Tropfen für Tropfen fiel die milchige Flüssigkeit aus der Phiole in das Weinglas, das auf einem kleinen Tischchen stand. Das Gift wirkte langsam. Zu langsam, als dass man die Spur zu ihr zurückverflogen könnte. Zumal über ihresgleichen nicht gern gesprochen wurde.
Die junge Frau stellte das Fläschchen wieder in den Kasten links neben dem Tisch zurück und schloss diesen dann ab. Den Schlüssle verbarg sie sorgsam in einer versteckten Tasche in ihrem Kleid. Sophia ging quer durch den Raum, der schlicht, aber dennoch edel eingerichtet war. Ein grosses Bett mit dunkelroten Seidenbezügen, ein kleiner Tisch. Ausserdem einen grossen Wandschrank mit ihren Kleidern und einigen Dingen, die sie für ihre Kunden brauchte.
Die junge Frau blieb vor dem grossen Spiegel stehen, der sich gegenüber dem Bett an der Wand befand. Mit kritischem Blick musterte sie ihr Kleid und überprüfte ihre Frisur. Sie hatte sich heute für ein Kleid in zartem Rosa mit gewagtem Ausschnitt entschieden und die vordere Partie ihrer Haare kunstvoll hochgesteckt.
Ein letztes Mal atmete sie tief durch, bevor sie sich aufs Bett setzte und ihr Kleid um sich herum drapierte. Dann zog sie an der Schnur neben dem Kopfkissen, die unten im Empfang signalisierte, dass sie bereit war.
Kurz darauf hörte sie schwere Schritte auf der Treppe nach oben und hielt die Luft an, als es an die Türe klopfte.
«Herein.»
Der Mann, der durch die Türe trat, trug einen dunklen Anzug und einen Zylinder auf dem Kopf. Rechts hielt er einen Stock, den er nur allzu gerne in ihr Liebesspiel einbaute. Sophia war wirklich nicht traurig darüber, dass sie ihn nicht mehr wiedersehen würde.
Als Lord Neill seinen Blick auf sie richtete, setze sie ein strahlendes Lächeln auf und erhob sich vom Bett.
«Lord Neill, welch eine Freude. Wie wäre es mit einem Glas Wein, bevor wir beginnen?»