Frau. Einen Augenblick lang, hatte er sich wirklich grosse Sorgen um sie gemacht. Ihre Werte waren auf einmal sehr schlecht geworden und die Ärzte mussten einschreiten, um sie zu reanimieren. Aber schliesslich gelang es ihnen sie zu retten und nun, war Leas Zustand wieder stabil. Nathaniel dankte dem Himmel dafür. Er konnte einfach nicht glauben, dass für seine Frau schon die Zeit gekommen sein sollte, sonst hätte sie doch nicht auf so wunderbare Weise überlebt.
Ein Spaziergänger, der mit seinem Hund am Fluss unterwegs gewesen war bei Abenddämmerung, hatte gesehen, wie sie sich von der Brücke gestürzt hatte. Er konnte es nicht mehr verhindern, aber als sie im, zum Glück durch die vielen Regenfälle recht tiefen Wasser, gelandet war, hatte der Fussgänger sofort Hilfe alarmiert. Lea, war noch ein Stück den Fluss hinab getrieben worden, dann konnte man sie herausfischen und sofort ins Spital fliegen. Sie war zwar schwer verletzt und deshalb auch ins Koma gefallen, aber sie lebte noch, sie war nicht tot und Nathaniel war unendlich dankbar dafür.
Seine Eltern, waren ihm eine sehr grosse Hilfe. Sie halfen ihm, alles mit David und der Arbeit zu regeln und standen ihm zur Seite, wo immer sie konnten. Sie waren auch schon selbst im Spital gewesen, allerdings noch ohne David. Heute aber, wollten sie kommen und dem Kleinen erklären warum Mami zurzeit nicht mehr nach Hause kommen konnte.
Die Tür ging auf und Lisa trat mit ihrem Mann Markus und dem kleinen David ein. Der Junge, glich seinem Vater von Körperbau und auch Gesichtsform her sehr. Seine Augen und auch Mundpartie, hatte er eher von Lea geerbt. Sein kurzgeschnittenes Haar, war goldblond, wie das seines Vaters und seine Lippen ebenfalls voll. Er war ein sehr schönes Kind, mit einer wunderbaren Ausstrahlung. Als er nun seine Mami, so daliegen sah, rannte er zu ihr hin und umschlang sie mit seinen Ärmchen. „Mami!“ rief er „Was ist mit dir?“ Nathaniel nahm David auf den Schoss und sprach mit trauriger Stimme: „Mami, ist zur Zeit sehr krank. Sie liegt in einem tiefen, tiefen Schlaf, von dem wir noch nicht wissen, wann sie wieder daraus aufwacht.“ Dass es auch sein konnte, dass sie nie mehr aufwachte verschwieg er, um seinen Sohn zu schonen. „Dann hört sie uns nicht?“ fragte der Kleine und in seinen tiefblauen Augen lag Trauer und tiefe Besorgnis. „Das kann ich nicht genau sagen. Vielleicht hört sie schon einige Dinge, die wir zu ihr sagen, aber sie kann im Augenblick nicht darauf reagieren." „Dann müssen wir viel mit ihr sprechen, ihr schöne Lieder vorsingen und vielleicht schöne Geschichten erzählen, dann wacht sie sicher bald wieder auf.“
Nathaniel und seine Eltern, nickten berührt. Alle hatten glänzende Augen, als sie ein 4- jähriges Kind solch einfühlsame Worte sprechen hörten. Nathaniel nickte und konnte sich kaum mehr beherrschen. Er drücke David eng an sich und begann zu schluchzen. „Ja, mein Schatz, das werden wir tun. Wir werden so viel wir können bei Mami sein, ihr schöne Geschichten vorlesen und schöne Lieder vorsingen. Wir werden auch zum lieben Gott und seine Engeln beten, dass sie sie bald zu uns zurückbringen mögen.“ Der Junge nickte eifrig. „Ja und dann wird Mami wieder aufwachen.“ Er streichelte Nathaniel tröstend über das verweinte Gesicht und umarmte ihn nochmals von sich aus.
„Nicht traurig sein Papi, das wird schon wieder gut.“ Nathaniel lachte unter Tränen. Das ausgerechnet sein kleiner Sohn ihm das mit solcher Überzeugung versicherte. Dabei, hätte doch er sich eigentlich stark und zuversichtlich zeigen sollen. Lisa, trat nun ebenfalls zu ihrem Sohn und umarmte ihn tröstend. „Das wird schon wieder. Kinder, haben manchmal noch viel mehr Wissen als wir und wenn David so davon überzeugt ist, dann dürfen wir auch Hoffnung haben.“ „Ja, das stimmt“, bestätigte Markus, umarmte seinen Sohn ebenfalls und klopfte ihm ermutigend auf die Schultern. „Ich danke euch, für eure Hilfe, “ sprach Nathaniel „wenn ich euch nicht hätte!“ „Das ist doch selbstverständlich. Wir sind immer für euch da.“
3. Kapitel
Der goldene Ritter
Lea ging über das dunkle, petrolblaue Gras, welches sich angenehm weich unter ihren, nun nackten Fusssohlen anfühlte. Sie fühlte sich irgendwie seltsam beschwingt, seit sie ungefähr wusste, wo ihr Ziel lag. Als sie schliesslich ganz bei den dunklen Bergen ankam, welche wie die Zacken eines gewaltigen Drachenrückens in die Höhe ragten, hielt sie inne. Sie schaute den schwarzen Steilhängen entlang nach oben, suchte nach einem Durchgang, wie sie es damals in dem unheimlichen Gewölbe getan hatte, wo sie dem schrecklichen Monster begegnet war. Die Berge wiesen seltsame, bizarre Formationen auf, die sie irgendwie flüchtig an die Steinskulpturen in jenem Gewölbe erinnerten. Doch zum Glück waren diese Erinnerungen schon etwas verschwommen.
Das Erlebnis mit dem Mann und seinen Sternblüten, war jedoch noch sehr präsent und sie hoffte, dass dies so bleiben würde, da er ihr doch eine tiefe Weisheit mit auf den Weg gegeben hatte. Sie berührte liebevoll das Medaillon mit der glitzernden Sternblüte, dessen Licht auf der weichen Haut ihres Dekolletés, reflektierte. Sie sah nun wieder aus wie sie ursprünglich ausgesehen hatte, jedoch trug sie nun ein bequemes Leinengewand, mit weiten Ärmeln, das mit einer hellblauen Kordel zusammengehalten wurde, die zu der Sternblüte passte. Auf dem Kopf trug sie einen hellblauen Reif, mit einem gleichfarbigen Schleier daran.
Sie war ziemlich ratlos im Augenblick. Sie hätte den Mann genauer nach dem Weg fragen sollen. Sie wusste gar nicht, wo sie sich hinwenden sollte, ob nach rechts oder links, oder gar nach oben. Etwas ärgerlich, setze sie sich auf einen dunklen Felsbrocken, der mal von den Bergen herabgestürzt war, stütze ihr Kinn in ihre Hände und schaute sich weiter um.
Auf einmal zuckte sie zusammen. Hatte sich dort hinter diesen Büschen nicht etwas bewegt?“ Sie erhob sich und liess zur Sicherheit ein Schwert in ihrer Hand entstehen. Mit diesem ging sie auf die Büsche zu, hinter denen es geraschelt hatte, Plötzlich sah sie ein goldenes Glitzern hinter den dunklen Stämmen. Sie ging noch näher heran. Etwas bewegte sich dort, etwas ziemlich Grosses. „Wer seid ihr!“ rief sie aus. „Zeigt euch! Ich will sehen mit wem ich es zu tun habe!“ Keine Antwort, nur ein leises Schnauben, drang an ihr Ohr. Es klang nach einem Pferd. In diesem Augenblick, ertönte ein schrilles Wiehern und etwas wie ein goldener Torpedo, schoss über ihren Kopf hinweg. Sie blickte dem seltsamen Ding nach und sah, dass es sich dabei um einen wundervollen, goldenen Ritter in edler Rüstung handelte. Er sass auf einem ebenfalls sehr edlen und für die Schlacht ausgerüsteten, Pferd. Er landete ein paar Meter vor ihr und ihre Blicke begegneten sich. Diesmal jedoch, war das Gefühl dass sie dabei empfand noch viel intensiver, viel vertrauter, als sie es beim Mann mit den Sternblumen, erlebt hatte. Der goldene Ritter, hatte sein Visier hochgeklappt und sie sah seine tiefblauen, wie Lapislazuli, leuchtenden Augen, die eine Offenheit, Sanftheit und Vertrautheit ausstrahlten, welche sie sehr berührte. Sie starrten sich lange nur unverwandt an. Lea wollte zu dem Ritter hinlaufen, aber sie wagte es doch nicht so recht.
Eine Ewigkeit, schienen sich die beiden nur anzuschauen und zu mustern. Der Ritter lächelte ihr dann schliesslich ermunternd zu. „Du bist auf dem richtigen Weg.“ „Auf dem richtigen Weg. Woher weisst du, dass ich auf dem richtigen Weg bin?" „Weil ich das hier alles schon erkundet habe für dich. Die Grotte mit den heiligen Wassern, liegt nicht weit von hier. Du musst dich einfach immer nach links halten, dann kommst du dort an. Es ist ein grosses Eichentor, dass du öffnen musst, mit schweren Beschlägen und vielen Schlössern, denn die heilige Quelle darf nicht von Unwürdigen betreten werden.“ „Bin ich denn überhaupt würdig?“ „Natürlich, bist du würdig! Es ist dein Schicksal, zu dir selbst zu finden und die Dunkelheit hinter dir zu lassen.“ „Ich weiss nicht, ob das so einfach ist“, sprach Lea, während sie den Ritter mit der goldenen Rüstung musterte.
Woher war er bloss gekommen, was machte er hier? Er erinnerte sie an jemand den sie mal gekannt hatte. Doch… So weit schien ihr das Leben, welches sie vor ihrer Zeit hier gelebt hatte, entfernt. Es gab nur einige ganz vage Erinnerungen. Der Ritter, dessen tiefblaue Augen sie musterten, wurde auf einmal traurig. „Ich hoffe“, so sprach er: „Du wirst dich eines Tages wieder erinnern.“
Die junge Frau, ging langsam dahin, das fuchsbraune Pferd, trottete neben ihr her. Sie schaute gedankenverloren auf den Boden, suchte nach Schattierungen auf der petrolfarbenen Fläche, doch irgendwie war das Gras hier sehr eintönig, mit sehr wenigen Schattierungen. „Ich weiss, gar nicht, ob ich mich erinnern will. Vielleicht, wenn ich mich wieder richtig erinnern würde, dann müsste ich hier womöglich weg. Doch hier kann ich alles tun, was mein Herz begehrt. Ich kann mir Flügel wachsen lassen und hinauf zum Himmel steigen, ich kann mein Aussehen je nach Stimmung und Belieben ändern…, ich kann hier so vieles und eigentlich, gefällt mir das. Ich habe einfach so das Gefühl, das könnte ich nicht mehr, wenn ich in mein altes Leben zurückkehre. Es muss irgendwie recht schwer gewesen sein.“
„Aber es gab auch viel Schönheit und Licht in jenem Leben“, gab der Ritter etwas betrübt zurück. „Ja…Licht“, meinte Lea sinnierend, „das fehlt hier in der Tat etwas. Aber…ich glaube, wenn ich Einlass in diese Höhle mit den heiligen Wassern finden würde, dann käme ich in eine etwas lichtvollere Welt. Nur etwas lichtvoller, würde mir schon gefallen und dann, kann ich mich vielleicht irgendwo niederlassen, irgendwo wo es ruhig und beschaulich ist.“ „Wenn es denn deine Berufung ist, das zu tun“, meinte der Ritter in ernstem Tone. Lea seufzte. „Wenn ich ehrlich bin, weiss ich eigentlich gerade gar nicht, was meine Berufung ist, habe ich überhaupt eine Berufung? Es liegt noch so vieles im Dunkeln. Vielleicht, bin ich ja schon lange tot und dann, kehre ich sowieso nicht in mein altes Leben zurück. Ich will gerade auch gar nicht.“
„Du bist nicht tot, so vieles kann ich dir schon mal sagen“, sprach der Ritter. Lea blieb stehen und schaute ihn erstaunt an. „Woher weiss du das?“ „Ich weiss es einfach. Bei dir liegt es, was du nun aus dieser Erkenntnis machst.“ „Ich bin also nicht tot, aber…wo bin ich dann?“ „Das kannst du dir nur selbst beantworten.“ Lea dachte nach. Doch sie war seltsam verwirrt, als befinde sie sich in einem losgelösten Zustand, einem Art Traum, aus dem sie jedoch gerade nicht erwachen wollte. Sie schaute den goldenen Ritter an, auf dessen Rüstung sich das petrolfarbene Licht des Himmels und der Wiesen hier spiegelte. Das Gold selbiger, wurde etwas mattiert und doch, glänzte es dadurch besonders magisch.
Irgendwie überlegte sie sich plötzlich, ob dies vielleicht eine symbolische Bedeutung hatte. Sie war, auch wenn es ihr Augenblicklich etwas schwer fiel das zu begreifen, auf der Suche nach der Wahrheit. Doch diese schien sich auf seltsame Weise, vor ihr zu verhüllen. Wie das matte Licht, das auch den Schein der goldenen Rüstung etwas zu verhüllen schien und doch, durch all die Dunkelheit hindurch glänzte, wie dieser geheimnisvolle Ritter, mit dem sie sich so verbunden fühlte. Sie hatte auf einmal das Verlangen, sich in seine Arme zu werfen und sich ganz tief hineinzukuscheln. Er strahlte so viel Liebe und Ruhe aus und eben etwas so Vertrautes. Sie glaubte ihn schon ewig zu kennen...