- Die Rosenwiese -
oder Der Schmetterling und der Tod
Es war einmal ein kleiner Schmetterling. Er lebte auf einer roten Rose. Es war eine schöne Rose, doch sie hatte Dornen. Viele verschiedene Dornen. Manche waren lang, manche kurz, manche waren spitz und manche stumpf.
Der Schmetterling krabbelte über die Dornen und sie zerschnitten seine Beine, seinen Körper und seine Flügel. Die meisten Schnitte heilten, doch vor allem die auf seinen Flügel blieben und hinterließen Narben und Risse. Nur selten kam ein Blatt, auf dem er sich ausruhen konnte. Doch trotzdem krabbelte der Schmetterling weiter, denn der süße Duft der Rose hielt ihn gefangen. Der Duft kam aus der Blüte, die hoch oben und unerreichbar war, doch der Schmetterling gab nicht auf, und seine Wunden wurden zahlreicher.
Da kam der Tod.
„Kleiner Schmetterling, komm mit mir! Deine Flügel sind ganz kaputt!“, sprach der Tod, voll Mitleid mit dem verletztem Geschöpf.
Der Schmetterling aber wollte die Rose nicht verlassen.
„Nein!“ rief er: „Ich muss doch die Blüte erreichen!“
Da ergriff der Tod ihn sanft mit einer Hand und hob ihn hoch.
Er trug den Schmetterling fort zu einer großen Wiese voller Rosen. Doch diese Rosen hatten keine Dornen, und ihre Blüten waren leicht zu erreichen. Der Schmetterling krabbelte über die Blumen und trank ihren süßen Nektar, der seine Wunden heilte, seine Beine, seinen Körper und seine Flügel.
Zum ersten Mal schwang sich der Schmetterling in die Luft und flog davon.