An einem ganz normalen Nachmittag, laufe ich durch die Stadt. Erledige meine Einkäufe, schiebe mich mit all den anderen Menschen durch die Straßen. Und plötzlich beobachte ich eine Szene, die mir wie von einer anderen Welt erscheint. Es passiert etwas, das mich zutiefst schockiert.
Ich trete gerade zur Tür heraus, aus einem kleinen Laden, in einer etwas weniger belebten Seitenstraße. Ich will mich in diesem Moment in Bewegung setzen, als ich ein schreiendes Kind höre. Ich sehe in die Richtung aus der das Geschrei kommt und bemerke einen Vater, mit seinem Kind. Offensichtlich hat es keine Lust weiterzugehen und der Vater ist sichtlich genervt. Zunächst ignoriert er das Kind, dann geht er auf es zu und schreit es an. Ich weiß nicht was vorher war, weiß nicht wie lange das Kind schon nicht mehr weitergehen möchte oder wie der Tag des Vaters bisher verlief. Ich bin nur ein stiller Beobachter der momentanen Situation und obwohl ich merke, dass es nicht unbedingt angebracht ist, hier stehen zu bleiben und die Beiden zu beobachten, bin ich einfach fasziniert von der offensichtlich nicht wirklich Ziel bringenden Interaktion der Beiden.
Der Vater ist mittlerweile richtig wütend, seine Nerven liegen blank. Er weiß nicht, was er mit dem Streik des Kindes anfangen soll und das Kind schreit und weint, nicht bereit auf den Vater zu hören. Ich möchte gerade weitergehen, immerhin stehe ich hier schon eine Weile und langsam habe ich doch Angst, dass jemand sieht, wie interessiert ich zu den Beiden herüber sehe, als plötzlich etwas passiert, womit ich nie gerechnet hätte. Der Vater schlägt dem Kind mitten ins Gesicht, dreht sich um und geht. Ich halte die Luft an und kann mich nicht mehr bewegen. Fassungslos überlege ich, was nun zu tun ist. Das Kind ist zuerst wie gelähmt. Nach kurzer Zeit fängt es wieder an zu weinen, diesmal aber leiser. Es sieht in Richtung seines Vaters und dann rennt es tatsächlich dem Vater hinterher. Dieser ist schon um die Ecke verschwunden, sodass dann beide aus meinem Sichtfeld entgleiten und ich mit mir allein dastehe, nicht in der Lage irgendwas zu denken. Ich bleibe dann noch einige Minuten stehen und irgendwann gehe ich weiter, in die Richtung in die ich davor ohnehin gehen wollte. Mein Tag verlief dann wie gewohnt.
Jetzt mit etwas Abstand frage ich mich, was ich hätte tun sollen. Gegen Gewalt, die so öffentlich passiert, muss man doch sofort handeln. Nicht nur ich habe diesen Moment beobachtet. Wir waren mitten in der Stadt, viele Menschen sind an den Beiden vorbei geeilt, haben kurzzeitig den Atem angehalten oder mit aufgerissenen Augen zu dem Vater gesehen, als dieser das Kind schlug. Doch keiner ist zu ihm hingegangen und hat ihn abgehalten. Auch ich nicht. Das alles passierte viel zu schnell und ich war total schockiert. Jetzt mache ich mir dennoch Vorwürfe. Ich habe ganz eindeutig falsch gehandelt. Ich habe gar nicht gehandelt. Was mich auch beschäftigt ist: das Kind wird von seinem Vater geschlagen und läuft ihm dann trotzdem schluchzend hinterher. Es läuft nicht weg und bringt sich in Sicherheit, sondern ihm hinterher, weil es vielleicht denkt, es hat etwas falsch gemacht. Weil Eltern in Kindesaugen meist Recht haben und irgendwie Heilige sind, die nichts Falsches tun. Vielleicht hat sich das Kind sogar beim Vater entschuldigt. Es hatte nicht die Möglichkeit das Handeln des Vaters einzuschätzen. Das ist das Problem. Deshalb kann Kindern zu Hause so viel angetan werden. Weil sie sich nicht wehren und ihren Eltern nicht wehtun oder sie verletzen wollen. Und weil wir das wissen, ist es unsere Aufgabe etwas zu tun. Hinzusehen, statt wegzuschauen. In einer solchen Situation müssen wir eingreifen, handeln. So schockiert wir auch sind, so überraschend ein solcher Moment auch ist.
Wir haben manchmal Hemmungen, gewisse Grenzen zu überschreiten. Wir wollen niemandem reinreden, uns nicht einmischen. Jeder lebt sein Leben und wir denken wir haben nicht das Recht einzugreifen, selbst wenn wir eine Situation beobachten, die offensichtlich jemanden gefährdet. Vor allem beim Thema Erziehung. Wir bilden uns zwar eine Meinung, aber jemanden darauf hinzuweisen, dass er so nicht mit seinem Kind umgehen sollte, das erfordert oft Mut.
In diesem Fall hätten wir eingreifen müssen. In dieser Situation hätte ich handeln müssen. Und deshalb bitte ich euch aufmerksam und wachsam durchs Leben zu gehen. Nehmt eure Umwelt wahr und wenn Unrecht geschieht, billigt es nicht. Stimmt dem nicht stumm zu. Setzt etwas dagegen. Wir müssen aufeinander aufpassen. Damit niemand untergeht und wir niemanden verlieren. Auch wenn wir dabei Grenzen überschreiten sollten, wir können nicht einfach zusehen, wenn jemand schlecht behandelt wird! Nichts tun ist wie schweigend etwas akzeptieren, jemandem zustimmen. Das können wir nicht. Dürfen wir nicht. Müssen wir nicht. Wir können anders sein. Und gemeinsam aufeinander aufpassen.
Veröffentlicht am 28. Januar 2019. Schreibe einen Kommentar.