Die nächsten Wochen verliefen ruhig. In der ersten Aprilwoche gingen wir alle mit Roger in das Spaßbad, für welches wir ihm den Gutschein geschenkt hatten. Außerdem schaffte es Fred tatsächlich noch, Roger von einem weiteren Dreier zu überzeugen. Oder besser, ich konnte ihm versichern, dass es von meiner Seite aus völlig in Ordnung war.
Zu Ostern sah ich wie versprochen für zwei Tage bei Peter und Mat vorbei. Das Treffen verlief wie immer. Peter und ich nahmen uns etwas Zeit für uns, verbrachten aber auch so viel Zeit wie möglich mit Mat. Als mich Mat einmal allein erwischte, versicherte ich ihm, dass sich bei mir nichts geändert hätte und noch immer kein Grund bestand, Peter verrückt zu machen.
Gewohnheitsgemäß begannen wir auch nach Ostern wieder mit dem Streetballspielen. Wie schon im Jahr zuvor, kam Roger regelmäßig dazu. Mittlerweile spielte er auch wieder richtig und ich hatte es nicht leicht, ihm den Ball abzunehmen, denn er war nun uns allen gegenüber deutlich gelassener und zeigte auch, was er draufhatte.
Außerdem trafen wir uns nun während der Play-offs noch häufiger zum Fernsehen. Wenn nicht mit den Jungs, dann gern auch nur zu zweit. Da es sowohl die New York Knicks als auch die Boston Celtics ins Halbfinale der Eastern Conference geschafft hatten, drückten wir natürlich beiden Mannschaften die Daumen, um ein spannendes Finale zwischen den beiden sehen zu können. Doch noch hielten es alle vier Mannschaften spannend. Es gab noch keinen klaren Favoriten. Da das jeweilige vierte Halbfinalspiel am selben Tag stattfand, hatte ich mir für den nächsten Tag Urlaub genommen und auch die Jungs kamen vorbei.
An diesem Tag zeigte sich noch kein Favorit. Sowohl die Knicks als auch die Cleveland Cavaliers schafften einen Ausgleich auf Zwei zu Zwei. Besonders für die Knicks war das wichtig, da sie die letzten drei Play-Off-Begegnungen gegen die Chicago Bulls jeweils verloren hatten. Da sah es für die Celtics schon besser aus, die gegen Cleveland beide bisherigen Begegnungen gewonnen hatten. Dennoch würden wir so noch mindestens zwei Spiele abwarten müssen, bis ein Gewinner feststand.
Zu siebt verschanzten wir uns in meinem Zimmer und feierten die Spiele. Natürlich achteten wir darauf, nicht zu laut zu sein, da Lena im Nebenzimmer schlief, dennoch war es schön, mal wieder mit allen gemeinsam eines zu sehen. Bis auf Roger verabschiedeten sich jedoch alle nach dem letzten Spiel, da sie am nächsten Tag arbeiten oder zum College mussten. Zum Glück hatte er zur Zeit montags erst am Nachmittag eine Vorlesung.
Dennoch spürte ich, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Den ganzen Abend war er sehr ruhig und sein Lachen wirkte irgendwie unecht. Doch als ich ihn später im Bett darauf ansprach, behauptete er felsenfest, dass nichts sei. Da ich ihn nicht nerven wollte, beließ ich es dann dabei. Wenn es mich etwas anging, sagte er mir das schon.
Umso mehr erschrak ich, als ich am nächsten Morgen von einem Schluchzen geweckt wurde. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass es von Roger stammte und nicht aus meinem Traum. Ich öffnete die Augen und sah, wie er sich mit der Hand gerade Tränen aus den Augen wischte.
»Hey, was ist los?« Vorsichtig drehte ich ihn auf den Rücken, damit ich ihm ins Gesicht sehen konnte.
Er wischte sich weitere Tränen aus dem Gesicht, dann sah er mir in die Augen, schluchzte erneut auf und klammerte sich dann an mich. Während er weinend sein Gesicht an meine Brust drückte, streichelte ich ihm hilflos über den Kopf. Was war denn nur los? So hatte ich ihn noch nie erlebt.
»Nicht weinen. Es wird alles wieder gut.«
Er schüttelte den Kopf, schniefte erneut und brachte dann hervor: »Ich will nicht gehen.«
»Was?«, fragte ich verwirrt und streichelte weiter liebevoll durch seine Haare. »Es ist doch noch Zeit. Es sind noch nicht mal meine Eltern wach.«
Wieder schüttelte er den Kopf und klagte: »Ich will nicht weg von dir.«
Ein zärtliches Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Irgendwie schmeichelte es mir ja. Auch wenn es mich andererseits sehr verwirrte. Hatte er schlecht geschlafen? »Du kannst ja nach den Vorlesungen wiederkommen. Ich hab den ganzen Tag frei.«
»Das meine ich nicht«, schniefte er, klang dabei leicht böse. Wohl, weil ich ihn nicht verstand. Dann erklärte er: »Ich ... Ich muss zurück nach Boston.«
Automatisch drückte ich Roger fester an mich. Nein, ich wollte ihn auch nicht gehen lassen! Verdammt, hätte er das nicht gleich sagen können? Dann hätte ich doch nicht so einen Unsinn erzählt.
Eine Weile schwieg ich, kämpfte mit den Tränen, die in meine Augen stiegen. Dann fragte ich brüchig: »Wann?«
»Anfang Juli.«
Bis dahin war es gerade mal etwas über einen Monat! »Warum so plötzlich?«
»Meine Eltern haben meine Wohnung gekündigt. Sie haben es mir gestern gesagt.«
»Warst du deswegen gestern so schlecht drauf?« Roger nickte. Sofern das ging, schlang ich meine Arme noch fester um ihn. So ganz wollte ich das noch nicht glauben. »Warum haben sie sie gekündigt? Und warum können sie das überhaupt?«
»Ich hätte mir die Wohnung nicht leisten können. Sie haben sie bezahlt. Sie meinen, New York würde mir nicht guttun. Vermutlich haben sie doch die Klamotten in meinem Schrank gesehen. Und die Badehaube. Sie meinen, ich würde hier nur mit Schwuchteln rumhängen. Deswegen wollen sie die Wohnung nicht mehr bezahlen.«
»Und wenn wir zusammen ziehen?« Nein, ich wollte Roger nicht gehen lassen! Wenn es eine Möglichkeit gab, ihn bei mir zu behalten, dann wollte ich sie nutzen.
»Was?«, fragte er ungläubig nach, schob sich etwas von mir weg und sah mich schockiert an.
Doch ich hielt an dem spontanen Vorschlag fest. Ich musste daran festhalten, um ihn nicht gehen zu lassen. »Ich verdien genug, ich kann mir ’ne eigene Wohnung leisten. Und wenn du ein wenig dazutust, dann können wir auch ein zweites Schlafzimmer haben. Dann können wir behaupten, dass wir nur ’ne WG sind. Und du kannst dich zurückziehen, wenn es dir zu viel wird.«
Er lächelte mich an, schüttelte nach einem Moment aber traurig den Kopf. »Nein, das geht nicht. Ich mag die Idee, aber das geht nicht.«
»Warum nicht?«, fragte ich verzweifelt. Scheiße, warum lehnte er ab? »Es wird niemand wissen, dass wir mehr sind als Freunde.«
»Darum geht es mir nicht.« Er streckte die Hand aus, strich mir zärtlich über die Wange. »Ich mag die Idee wirklich. Und wenn ich mit dir zusammenziehen würde, dann auch richtig.«
»Also ist es nur, weil du dich nicht outen willst? Ist okay.« Verzweifelt sah ich ihn an und seufzte leise. Ich hätte es wissen müssen, dass es so enden würde. Es war auch eine Scheißidee gewesen. Er hatte recht.
Doch er richtete sich auf, nahm mein Gesicht in beide Hände und küsste mich heftig und drängend. Dann lächelte er mich an. »Nein, das meine ich nicht. Ich würde sofort mit dir zusammenziehen.«
Kurz sah ich ihn schockiert an, während mein Herz sich nach dem Stolpern wieder fing, dann griff ich nach ihm und küsste ihn meinerseits. Leider erwiderte es nicht, sondern drückte mich sanft zurück.
Er strich sich verzweifelt durch die Haare. »Aber das bringt nichts. Ich müsste spätestens nächstes Jahr sowieso zurück. Und das wäre dann viel schlimmer, wenn wir uns richtig aneinander gewöhnt haben.«
»Warum?« Nein, er konnte nicht gehen! Nicht nach dieser Aussage. Scheiße, ich konnte es einfach nicht mehr ignorieren. Das war zu eindeutig.
Er seufzte. »Ich muss das letzte Collegesemester in Boston machen. In Massachusetts gibt es andere Vorschriften für den Abschluss. Aber ich wollte für alles andere einfach mal weg von Zuhause. Endlich ich selbst sein. Aber ich wusste, dass ich zurückmuss. Deswegen wollte ich auch keine Beziehung. Eigentlich.«
»Warum bleibst du nicht hier? Du kannst doch auch hier arbeiten.« Ich zog ihn wieder zurück in meine Arme. Dort gehörte er einfach hin.
»Ich hab schon einen Job in Boston sicher.« Ich konnte ihm ansehen, dass es ihm genauso schwerfiel wie mir, auch wenn er mittlerweile nicht mehr weinte.
»Du hättest noch ein Jahr Zeit, dir hier was zu suchen«, versuchte ich, ihn zu überreden.
Doch er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht so einfach. Ich hab nicht vor, mich ewig zu verstecken. Und es ist schon nicht einfach als Mann in dem Feld etwas zu bekommen. Dann noch als schwuler Mann ... Der Arzt ist ein Freund von meinem Vater. Meine Eltern wissen es nicht, aber er weiß Bescheid und hat keine Probleme damit. Ich kann das nicht einfach ausschlagen. Verstehst du?«
Ich nickte, sah ein, dass ich ihm im Weg stehen würde, wenn ich ihn hier festhielt.
Seine Augen füllten sich erneut mit Tränen. Außerdem zitterte er am ganzen Leib. Ich deckte uns beide wieder zu. Eine ganze Weile lagen wir still da. Gedankenverloren streichelten wir uns. Wir brauchten das gerade beide. Auch wenn ich ihn nicht bei mir behalten konnte, wollte ich ihn nicht ganz gehenlassen. Das wollte ich nicht einsehen.
Dann fiel mir etwas ein, um ihn zumindest noch eine Weile bei mir zu haben. »Und du fängst dann erst im nächsten Semester in Boston wieder an?«
»Ja. Im September.«
Langsam hob ich sein Gesicht an. »Musst du vorher schon dort sein? Du könntest sonst so lange hierbleiben. Wenn du magst.«
»Wo soll ich denn bleiben? Ich hab doch gesagt, ich kann mir die Wohnung nicht leisten.« Verwirrt sah er mich an.
»Na hier. Du hast gesagt, du würdest mit mir zusammenziehen. Du könntest bis September hierbleiben. Und wenn du wieder in Boston bist, dann besuchen wir uns einfach gegenseitig«, schlug ich vor. Das war zumindest eine kleine Hoffnung.
Doch sofort zerschlug er sie und lachte bitter auf. »So wie mit deinem Freund auf dem Foto? Vielleicht mal alle halbe Jahre? Und einmal im Monat telefonieren wir? Alles unter der Voraussetzung, du hast nicht gerade jemand anderen?«
Sofort schüttelte ich vehement den Kopf. Er sollte nicht so einen Mist erzählen! »Nein! Er ist mir nicht mal halb so wichtig wie du! Er ist nur ein Freund. In dich hab ich mich verliebt.«
Etwas ungläubig sah er mich an, schien herausfinden zu wollen, ob ich das ernst meinte.
Daher sprach ich weiter. Zu verlieren hatte ich sowieso nichts mehr. Gehen würde er so oder so. »Am Anfang dachte ich noch, dass du wirklich keine Beziehung willst, dass wir nur Freunde mit Extras sind. Hab mir eingeredet, dass es für mich so in Ordnung ist. Und dann Valentinstag ... Aber ich will dich nicht gehenlassen, ich will dich bei mir haben. Ich hab einfach gehofft, dass es immer so bleibt, egal wie wir es nennen, dass ich vielleicht trotzdem mehr für dich bin, als nur irgendein Freund.«
Kurz sah er mir in die Augen, dann schlich sich langsam ein zärtliches Lächeln in sein Gesicht. Sanft streichelte er über meine Wange, bevor er seine Lippen gierig auf meine drängte. Zufrieden seufzte ich in den Kuss. Eine bessere Antwort hätte es gar nicht geben können.
So gefühlvoll wie an diesem Morgen hatten wir uns noch nie geliebt. Vermutlich war es auch das erste Mal, dass man es überhaupt so bezeichnen konnte. Da war keine Gier, kein Bedürfnis, das gestillt werden wollte. Es war einfach nur Zuneigung, die wir dem anderen zeigen wollten. So nah hatte ich mich ihm noch nie gefühlt.
»Bist du sicher, dass es wirklich so klappt? Ich meine, hierzubleiben. Ist das wirklich okay?«, fragte Roger unsicher.
Wir lagen noch immer im Bett, küssten und streichelten uns träge. Den Wecker meiner Eltern hatte ich schon vor einer ganzen Weile gehört.
»Willst du dich outen? Zumindest vor meinen Eltern? Dann ist es gar kein Problem. Aber du weißt, dass du das nicht nur wegen mir machen musst. Solange du mir versprichst, dass wir es wirklich versuchen, auch wenn du wieder nach Boston gehst, ist es okay. Dann komm ich dich so bald wie möglich besuchen.«
Er strich mir über die Wange und lächelte mich an. »Ich will es versuchen. Weil du es bist. Weil schon der Gedanke wehtut, nicht mehr jedes Mal neben dir schlafen zu können, wenn ich das will. Aber du musst mir versprechen, dass wir uns häufiger sehen, als nur alle paar Monate.«
»Das würde ich doch selbst nicht aushalten.« Ich musste lachen. »Willst du dann noch hierbleiben?«
»Ja, gern. Wenn das für deine Eltern wirklich okay ist.« Vorsichtig lächelte er mich an und ich zurück.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Zieh dich an, sie werden sowieso gleich klopfen wegen Frühstück.«
Wir zogen uns an. Währenddessen klopfte meine Mutter tatsächlich, um zu fragen, ob wir mit frühstückten. Ich sagte ihr Bescheid, dass wir gleich kämen.
»Bist du soweit? Es ist wirklich okay, ihnen das mit uns zu sagen?« Ich zog ihn noch einmal in meine Arme und streichelte beruhigend über seinen Rücken.
»Ja. Ich hab doch gesagt: Wenn dann richtig. Außerdem sind deine Eltern wirklich tolle Leute.«
»Dann komm.« Ich nahm ihn an der Hand und lief voraus die Treppe herunter.
Meine Familie saß bereits am Tisch und aß. Immerhin mussten sie bald los. Ich atmete tief durch und sah noch einmal fragend zu Roger, der kurz nickte. Dann trat ich in die Küche, noch immer seine Hand haltend.
»Guten Morgen. Ehm, habt ihr kurz ein paar Minuten? Ich mag euch jemanden vorstellen.« Neugierig hoben sie die Köpfe. Ich atmete noch einmal durch, dann deutete ich auf Roger. Genauso schnell, wie mein Herz klopfte, wollten die Worte über meine Lippen. »Das ist Roger. Mein heimlicher Verehrer. Und Freund.«
»Fester Freund«, murmelte Roger dem Boden entgegen.
Doch meine Mum war bereits aufgesprungen und drückte ihn freudig. »Das haben wir schon verstanden, Schätzchen. Willkommen.«
»Oh, muss ich jetzt nicht mehr so tun, als wüsste ich nichts?«, fragte Lena unverfroren.
Verwirrt sah ich sie an. Auch Roger stand etwas der Mund offen. Doch nicht nur sie schien es gewusst zu haben, denn ausgerechnet mein Vater antwortete ihr: »Nein, ich denke nicht. Auch wenn es höflicher gewesen wäre, nicht zu sagen, dass du es schon wusstest.«
»Kommt, setzt euch. Und klappt den Mund zu. Immerhin wissen wir das schon seit ein paar Monaten. Aber schön, wenn ihr euch dazu entschieden habt, es offiziell zu machen.« Meine Mutter strahlte uns beide an, während wir uns setzten. »Und natürlich Glückwunsch an dich, Roger. Das war sicher nicht einfach.«
»Danke«, flüsterte Roger verlegen.
Mit einem aufmunterndem Lächeln legte ich ihm die Hand auf den Oberschenkel. Endlich konnte ich das tun! Endlich durfte ich ihn berühren, wann ich es wollte. Sicher, es würde dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte, aber dann würde es schön werden. Außerdem erwiderte er das Lächeln zaghaft.
»Woher weißt du Kröte das eigentlich?«, fragte ich Lena und stupste gegen ihren Arm.
»Aua! Ich wollte dir das Telefon bringen, weil Peter angerufen hat. Ihr habt ihm Bett gelegen und rumgeknutscht«, erzählte sie, während sie sich über den Arm strich. So doll hatte ich sie doch gar nicht angefasst.
»Was hast du Peter gesagt?«, fragte ich sofort alarmiert. Wenn er davon erfuhr, dann nicht so! Ich musste ihm das ruhig und schonend beibringen.
»Dass du noch schläfst. Und Mum hat gesagt, ich soll dir nicht sagen, dass ich das gesehen hab.«
»Ich wollte nicht, dass sich Roger nicht mehr traut herzukommen.« Mum lächelte Roger entschuldigend an. »Ihr seid uns doch nicht böse?«
Unsicher sah ich Roger an. Wenn dann war er es, der einen Grund hatte.
Doch er lächelte. »Nein, ist schon gut. Danke.«
Ich mochte das. Selbst wenn ihn mal etwas aus der Bahn warf, fing er sich schnell wieder und konnte sein schönes Lächeln zeigen. Dass er vor nicht ganz einer Stunde tatsächlich in meiner Gegenwart geweint hatte, zeigte mir, wie sehr er an mir hing. Es war die richtige Entscheidung, ihn einzuladen. »Wir würden euch gern was fragen. Kann Roger ab Juli eine Weile hierbleiben?«
»Was heißt eine Weile? Und warum?«, fragte mein Vater misstrauisch.
»Bis Ende August, wenn das okay ist«, präzisierte ich. Dann überließ ich es Roger, ihnen die genauen Umstände zu erklären.
»Wir überlegen es uns«, antwortete Mum, nachdem er geendet hatte. »Wir reden heute Abend nochmal in Ruhe darüber, jetzt müssen wir los. Aber ihr seid euch da wirklich sicher und im Klaren, was es heißt, wenn Roger nach Boston geht? Toby, du weißt immerhin gut genug, dass das nicht um die Ecke ist und ins Geld geht.«
»Ja«, antwortete ich schnell. Natürlich war ich mir sicher, dass ich Roger wollte. Selbst wenn er an die Westküste gezogen wäre, hätte es nichts geändert.
»Nutzt trotzdem nochmal die Zeit, euch das zu überlegen«, riet mein Vater. »Könnt ihr beide abräumen?«
»Natürlich.« Roger sprang sofort auf und schnappte sich unsere Teller.
Ich lächelte in mich hinein. Er hatte sich nicht wirklich verändert.
»Bist du dir sicher, dass das wirklich funktioniert?«, fragte Roger, als wir später wieder gemeinsam in meinem Bett lagen. Ich hatte einfach meine Finger nicht von ihm lassen können. Und er seine auch nicht von mir.
»Was meinst du? Ich bin mir sicher, dass ich dich so richtig gut ficken könnte, aber ich glaub, das meinst du nicht«, scherzte ich und drückte meine Hüfte leicht gegen seinen Hintern.
Ruhig schüttelte er den Kopf, konnte sich aber auch ein leichtes Lachen nicht verkneifen. »Ich meine, dass ich hier wohnen darf.«
»Klar. Wenn meine Eltern sagen, wir reden später noch mal darüber, dann heißt das eigentlich schon ja. Sie wollen nur sicher gehen, dass wir darüber nachgedacht haben. Eventuell wollen sie auch noch das Finanzielle klären. Aber darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich kann deinen Anteil übernehmen.«
»Nein, Toby! Ich will kein Geld von dir.« Er drehte sich in meinen Armen um und sah mir entschlossen ins Gesicht. »Ich kann dann ja auch weiter im Laden arbeiten und dann bezahl ich das selbst.«
»Okay, dann machen wir das so.« Ich küsste ihn auf die Stirn.
Es war sein gutes Recht, das selbst zahlen zu wollen, es gefiel mir sogar. Es war nicht, als weigerte er sich komplett, sich einladen zu lassen, das hatte ich schon ein paar Mal getan und auch andersherum, aber wenn er etwas allein zahlen wollte, war es okay. Ich hatte lediglich nicht daran gedacht, dass er dann auch seinen Job nicht aufgeben musste.
»Und wir sind uns sicher?«, fragte er nach kurzem Schweigen.
»Ich bin mir sicher«, antwortete ich, ohne zu zögern. Dann sah ich ihn ernst an. »Ich hab dabei aber auch nichts zu verlieren. Entweder ich lass dich direkt im Juli gehen und seh dich nie wieder, oder ich versuch es mit dir und hab im Zweifelsfall, wenn es nicht klappt, eine schöne Zeit mit dir gehabt.«
Nachdenklich nickte er. Offenbar verstand er meinen Gedanken. Es war weder böse noch pessimistisch gemeint, sondern einfach nur die Wahrheit. Und die wollte ich ihm nicht verwehren. »Aber du könntest dadurch die Chance verpassen, den Mann für dich zu finden.«
Ich lachte leise. »Wenn ich anfangen würde, darüber nachzudenken, wie viele Chancen ich eventuell verpasst haben könnte, weil ich dachte, den Richtigen schon gefunden zu haben, würde ich nicht mehr aus dem Denken herauskommen. Aber ich kann dir ehrlich sagen, dass ich mir noch nie so sicher war.«
»Du wirst mich vermissen.«
»Würde ich auch, wenn wir es nicht versuchen. Und so kann ich dich anrufen oder dich besuchen.« Zärtlich schmiegte ich mich an ihn, genoss die warme Haut unter meinen Fingern. »Was ist mit dir?«
Frech grinste er mich an. »Natürlich werd ich dich auch vermissen.«
»Du weißt, dass ich das nicht meine!« Zur Strafe biss ich ihm in die Schulter. »Du hast dabei am meisten zu verlieren.«
»Was hab ich denn zu verlieren? Ich geb damit einfach nur die Lügen auf.« Zärtlich strich er mir eine Strähne aus der Stirn, die direkt zurückfiel. »Ich hab nicht vor, es weiter geheimzuhalten. Ich bin nach New York gekommen, weil ich neu anfangen und sehen wollte, wie es ist, offen schwul zu leben. Immerhin kannte mich hier keiner. Aber dann hab ich kalte Füße bekommen. Trotzdem weiß ich jetzt, dass ich mich nicht mehr verstecken will, egal, wie es mit uns ausgeht.«
»Sicher? Deine Eltern werden nicht begeistert sein. Und ich weiß nicht, wie deine Freunde zu Hause darauf reagieren.« Er zuckte nur locker mit den Schultern. »Es ist dir also egal?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich weiß jetzt, dass ich auf Dauer nicht glücklich werden würde, es immer geheimhalten zu müssen. Es hat mich schon bei deinen Eltern gestört. Ich hatte da auch eher Angst, dass sie anfangen, dass das mit uns doch nicht geht, wenn wir nicht zusammen sind.«
Ich lachte auf. »Nein, sie mischen sich bei so was nicht ein. Selbst wenn Lena mit jemandem etwas anfangen würde, würden sie sie lassen. Sie würden nur sichergehen, dass sie weiß, worauf sie sich einlässt.«
»Ich find deine Eltern toll. Haben Sie euch überhaupt schon mal was verboten?«
»Ja, sicher. Aber sie haben uns eben so erzogen, dass wir die Konsequenzen selbst tragen müssen.« Ich kuschelte mich etwas näher an ihn. »Du musst gleich los, oder?«
Seufzend fuhr er mit der Hand durch meine Haare und nickte. Es war offensichtlich, dass er nicht loswollte. »Ja. Und ich muss noch duschen.«
»Soll ich mitkommen? Dann kann ich noch ein wenig an dir rumspielen.« Meine Hand wanderte langsam seinen weichen Bauch hinab. Er schloss die Augen, nickte und streckte sich mir dann entgegen. Ich krabbelte unter die Decke und küsste ihn unterm Bauchnabel. »Du willst doch sicher nachher auch beim Gespräch dabei sein, oder? Soll ich dich abholen? Ich würde, wenn du gleich gehst, laufen gehen, danach könnte ich dich vom College abholen.«
Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Währenddessen machte ich einfach in Ruhe weiter. »Ja, gern.«
»Schön. Dann komm.« Ich stand auf und zog ihn an den Händen mit mir ins Bad.