„Es gibt keinen anderen Weg?“, fragte Harry nur, um noch ein wenig Aufschub zu bekommen. Er starrte auf den schwarzschimmernden Kelch, der mit einem schneeweißen brodelnden Trank gefüllt war. Albus Dumbledore schüttelte bedauernd den Kopf. Severus Snape wagte es nicht Harry in die Augen zu sehen. Der Preis war zu hoch. Sie alle wussten es und doch gab es keinen Ausweg. Snape und Dumbledore hatten bis zuletzt gehofft, einen anderen Weg zu finden.
„Tu das nicht, Harry, um deinetwillen. Nichts kann dieses Opfer rechtfertigen.“, bat Hermine energisch. Sie hatte Tränen in den Augen. Er blieb ihr die Antwort schuldig und fragte stattdessen: „Ich werde dann ein Dunkler Lord sein? Töten ohne zu bedauern? Foltern ohne Erbarmen zu kennen? Die dunkle Seite der Magie in mir spüren und ihr folgen?“
Der älteste und erfahrenste unter den versammelten Magiern nickte und antwortete mit klarer fester Stimme: „Ja, Harry. So wird es sein. Auf diesem Weg erhältst Du die Macht Voldemort zu töten und das Gleichgewicht der Magie wiederherzustellen. Nur die drei Menschen, die Du jetzt auswählst, werden vor DEINER Dunkelheit geschützt sein. Sie werden DEIN Gewissen sein. Sie werden DICH in die Dunkelheit geleiten und DICH in ihr ertragen. Nur sie können DEINE Dunkelheit mildern. Niemals aber können sie, sie brechen. Wähle weise.“ Sie standen hier am Ufer des Sommersees, wo einst Arthur die Ehe mit dem Land eingegangen war. Die Wasserfläche lag spiegelglatt und dunkel vor ihnen. Wenn die Magie ihn annahm, würde es hier sichtbar werden. „Harry, lass uns besser richtig kämpfen. Da fallen wir oder siegen, aber Du bleibst Du.“, wandte Ron bittend ein. Es erschien ihm falsch, was sie hier taten.
Egal, was die anderen sagten. Dieser Weg führte unweigerlich in die Irre, da war er sich sicher. Harry sah sich lange um. Die Stille vor dem Altarraum, in dem uralten Steinkreis, zeigte die Anspannung aller Beteiligten. Ihre Verzweiflung lag unübersehbar auf den Gesichtern. Ein leichter Nieselregen setzte ein. Der Wind frischte unerwartet kühl für die Jahreszeit auf. Über ihnen leuchtete der blutrote Vollmond gespenstisch.
Keiner von ihnen hatte sich gedrückt. Die Weasleys standen eng beieinander. Remus und Nymphedora Lupin, Minerva McGonagall, Kingsley Shacklebolt, Hermine Granger, Rubeaus Hagrid, Alastair Moody – sie alle wussten, welches Opfer von ihrem Freund verlangt wurde. Er zahlte den Preis der Freiheit, für die Welt der Zauberer und die der Muggel. Sie hatten einander und gaben sich Halt, aber Harry allein müsste die Dunkle Seite annehmen. Er sah bittend Hermine an. „Es ist falsch,“ sagte sie noch einmal fest. Dann erwiderte sie den Blick liebevoll und stimmte wortlos zu. Sie ging an Harrys Seite und nahm seine rechte Hand. Sein Blick glitt zurück zu den Weasleys. Er blieb fragend auf Ron hängen. Ron straffte sich, küßte seine Familie und stellte sich links neben Harry auf.
Harry blieb unschlüssig, was sollte er tun. Wen sollte er retten und verdammen zugleich? Sein Herz schlug heftig. Er liebte Ginny so sehr, konnte er dieses Opfer verlangen? Ein Leben an der Seite eines Dunklen Lords. Auf der anderen Seite wäre sie damit für immer vor ihm sicher. Ein Leben an der Seite eines Dunklen Lords. „Ginevra.“, begann er sanft. „Darf ich Dich bitten, die Dritte zu sein. Ich möchte Dich niemals verletzen, daher sehe ich keinen anderen Weg.“ Ginny spürte die Zerrissenheit ihrer Eltern. Sie sah in Harrys warme und zärtliche Augen.
Sie ahnte, dass dies der letzte liebevolle Blick sein würde. Er ging in die Dunkelheit und brachte das ultimative Opfer. „Dann soll es so sein.“, sagte Harry mit mehr Entschlossenheit in der Stimme, als er empfand. Welche eine Ironie, dachte er, viele Zauberer gäben für diese Macht alles. Er nahm den Dolch von Snape, schnitt in seine Hand, reichte ihn an Ron weiter. Den Desinfektionsspruch den Molly sprach fand er absurd, aber so war Molly nun einmal. Ron schnitt sich entschlossen in die Hand, reichte den Dolch an Hermine weiter. Auch die junge Hexe schnitt sich ohne Zögern. Zuletzt kam Ginny an die Reihe. Sie küsste Harry auf die Wange und ritze sich in die Hand.
Vier Tropfen Blut fielen gleichzeitig in die Flüssigkeit. Sie verfärbte sich tiefschwarz. „Ich liebe Euch.“, waren Harrys letzte Worte. Dann nahm er den Kelch und leerte ihn in einem Zug. Er würgte und keuchte, spürte das ewige Eis durch seine Adern rinnen. Er fühlte, wie ihn die Barmherzigkeit verließ. Hermine und Ron hielten sich an den Händen und sahen voller Schrecken eine strahlende, weiße Lichtsäule aus Harrys Innerem steigen. Sie verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Die Liebe in ihm schwand. Die Magie akzeptierte ihn. Die Wasserfläche kräuselte sich und eine zarte Frauengestalt stieg aus den Fluten empor. Sie setzte Harry schweigend einen goldenen Stirnreif auf. Dann löste sie sich in Nichts auf. So bekam er die Macht zu siegen.
Ron sah die Veränderung in seinem besten Freund mit einer Mischung aus Bewunderung und Entsetzen. Harrys Miene strahlte nun kantige Entschlossenheit aus. Seine grünen Augen blickten spöttisch und arrogant. Um seine Lippen lag ein grausamer Zug und seine gesamte Haltung hatte sich gestrafft. Dann zog die Mitternacht vorbei, der Mond verdunkelte sich und Harry Potter wurde volljährig.
3 Tage später hatte Harry James Potter Tom Verlost Riddle in einem Zaubererduell getötet. Am Ende ging es sehr schnell. Die Magie durchbrach jeden Schild von Voldemart. Er war zu überrascht um sich zu wehren. Der Avada Kedvara traf ihn vollkommen unvorbereitet. Harry empfand kein Bedauern oder Mitleid. Es hatte keine große Schlacht gegeben. Keinen einzigen weiteren Toten gab es auf der Seite des Phönix Ordens zu beklagen. Die meisten Todesser konnten problemlos verhaftet werden. Draco Malfoy entkam auf ungeklärte Weise.