100.
Stetig. Nicht zu langsam. Nicht zu schnell.
Mein Kopf ist leer, nur das leise Pfeifen des Außenwindes rast an meinem Peugeot vorbei. Der Himmel so grau wie mein Innenleben, während das Grün der Wälder schnell vergessen ist, so wie ich sie hinter mir lasse. Mit meinen steten 100 km/h.
"Wie gut, dass du da bist. Ich habe dich so vermisst.."
Seine Stimme in meinem Kopf. Ich war so glücklich.. War alles eine Lüge? Nie wieder werden diese Worte mich erreichen. Ich kann nicht glauben, dass alles gelogen war. Alles gespielt? Er ist ein guter Schauspieler. Ich muss es akzeptieren, muss es hinnehmen. Der Wahrheit ins Auge blicken. Bin ich es denn nicht wert, geliebt zu werden?
Wut macht sich breit, der Druck auf's Gaspedal wird stärker.
120.
Durchschnittlich. Nicht entspannt, aber auch nicht zu schnell.
Ich setze meinen Blinker und fahre auf die linke Spur, vorbei an dem fröhlichen LKW, 'Have a break, have a...'. Eine Pause vom Schmerz, kann das KitKat auch?
Es fängt an zu nieseln und die feinen Wassertropfen besprenkeln meine Frontscheibe. Ich stelle die Scheibenwischer an. Zwischen den Wischgeräuschen ist es unheimlich monoton, wie wäre es mit ein bisschen Radio..
"We could have had it aaaaaall.." ich wechsle den Sender, das kann ich mir wirklich nicht geben jetzt.
"I see a red door and I want it painted black.." schon besser! Ich drehe auf und singe lautstark mit, "I see the girls walk by dressed in their summer clothes"-
"Tut mir so leid, Schatz. Ich wollte heute bei dir sein und habe es wirklich versucht.."
War es tatsächlich die Arbeit? Ha! Wer's glaubt! ... Alles war gelogen, alles. Und ich bemitleidete ihn, weil er angeblich so viel zu tun hatte. Aber er war bei ihr. Natürlich war er bei ihr. Selbst ich blinde Kuh erkenne das.
Er ist es nicht wert, dass ich ihn liebe.
Der Schmerz in meinen Gefühlen gewinnt wieder die Oberhand, doch die Wut will nicht weichen. Ich muss mich beruhigen, an was anderes denken. Er ist es nicht wert. Ich muss ruhiger werden..
Mein Magen ist wie zugeschnürt und die innere Aufregung macht mir das Atmen schwer.
140.
Schon ziemlich schnell. Aber auf der Autobahn völlig in Ordnung.
Der Regen wird stärker, also schalte ich die Scheibenwischer eine Stufe höher. Laut klatscht das Wasser gegen die Scheibe, die Wolken sind schwarz. Es ist laut, doch mein Radio ist lauter. Der Oldie der Rolling Stones ist zu Ende und wird durch Submerseds E-Guitarre ersetzt.
"To you I'm all I've left undone" Oh ja, ich liebe diesen Song!
"Liebes, ich kenne diese Frau nicht."
Messerstiche. Wie Messerstiche rammten sich diese Worte in mein Herz. Ich bin für ihn ein Niemand. Bin es immer gewesen. War töricht, zu glauben, ich würde ihm die Welt bedeuten. Lächerlich. Wie erbärmlich..
Mir wird nicht einmal das Recht zuteil, die Rolle der betrogenen Frau einzunehmen. Eine Illusion. Eine Lüge. Am Ende bin ich nur die Mätresse. Der Parasit, der eine intakte Ehe befällt. Ein Störfaktor. Ohne Rechte. Mir steht es nicht zu, traurig zu sein. Ich habe kein Recht auf Liebeskummer..
160.
"You can make me scream internally" - und ich möchte schreien, das Ventil öffnen. Wut, Schmerz, Selbstzweifel, erdrücken mich und ich kann nicht mehr..
180.
"Fill, fill what's in me" - meine Stimme bricht beim singen, die Lippen bebend. Meine Hände verkrampfen sich um das Lenkrad. Wieso? Warum macht er sowas?
190.
"Fill, fill what's in you" - mein Blick verschwimmt unter den Tränen. Wie konnte es nur soweit kommen..?
200.
"So my soul's not left so hollow" - Gleichgültig. Mein Kopf ist so leer. Meine Seele ist leer. Eigentlich ist jetzt alles egal..
Plötzlich! Alles wird schwarz. Es ist vorbei.
0.