Der Wind zerrt an meinen Fenstern und lässt sie rütteln, fast schon beben. Immer wieder wandern kühle Luftgeister in mein behaglich warmes Heim und lassen mich erschaudern. Mein glasiger Blick richtet sich zum Fensterglas, vorbei an den Vorhängen, die vor der kalten Luft keinen Schutz bieten. Ich blicke in das schwarze nichts, einer bitterkalten Frühlingsnacht. Alles ruht und es scheint, als sei die Zeit eingefroren. Nur das sich minimal bewegende Spiegelbild im Schein meiner Schreibtischlampe, lässt mich daran glauben, dass die Zeit noch weiter läuft. Hin und wieder durchdringt ein Auto die mystische Stille. Förmlich zerreißen die rasanten Eisenwerke das Bild der stehen geblieben Zeit. Ich gähne, die Müdigkeit erwächst in mir von einer Knospe zu einem mächtigen Baum, doch noch möchte ich ihr nicht stand geben. Brennend blicken meine Augen auf den Computer und folgen den Fingern in ihrem rasanten Schritt über die Tastatur. Immer mal wieder, schauen die Seelenspiegel, ob auf dem Bildschirm auch das steht, was die Finger vorgeben zu tippen. Urteil: Stimmt so.
Mein Geist fährt immer wieder herunter und lässt die Lider folgen, doch ich möchte noch etwas schreiben. Bilder im Kopf erscheinen, sie ergreifen, dass möchte ich. Binden in Papier um sie auch anderen zu zeigen. Den was ist eine Geschichte, die niemand liest? Sie fühlt sich doch dann im Stich gelassen, so trag heraus in die Welt, was du auch schreiben magst und Zweifel nicht, denn es gibt nur die Angst vor der Ungewissheit.
Mein Körper rutscht immer weiter den Stuhl hinab und liegt förmlich dort, wo mein verlängerter Rücken alleine Platz finden sollte. Schon im Minutentakt gähne ich und lasse den Kopf schlapp auf die Stuhllehne fallen. Warum schreibe ich überhaupt weiter? Was bewegt es in mir?
Mein Körper rutscht wieder etwas tiefer, ich verliere etwas das Gleichgewicht, doch ich kann mich noch fangen. Die Müdigkeit ist längst kein Baum, sie ist ein Wald und trägt die Ruhe aus meinem Kopf in den Rest des Körpers. Die Augen werden immer glasiger, längst sehen sie nicht mehr, was die Finger tippen oder wie das Spiegelbild jede Bewegung meinerseits verfolgt. Der Kopf knickt weg und wird mit jedem mal schwerer zu fangen.
Ich richte mich ein letztes Mal auf - Es kostet gefühlt so viel Energie wie ein ganzes Menschenleben, doch ich halte es aufrecht. Wie lange noch? Das ist die Frage. Ich sehe ein, dass der Müdigkeit nicht mehr zu entkommen ist. Die Augen schon winzig und die Körperkontrolle versagend. Mit letzter Kraft speichere ich mein Produkt und leg es zu den anderen in das große Regal der Zeit, in der alle Autoren vermerkt sind und sich ihrer Werke so bewusst sind, dass sie diese auch anderen teilen. Langsam versagt mein Gehirn, es denkt nicht mehr Wasser. Ja richtig! Ich habe Durst, so unsagbaren Durst! Ich greife zur Flasche und trinke sie in einem Zug leer. Erst jetzt merke ich, dass die Flasche schon von Anfang an leer war. Ein zweiter Versuch richtet meinen Fehler, doch das Wasser, es ist das Öl der Müdigkeit. Es schmiert sie und lässt sie überall hin wachsen. Der Wald er wächst und gedeiht. Wird belebter und gestaltet sich vollständig neu. Ich stehe auf und wanke Richtung Bett. Mit letzter Kraft schiebe ich alles notdürftig zur Seite, um Platz auf meinem eigenen Bett zu haben. Die Decken legen sich förmlich wie Geisterhand über mich und meine kraftlose Hand braucht mehr als einen Versuch den Lichtschalter zu treffen.
Endlich ist es dunkel, draußen fahren ein paar Autos, die Lider sind schwer und schwerer. Fallen in die Tiefe und steigen nicht wieder auf.
Im Wald zirpen und singen die Zikaden das Lied des Sommers. Ich träume, ich falle in ein Sonnenblumenfeld und schlafe ein...
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03.05.2019 © Felix Hartmann