Prompt „Elixier“
Wie immer, in 1 h geschrieben und erst mal ohne Korrekturen
„Also, ich muss da jetzt nicht rein, Meike.“
„Nun sie doch kein so ein Frosch, Bruderherz.“
Lutz schüttelte den Kopf. Was für eine schlechte Idee, mit ihr auf den Mittelaltermarkt zu gehen. Er kannte hier überhaupt keinen – im Gegensatz zu ihr.
Vor Jahren hatte er es sich auch überlegt, mitzumachen – mitzulagern und solche Events als Teilnehmer und eben nicht nur als Besucher mitzuerleben. Aber immer war etwas dazwischengekommen. So war es denn nie dazu gekommen.
Aber gut – da musste er wohl durch. Wenigstens konnte er sich so von seinem Liebeskummer ein wenig ablenken.
Unschlüssig betrachtete er Schild, welches neben dem Zelt aufgestellt war:
„Samissura – Wahrsagerin“, war darauf zu lesen.
Und darunter:
„Kleine Wahrsagung – 5 Euro. Große Wahrsagung inklusive magischem Elixier – 10 Euro.“
„Etwas teuer, findest du nicht?“, flüsterte er Meike zu.
„Ach was“, kicherte Meike. „Für den Spaß ist es das wert. Notfalls spendiere ich es dir, wenn du zu knausrig bist.“
„Wegen dem Geld ist es mir nicht“, rechtfertigte er sich. „Nur weiß ich nicht, ob ich das machen soll.“
„Komm, das wird lustig. Und vielleicht genau das Richtige. Du bläst schon seit Wochen Trübsal. Zeit, das zu ändern.“
Er seufzte vernehmlich. Sie hatte ja recht. Aber nach zwei Jahren steckte man es eben nicht so leicht weg, wenn einem der Freund einfach von einem auf den nächsten Tag verließ. Warum genau wusste er bis heute nicht. Michal hatte es ihm nicht erklärt.
Seine Schwester hatte Recht. Ein wenig Gaudi würde ihm guttun. Unschlüssig war er jedoch, welche Auswahl er treffen sollte. „Was ist das für ein Elixier, die als Zugabe dabei ist?“, rätselte er.
Sie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich vermute ein Likör oder so etwas“, mutmaßte sie.
In diesem Moment wurde die Zeltplane zurückgeschlagen und ein Frau im mittleren Alter kam herausgeschritten. „Kein Likör, edle Dame. Diese Elixiere wurden von Druiden um Mitternacht gebraut. In Vollmondnächten, unter strenger Geheimhaltung ihrer Zutaten. Ich werde ihn Euch hineinfühlen und das Zaubermittel aussuchen, welches zu Euch passt.“
Die Geschwister mussten beide ein Lachen verkneifen. Diese Samissura nahm ihre Rolle wirklich ernst. Aber das musste sie wohl auch, bei den Preisen.
Optisch erinnerte sie ein wenig an eine Zigeunerin. Sie trug lange schwarzgelockte Haaren und um den Kopf ein rotes Tuch, welches mit allerlei Perlen und anderem Schmuck verziert war. Dazu ein langes, dunkelgrünes Kleid, welches mit geheimnisvollen Zeichen bestickt war. Dazu ein weißes Tuch, welches sie um die Hüfte gebunden hatte und wohl normalerweise zum Bauchtanz verwendet wurde. Natürlich trug sie jede Menge Schmuck - große Ohrringe und allerlei Ringe und Armreife.
„Mein Bruder würde sich gerne die Zukunft wahrsagen lassen. Also die für 10 Euro.“
„Kann er nicht selbst für sich sprechen“, murmelte die Wahrsagerin tadelnd und musterte Lutz, als wäre er ein unartiger Schüler.
Er räusperte sich. „Ähm... ja. Die große Wahrsagerei, bitte.“
„Nun gut. Dann kommt rein.“, lud sie den Mann ein und streckte gleichzeitig die Hand auf. Rasch legte Meike den Schein hinein. Nicht, dass es sich ihr Bruder noch anders überlegte.
„Nur er!“, rief Samissura energisch und zog Lutz in das Zelt, ehe einer die beiden reagieren konnten.
Lutz wusste gar nicht, wie ihm geschah. Eine seltsame Person war das. Kein Wunder, dass das Zelt leer war und sie offensichtlich wenig Kundschaft hatte, wenn sie sich so verhielt.
„Setz dich“, befahl sie streng.
Zögernd nahm er auf dem Kissen Platz, gegenüber der Wahrsagerin, die es sich selbst auf einigen Fellen bequem gemacht hatte.
„Deine rechte Hand.“
Unsicher streckte er sie ihr entgegen, die sie sofort energisch ergriff.
Keine Kristallkugel, keine mystisches Vorgeplänkel, keine Schauspielerei?
Enttäuschung machte sich bei dem Mann breit. Wie es aussah, waren diese 10 Euro wohl herausgeschmissenes Geld.
„Deine Zukunft möchtest du also wissen, junger Recke?“
„Ähm… ja?“
Sie starrte stirnrunzelnd auf seine Hand und schüttelte den Kopf. Sicher einige Minuten, bevor sie ihn wieder direkt ansah.
„Sag mir deinen Namen, Bursche!“
„Lutz!“
„Lutz? Was ist denn das für ein ungewöhnlicher Name? Eine Abkürzung nehme ich an?“
„Ich glaube Ludwig“, antwortete er zögernd.
„Ludwig? Ja, das ist doch ein passender Name. Also Ludwig, ich sehe, du bist anders als gewöhnlich. Und du hast gerade eine Liebe verloren.“
Verdammt! Sah man ihm das Schwulsein tatsächlich so deutlich an? Nicht, dass er nicht dazu stand – aber immer wieder musste man gegen Vorurteile kämpfen und daher war es ihm lieber, es nicht so offensichtlich wirken zu lassen.
„Also, habe ich nun recht, oder nicht?“, blaffte sie ihn an.
Was war das um Gottes Willen für eine Sitzung?
„Ja, ich denke“, erwiderte er nach einer Pause.
„Ich kann einiges in deiner Hand lesen. Viele Prüfungen, und viel Leid. Die Liebe lässt leider auf sich warten. Wenn du aber meinen Trank gleich zu dir nimmst, dann wirst du deiner großen Liebe begegnen, bevor der Nachtwächter zwölf Uhr ausgerufen hat.“
Das war das erste und letzte Mal, dass er so etwas machte. Wollte diese Samissura etwas schon zum Ende kommen? Sie hatten doch noch gar nicht angefangen.
Er war normalerweise auch nicht der Typ, der sich über den Tisch ziehen ließ. Aber etwas an ihrer Art hielt ihn davon ab – ein instinktiver Respekt vor dieser Frau, ohne dass er es sich selbst erklären konnte.
Die Zigeunerin – Lutz hatte sich insgeheim vorgenommen, sie so in Gedanken zu betiteln – griff in eine gut versteckte Tasche ihres Kleides und zog ein kleines rundes Fläschchen hervor.
Stilecht, dass musste er sagen – dunkles schwarzes Glas, mit einem Korken verschlossen.
„Hier trink!“ Auffordernd streckte sie ihm das Gefäß entgegen.
„Wie?“
„Ludwig, du willst doch deine große Liebe finden, oder etwa nicht? Dann trink das jetzt gefälligst aus.“
Weshalb er ihr in diesem Moment so gehorsam folgte, darüber zerbrach er sich Tage später noch den Kopf. So aber zog er mühsam den Korken heraus und leerte das Fläschchen, ohne zu zögern in einem Zug. Viel war es ja nicht – ein mittelgroßer Schluck, höchstens. Vom Geschmack her eine Art Kräuterlikör.
„Gut.“ Zufrieden rieb sie sich die Hände. „Wir sind fertig. Und nun – geh. Ich muss mich ausruhen. Viel Glück.“
Was um alles…
Fassungslos starrte er sie an. „Aber ich habe zehn Euro für eine Wahrsagung gezahlt…“
„Und ich verschaffe dir deinen Liebsten, obwohl das gegen alles ist, was die Kirche uns lehrt. Und du hast nicht einmal mit etwas für Wert für mich bezahlt. Also geh endlich.“
„Das ist doch...“
Ihm fehlten die Worte. Diese Frau war ihm noch immer unheimlich, aber das ging nun doch wirklich zu weit. Wütend sprang er auf, warf das Glas auf den Boden und floh aus dem Zelt nach draußen. Er würde sich bei dem Verantwortlichen beschweren.
„Oh, Lutz. Warum bist du denn schon wieder da?“, wunderte sich Meike. „Das war wohl nicht so toll, oder?“
Ehe er darauf antworten konnte, kam eine blonde Frau in einem einfachen blauen Leinenkleid auf sie zu.
„Verzeihen Sie bitte, ich war gerade etwas essen. Sie sind an eine meiner Wahrsagungen interessiert?“
„Sie? Sie sind Samissura?“ Meike schüttelte fassungslos den Kopf.
„Ja. Weshalb? Stimmt etwas nicht?“
„Aber wer hat mich dann… eine Betrügerin!“ Erbost schlug Lutz die Zeltplane zur Seite, um die Zigeunerin im Innern zur Rede zu stellen.
Das Zelt jedoch, das war leer. Keine Wahrsagerin war zu sehen.
In der Mitte, deutlich sichtbar, lag ein schwarz zerbrochenes Glas.