Die Luft im großen Salon des Schwarzen Schlosses roch nach schweren Patschuli und Myrrhe. Aufdringlich. Süßlich. Stickig. Vielleicht aber kam es Luna auch nur so vor. Sie hatte das Thema erschreckend deutlich in der Einladung zum Hintergrundgespräch gelesen. „Der Fall Aurora Shacklebolt – Das Konkordat gilt für jeden.“, so hatte es Hermine Granger formuliert. Man ließ Luna nicht lange warten. Sie kamen zu dritt und wirkten wie immer geschlossen. Luna arbeitete lange genug in diesem Job um die Inszenierung zu erkennen. Auch wenn sie viel Zeit mit der Erforschung von Naturphänomen und magischen Geschöpfen verbrachte, war sie auch mit Leib und Seele unabhängige Journalistin. Hermine Granger, Ginevra Weasley und Severus Snape betraten den Salon gemeinsam. Luna erhob sich sicherheitshalber – auch wenn man ihr, wie üblich, sichere Heimkehr und freie Berichterstattung garantiert hatte.
Man begrüßte sich herzlich und offen – abgesehen von Snape. Er hatte nie dazu gehört und vertrat in dieser Unterredung nur Ronald Weasley, der unpässlich war. Einer Frage von Luna, was ihm denn fehle, wichen die Gastgeber höflich aus. Sie bohrte nicht nach, um nicht bereits zu Beginn die Stimmung abzukühlen.
„Lady Granger, unsere Leser kennen Aurora Shacklebolt aus der öffentlichen Berichterstattung und sorgen sich seit ihrem Verschwinden vor einigen Wochen um sie. Können Sie etwas zu Aufklärung des rätselhaften Verschwindens der Tochter unseres früheren Zaubereiministers, Ihres einstigen Weggefährten beitragen?“, startete sie den unangenehmen Teil mit einer Auftaktfrage. Luna war selbst neugierig. Sie sorgte sich sehr um Aurora und fühlte sich auch schuldig an dem Verschwinden. Schließlich waren die beiden Mädchen zusammen in Hermines Bibliothek gewesen, bevor Aurora mit diesem Joshua Shadowlord weggegangen war.
Bevor Hermine antwortete, betrat eben jenen Mann in voller Schattenjägeruniform den Raum. Er kassierte einen strafenden Blick von Snape und verneigte sich tief vor den Ladys und dem Lord. Offensichtlich war ihm die Verspätung bewusst und er rechnete mit Konsequenzen. „Aurora hat sich freiwillig in die Hände von Joshua Shadowlord, einem der mächtigsten Offiziere der Schattenjäger begeben. Sie dient ihm als seine persönliche Sklavin. So hat der Dunkle Herr es befohlen.“, sagte Hermine ruhig, nachdem sich der Schattenjäger hinter sie gestellt hatte. Luna rang um Fassung, entschuldigte sich kurz und ging zu Toilette, in einem Nebenraum, den ihr ein Hauself höflich zeigte.
Sie warf sich über das Waschbecken gebeugt eiskaltes Wasser ins Gesicht. Dieses Verhalten konnte zwar nicht professionell genannt werden, dennoch war es unvermeidlich. Eine kleine Weile rann das eisige Wasser erfrischend über ihre Unterarme, da sah Ginny nach ihr. „Geht es Dir gut, Luna?“, fragte sie mitfühlend. Luna schüttelte den Kopf. Auch das war nicht professionell, aber es war wahr. „Willst Du abbrechen? Wir können den Termin jederzeit nachholen…“, bot Ginny liebevoll an. Der verbliebene klägliche Rest journalistischen Stolzes erwachte in Luna. „Nein. Ist schon okay… Es ist nur…“ Ginny sah sie durch den Spiegel an. „Ihr wart Freudininnen, nicht wahr?“ Sie schwiegen sich an. Luna erkannte das Bedauern in den Augen der jungen Lady. Beide kehrten gemeinsam zu den anderen zurück.
Die Journalistin holte sich die Gesprächsführung zurück. „Wie konnte es zu diesem rasanten und tiefen Fall kommen? Ist im heutigen Groß Britannien niemand mehr sicher?“ fragte sie gekonnt provokant. Snape lächelte kühl: „Im Gegenteil, das Konkordat gilt für jeden in unserem Land. Dafür bürgt Lord Potter persönlich. Joshua, erzähl uns bitte von dem Vorgang.“ Der Shadowlord wusste dass er sich heute besser keinen weiteren Fehler erlauben sollte. „Ich trage die Symbole meines Herrn stets mit Stolz. Es ist für mich eine Ehre, Lord Potter zu dienen. Auch bei meinem ersten Zusammentreffen mit Aurora trug ich meine Rangzeichen. Sie kannte meinen Namen, den ich ihr selbstverständlich nannte. Außerdem bin ich bei der Meldestelle im Ministerium als Vampir registriert. Viele Auroren kennen mich schon seit Jahren, weil ich oft im Ministerium zu tun habe.“
Er klang überzeugend, vor allem weil er die Wahrheit sagte. Luna verbarg ihre Fassungslosigkeit nur unzureichend. Es ärgerte sie, dass sie ihren Vater nicht mitgebracht hatte. Sie brauchte dringend Unterstützung.
Hermine verdrängte ihre Gedanken an Ron. Der Sex mit ihm in der letzten Nacht hinterließ bei ihr ein Gefühl vollkommener Zufriedenheit. Sie hatte ihn noch nie so leidenschaftlich und hungrig erlebt. Sie vermisste ihn jetzt spürbar und hatte auf diese Farce keine Lust. Trotzdem beantwortete sie brav und cool die gestellten Fragen. Je eher die Fragen beantwortet waren, um so eher konnte sie zu Ron zurück, der schlief nämlich noch gemütlich.
Zum Glück beherrschte Lady Weasley ihre Rolle perfekt, dachte Severus Snape. Sie zeigte angemessenes Mitgefühl und erklärte noch einmal die Eckpunkte des Konkordats. Insbesondere wies sie über die offiziellen Auskunftsmöglichkeiten über das Ministerium hin. Sie lobte die hervorragende Sicherheitshinweise der Auroren. Lady Weasley wirkte sympathisch, elegant und charmant. Über seine eigene Rolle machte sich Snape keine Illusionen. Er verkörperte die dunkle Seite des Schwarzen Schlosses. „Aus den dargelegten Gründen gibt es keine Veranlassung für Joshua auf seine Sklavin zu verzichten. Nach dem Gesetz steht ihm frei mit ihr zu tun, was immer er will.“ Er zitierte ein Rechtsgutachten, das Moody in Auftrag gegeben hatte und das zu derselben Ansicht kam.
Traurig und wütend über ihre eigene Leichtgläubigkeit kehrte Luna in die Redaktion des Tagespropheten zurück. Sie hatte Aurora nicht deutlich genug gewarnt, dachte sie bitter, während sie mutlos ihre Aufzeichnungen durchsah. Der Artikel erschien einen Tag später im Klitterer – zeitgleich mit dem Tagespropheten - Artikel über die offizielle Werbung des Dunklen Herrn.