Die Stimmen von ganz Moskau prasselten auf Tiberius ein, als sein Geist langsam an die Oberfläche kam. Ein Durcheinander von russischen Worten, die er inzwischen verstehen konnte. Sie verschmolzen zu einem Hintergrundrauschen, doch eine sanfte, tiefe, melodische Stimme löste sich aus dem Wirrwarr. Das Bild der Quelle erschien vor dem inneren Auge des Unsterblichen. Valerij! Er stand in seinem Bad vor dem Spiegel und kämmte seine feinen hellblonden Haare. Der junge Mann dachte an den vermeintlichen Traum und sofort fuhr Tiberius hoch. Er musste zu ihm! Dieser Sterbliche hatte ihn vollkommen in seinen Bann geschlagen und der Römer wollte sich der Faszination nicht entziehen. Magnus, Ivana und ihre Gastgeber ruhten alle noch.
Tiberius stieg aus dem Keller empor, trat dann in den Garten der klassizistischen Villa hinaus und schoss in den Nachthimmel hinauf.
Die beleuchtete Stadt zog unter ihm hinweg wie ein Windhauch und schon stand er auf dem Dach des Hauses, in dem der junge Russe lebte.
Mit seinem Willen öffnete Tiberius ein Fenster und fand Valerij vor seinem PC, der gerade mit einem Spiel beschäftigt war. Der junge Mann trank nebenbei einen Energy Drink und aß Chips dazu. Der Vampir musste beim Anblick der Dose schmunzeln. Wieso schüttete der Russe sich lieber dieses künstliche Zeug rein, anstatt den einzig wahren Drink zu nehmen?
Valerij war vollkommen vertieft in dieses Spiel und so ließ es sich Tiberius nicht nehmen, ihn zu berühren. Ein flüchtiger Strich durch das lange Haar und dann drückte der Römer seine Lippen kurz in die Halsbeuge des anderen. Oh, dieser Duft! Der Mensch roch absolut verführerisch. Nicht wegen seines Blutes, sondern allgemein. Tiberius war völlig hingerissen von ihm. Wie konnte ein Sterblicher nur so eine Anziehungskraft auf ein Wesen wie ihn ausüben? Und wie konnte er nur so wunderschön sein? Diese perfekten Gesichtszüge, die hohen Wangenknochen, die Kieferlinie, die leuchtend blauen Augen, die vollen Lippen und diese helle ebenmäßige Haut. Göttlich!
Der Sterbliche nahm diese Berührungen noch nicht wahr. Dazu waren sie viel zu flüchtig, aber der Unsterbliche wollte ihm heute gern zeigen, dass alles kein Traum war. Doch konnte Valerij das verkraften?
Auf Latein flüsterte er an das menschliche Ohr: „Du bist wunderschön.“
Da zuckte der junge Mann und wandte sich um. Tiberius blieb stehen und beobachtete wie Valerij vor Schreck die Augen aufriss und stammelte: „Was willst du von mir?“ Er wich mit dem Schreibtischstuhl von Tiberius weg. „Du bist kein Traum, oder?“
Der Vampir antwortete auf Russisch: „Ich bin real, aber du brauchst mich nicht zu fürchten. Ich möchte dich nur besser kennenlernen.“
Valerij blieb misstrauisch. „Was bist du? Jedenfalls kein Mensch.“
„Ich bin ein Unsterblicher.“
„Unsterblich?“, fragte der andere ungläubig.
Der Römer nickte. „Ja, ich existiere seit 2000 Jahren.“
Valerij lachte auf. „Du willst mich auf den Arm nehmen. Das ist unmöglich.“
Tiberius lächelte milde. „Natürlich klingt das für dich surreal. Lass mich dir etwas demonstrieren." Er holte aus der Küche ein Messer und blieb ein Stück von Valerij entfernt stehen. "Sieh her!" Mit diesen Worten rammte sich Tiberius das Brotmesser in den Bauch. Er fühlte das Eindringen und sogleich breitete sich das Kribbeln der Heilung im ganzen Bauchraum aus. Valentin stand vor Entsetzen der Mund offen. Der Römer zog die blutige Klinge langsam wieder heraus, lüftete sein Hemd und der Sterbliche verfolgte fassungslos wie sich der tiefe Einstich unverzüglich schloss.
"Das gibt es doch nicht."
Tiberius leckte sein dunkelrotes Blut von der Klinge und legte das Messer danach in die Spüle. Valerij hatte das Ablecken noch zusätzlich verstört. Er fragte sich, ob der Fremde ein Vampir war und ob es diese Kreaturen wirklich gab.
„Wie bist du hier herein gekommen? Ich habe dich nicht eingeladen.“
Der Unsterbliche wies zum Fenster. „Ich brauche keine Einladung. Ich bin einfach da rein.“
Valerij schaute dorthin und bemerkte: „Es ist zu!“
Tiberius ließ es mit seinem Willen aufgehen. Darauf sagte der Russe: „Du bist echt unheimlich.“
Da musste der Vampir lachen.
"Oh, Scheiße! Du bist tatsächlich ein Vampir." Valerij schluckte und Tiberius spürte die aufkeimende Angst. "Willst du mein Blut?"
Der Römer schüttelte den Kopf. "Nicht so wie du denkst. Ich biete dir einen Tausch an." Er zeigte auf die Dose. "Da brauchst du das Zeug nicht mehr."
Valerij runzelte die Stirn. "Was für einen Tausch?"
Der Unsterbliche lächelte. "Mein Blut gegen deins. Du bekommst einige Schlucke von mir und ich danach von dir. So wie gestern. Das hast du nicht geträumt und bestimmt hast du heute früh Veränderungen deiner Sinne bemerkt."
Der Russe weitete die Augen und Tiberius wusste sofort, was der Sterbliche erlebt hatte. "Du hast deine Brille nicht gebraucht, hab ich Recht?! Deine Augen sind ansonsten ziemlich schlecht.
....noch nicht korrigiert und noch nicht fertig. Beitrag zur Sixty Minutes Challenge