Sobald sich die Sonne hinter den Häusern versteckt hatte und die letzten Besucher den Friedhof verlassen hatten, begann das nächtliche Spektakel am Friedhof.
Die bunten Blumen auf den Gräbern begannen zu singen, die Koniferen und die blühenden kleinen Sträucher fingen zu tanzen an, wenn der Wind über ihre Köpfe streifte und die Flammen der Kerzen flackerten im Takt zur Musik. Manchmal wackelten auch die Gießkannen, die auf einem Ständer aufgehängt waren und der Wasserhahn im Brunnen spuckte zwischendurch immer etwas Wasser, das in das halbvolle Becken plätscherte.
An bestimmten Tagen im Jahr, „den Raunächten“ passierten aber die außergewöhnlichsten Dinge auf dem Friedhof.
Zuerst hörte man das Quietschen der Steinplatten, dann das Rascheln der Kleider, die Schritte, die sich dem Brunnenplatz näherten und zu guter Letzt nahmen die Musiker Aufstellung. Nach dem ersten musikalischen Stück, einem Wienerwalzer wurde das nächtliche Treiben eröffnet.
Die Gläser klirrten und der Alkohol floss in Strömen, die Gäste amüsierten sich köstlich, zwischen den Gräbern und auf den Kieswegen wurde getanzt dass die Steinchen nur so flogen. Manches Blütenköpfchen konnte sich gerade noch verstecken, doch viele Blumentöpfe wurden von den Tänzern durch die Luft geschleudert und landeten im Nirgendwo. Auch die weißen Engelsfiguren, die auf den Gräbern platziert waren, flogen angstvoll in den dunklen Nachthimmel. Viele Grabkerzen erloschen, weil sie beiseite geschubst wurden und das Wachs floss über den Grabstein oder es versickerte in der Erde.
Die alten riesigen Fichten vom Park nebenan schauten neidisch zum Friedhof, wie gerne wären sie auch dabei, doch die trennende Friedhofsmauer ließ das nicht zu. So wippten sie mit ihren Wipfeln auch im Takt der Musik und eine Trauerweide, die mit ihren langen Ästen etwas über die Mauer ragte, pfiff sogar ein Solo und alle Anwesenden der nächtlichen Party klatschten Beifall.
Zu späterer Stunde, nach reichlichem Alkoholgenuss konnte man einige Besucher, mit einem Glas in der Hand zwischen den Gräberreihen entdecken, doch im Morgengrauen schleppten sich auch diese Gestalten zu ihren Wohnstätten zurück.
Am nächsten Morgen war von dem nächtlichen Treiben nichts mehr zu sehen, die Engel saßen oder lagen wieder auf ihren Plätzen, die Blumen lächelten in die Sonne und die Grabkerzen flackerten, nur die Wachsreste auf den Grabsteinen, erinnerten noch an das nächtliche Treiben am Friedhof.