Wolkenbruch
Regen fällt. Kalt. Leise.
Tröstend rinnt er meine Schultern hinab und sagt mir, dass alles wieder in Ordnung kommt.
„Dein Unglück ist nur Teil einer Prüfung, die du noch nicht verstehst. Ich bin extra den weiten Weg zu dir hinunter gekommen, als neues Leben in Boden und Erde floss, geboren in deinen Augen. Ich danke dir dafür, dass du unsere Existenz bewahrst. Normalerweise meidet man uns. Die anderen, dort am Orte, sind sehnlicher erwünscht. Uns will man nicht. Glück und Freude wollen sie alle nur, die Menschen. Wer kümmert sich denn noch um uns, wenn alle ein einzig glückliches Leben führen? Ersticken will man uns, im Keim schnell zerdrücken, bevor wir sprießen und ihre Gärten vergiften. Wie Ratten, die die Pest nur bringen, versucht man mit Feuer unserer zu verbannen an einen seelenleeren Ort, wo niemand Schaden durch uns erleiden kann. Dabei möchten wir euch nichts Böses.
Niemand hört uns an; keiner versteht unsere Sprache. Ein Mensch der nur glücklich ist, was ist das für einer? Viele haben wir schon getroffen und nichts wünschten wir sehnlicher, als das wir es nicht hätten gemusst. Vor Grauen und Abgrund haben wir bewahrt und uns selbst gegeben.
Wir sind ein Teil von euch, doch ihr stoßt eure eigene Hälfte ab, wollt euch, wenn es sein muss, gewaltsam entzwei teilen, nur um vor euch selbst zu fliehen.
Wie lebt jemand, der nur noch Licht vom Schatten nimmt und was passiert, wenn er einen zweiten trifft? Keine Sorge, ich erspare dir die Details. Dafür bin ich hier; diesen Eid habe ich geschworen und selbst, wenn du denken solltest, dich von mir losreißen zu müssen, werde ich bei dir bleiben. Es ist keine Prüfung, die du bestehen musst. Du musst nicht mehr tun, als deine Tore zu öffnen und lang gestaute Tränenbäche fließen zu lassen, damit sie sich im Tal verteilen und den Boden nähren und fruchtbar machen. Wasser muss fließen, so kann neues Leben sprießen. Nur so; doch ihr baut Staudämme aus Stahl, aus Beton und versteckt euch hinter ihnen, als wäret ihr nicht da.
Wir wollen sie brechen. Ihr fühlt euch gehetzt, deshalb hasst ihr uns. Ihr versteht unsere Sprache nicht, also kann es nicht eure Schuld sein.
Das ist meine Prüfung; dir immer beiseite zu bleiben, egal, wie sehr du mich in Meeren von Tränen hinter deinem qualvoll errichteten Staudamm ertränken willst, oder wie sehr du dir die Luft aus den Lungen presst, in der Hoffnung einen Teil von dir selbst abzustoßen, um glücklicher zu sein.
Es ist meine Bürde, dir nicht zeigen zu können, dass du ohne mich nicht glücklich sein kannst. Ich gehöre zu dir und ich schwöre bei meinem Sein, dass wie sehr du mich auch hassen wirst, ich dich immer lieben werde.
Weine. Weine.“
Regen fällt. Kalt. Leise.
Die Kälte schürt ein Feuer in mir. Die Ruhe lässt die Wellen in mir verebben.
Ich bin leer.
Weint da jemand?
Der Regen schmeckt salzig. Wolken schluchzen laut.
„Danke, dass du mich auch heute nicht allein gelassen hast.“