"Mama! Zieh doch nicht so! Bitte! Die fangen mit dem Verhör nicht ohne mich an, glaub es mir." sagte ich genervt zu meiner Mutter, die mich an der Hand zum Revier zog. "Wenn meine wehrte Tochter nicht wieder mal Mist gebaut hätte, gäbe es kein Verhör meine liebste!" schrie meine Mutter und blieb so plötzlich dabei stehen, dass ich in sie hineinlief und fast stolperte. "Was hast du denn nur jetzt wieder gemacht? Warum müssen du und dein Vater immer nur Ärger machen? Von ihm konnte ich mich wenigstens trennen aber von dir..." abschätzend blickte sie an mir runter. Jup, das fühlte sich ziemlich scheiße an wenn die Mutter so von einem dachte. Vielleicht war ich nicht immer die beste Tochter gewesen aber diese Bemerkung war schon heftig.
"Also? Worauf kann ich mich jetzt vorbereiten? Ladendiebstahl? Raub? Körperverletzung? Was war es diesmal, Nadja? Du bist 17 Jahre und dein Vorstrafenregister ist bald länger als die Speisekarte des..."
"Mord!" unterbrach ich sie und warf ihr die bittere Pille vor die Füße. Schweigen. Weder meine Mutter noch ich sagten etwas. Wir starrten uns nur an.......
"Mord? Du meinst einen richtigen Mord? Du bist eine Mörderin? Warum? Wen hast du getötet? Was ist nur mit dir falsch gelaufen? Du kannst nicht mein Kind sein. Die süße kleine Nadja von früher!" flüsterte meine Mutter verzweifelt und kämpfte mit den Tränen. "Mama! Mama, warte! Sie verdächtigen mich nur. Deshalb das Verhör. Hätte ich jemanden echt getötet, würde ich jetzt in einer Zelle sitzen und nicht hier mit dir auf der Straße stehen!" entgegnete ich ihr. "Warum verdächtigen sie dich? Hast du was damit zu tun? Und wer um Himmels Willen ist getötet worden?"
"Du kennst ihn glaube ich nicht. Luke aus meiner Paralellklasse. Luke Bainiger. Seine Mutter arbeitet hier im Supermarkt an der Kasse." erklärte ich meiner Mutter die plötzlich die Augen weit aufriss. "Luke Bainiger? Der Sohn von Susanne? Oh mein Gott die Arme! Ich muss sie später anrufen."
Meine Ma wühlt in ihrer Tasche nach ihrem Handy und wischt auf dem Display ein paar mal hin und her. "Ah! Hier habe ich auch noch ihre Nummer. Sehr gut! Nun komm Nadja." sagte sie und lief vorraus.
----
"Guten Tag Frau Alberts! Hallo Nadja! Nehmen sie doch bitte Platz" sagte Frau Ställe von der Kripo und deutete auf die beiden Stühle vor ihrem Schreibtisch. Der Schreibtisch war riesig und doch war nur wenig Platz. Zwei Monitore, eine Tastatur, zwei Telefone, viele Ablagen, Stapel an Ordnern, Kaffeeränder und leere Becher schmückten den Tisch. Meine Mutter und ich nahmen Platz. Mama machte deutlich was sie von mir und meiner Nachricht hielt, indem sie mit ihrem Stuhl von mir wegrückte.
"Frau Alberts, ich habe sie und ihre Tochter zum Verhör gebeten, da ihre Tochter wahrscheinlich etwas mit dem Tot von Luke Beiniger zutun hat. Wir fanden am Tatort Hinweise darauf. Nun habe ich ein paar Fragen an Sie und ihre Tochter bezüglich ihres Tagesablaufs am 4. September. Wann verließ ihre Tochter das Haus und wann sahen sie sich wieder?"
Meine Mutter kramte ein Taschentuch aus ihrer Jacke und fummelte darin rum. Ich blickte sie etwas irritiert an. Fängt sie gleich an zu heulen?
"Also Frau Polizistin ich..." setzte Mama an. "Oberkommissarin, bitte Fr. Alberts!" wies sie die Oberkommissarin zurecht.
"Ja, natürlich. Also ich...schnief...ich bin so geschockt! Der arme Luke. Ich bin gut mit seiner Mam befreundet. Es bricht mir das Herz zu erfahren das er tot ist. Wie genau ist es denn passiert?" nuschelte meine Mum ins Taschentuch. Ich kann es gerade nicht glauben! Eine gute Freundin? Ich wusste bis eben nicht, dass sie sich kannten.
"Zu den exakten Todesursachen kann ich nichts sagen. Die Untersuchungen laufen noch. Aber unter anderem musste Luke mit seiner Zunge "bezahlen". So stand es an der Wand am Tatort geschrieben." berichtete Die Polizistin...Oberkommissarin, ganz kurz. "Nun aber zurück zum 4. September. Wann verließ ihre Tochter das Haus und wann sahen sie sich wieder?" hackte Fr. Ställe erneut nach. Mum räusperte sich und blinzelte mehrmals ihre imaginären Tränen weg. "Nun...also, ich verließ um 7 Uhr morgens das Haus. Wie immer. Ein netter Arbeitskollege holt mich immer pünktlich ab. Montags bis Freitags! Das kann er ihnen auch sicherlich bezeugen. Sehr netter junger Mann. Arbeitet erst seit 2 Jahren bei uns. Ich durfte ihn damals einarbeiten!" schweifte meine Mutter ab. Frau Ställe schielte zu mir rüber und sah wie ich mit den Augen rollte. "Fr. Alberts, ich vordere sie jetzt zum letzten Mal auf meine Fragen zu beantworten. Ihre Tochter ist eine Tatverdächtige und sie behindern gerade meine Arbeit mit ihrem Firmentratsch!" wieß Fr. Ställe meine Mum zurrecht. Diese schaute ganz ersschrocken und holte erneut Luft. Entschuldigend wedelte sie mit den Händen: "Okay, okay....also meine Tochter ging gerade in das Badezimmer als ich die Wohnung verließ. Ich weiß nicht wann sie genau das Haus verließ oder nach Hause kam. Ich war an diesem Tag spät zu Hause, da ich mit Thorsten noch...räusper...nun also ich war so gegen 22 Uhr zu Hause und da lag meine Tochter schnarchend, wie ihr bekloppter Vater früher, auf dem Sofa. Ist wohl beim Fernsehen eingeschlafen. Habe sie da schlafen lassen und machte mich selber für die Nacht frisch." ratterte meine Mutter nun ganz trocken die Informationen runter.
"Okay, danke ihnen Fr. Alberts! Kommen wir nun zu dir Nadja. Was hast du genau nach Schulschluss gemacht? Wann warst du zu Hause? Und wie gut kanntest du Luke eigentlich?" sie drehte sich leicht zu mir und beugte sich auf den Schreibtisch. Fehlte nur noch die Lampe, die mir mit schrecklich hellem Licht ins Gesicht leuchtete. "Naja, also wie schon gesagt...ich ähm...bin nach der Schule mit Tina zu ihr gegangen. Zum Üben. Nachhilfe in Mathe, verstehen sie?" meine Mutter hustete plötzlich und fragte mich: "Wer ist Tina? Und warum Nahchhilfe?" ich rollte innerlich mit den Augen. Sie mischte sich nie in mein Leben ein. NIE! Ihr ist immer alles egal. Hinterfragt nie was, da Thorsten gerade interessanter ist. Jetzt plötzlich, im total ungünstigen Moment, mischte sie sich ein?! "Ja Mum, Nachhilfe. Tina ist eine gute Freundin von mir. Du kennst sie noch nicht." antwortete ich kurz und hoffte das Mama ruhig bleibt. Falsch gedacht. Sie machte alles wieder schlimmer. "Achso, dachte du meinst diese Tina aus deiner Klasse. Die kannst du ja nicht leiden hattest du mal erzählt. Oh aber ich freue mich eine Freundin von dir kennenzulernen!"
Fr. Ställe sagte die ganze Zeit nichts. Beobachtete nur meine Mum und mich und machte gelegentlich Notitzen nebenebei. Meine Mutter nutzte natürlich einen kleinen Moment der Ruhe und fragte:" Aber Fr. Ställe, nun mal ganz kurz...ich habe nicht mehr viel Zeit. Muss gleich wieder zur Arbeit und Thorsten steht bestimmt schon unten und wartet auf mich. Eine Frage habe ich nun. Warum ist meine Tochter denn eine Verdächtige?"
Mir wurde heiß und kalt als Mama diese Frage stellte und Fr. Ställe mich überrascht ansah: "Du hast deiner Mum nichts erzählt, Nadja?" ich senkte meinen Blick. Traute mich nicht irgendjemanden anzusehen.
"Fr. Alberts, an der Wand fanden fanden wir den Satz Wer die Klappe nicht hält muss bezahlen! Auf dem Boden wo der Hausmeister den Leichnam fand lag ein Lippenstift in der Farbe, die die Schrift an der Wand hatte. In der Farbe Mauve. Die Farbe die laut Mitschülern oft von Nadja getragen wird!" das Piepen eines Handys durchdrang die Stille. Mama zog ihr Handy aus der Tasche und sprang auf: "Sonst noch was Fr. Poli....Oberkommissarin Ställer? Thorsten wartet unten" meine Mum wirkte wie in Trance. Starrte Fr. Ställer mit leerem Blick an. "Naja, ich brauche noch eine Blutprobe ihrer Tochter und Fingerabdrücke. Damit können wir dann..." meine Mutter unterbrach sie "okay, das schaffst du ab jetzt alleine, nicht war? Ich muss los"
Wumms...die Tür knallte zu und ich saß mit Fr. Ställer alleine hier.
"Nadja, ich hole dann mal eine Kollegin, die bei dir Blut abnimmt und so weiter. Wir machen dann erstmal Schluss für heute. Du kannst dann nach Hause gehen"
Wumms...wieder donnerte die Tür zu und nun saß ich hier alleine....