"Und du hast eine völlig fremde Stimme dabei gehört?" Touka notierte sich alles vom Vorfall. "Ja", bestätigte Light. "Den Namen, den er genannt hat, lautete Yato."
"Den, gegen den du deinen eigenen ersetzt hast?", fragte Karma und setze sich mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Light nickte. "Wie sah der Ayakashi aus?", fragte Touka und drehte einmal den Kugelschreiber geschickt über ihren Daumen.
"Er war dunkelviolett, diese Augen waren auch dabei, und er sah kurz aus wie L."
Wie ein Dartpfeil schoss der Stift haarscharf an dem Kopf des Studenten vorbei und prallte an der Wand ab. Touka schüttelte verzweifelt den Kopf. "Sagen wir es so, der Ayakashi hatte die Form eines Menschen für kurze Zeit angenommen", korrigierte Light seine Aussage schnell. Schon sah die Ghula ein wenig zufriedener aus. In der Zwischenzeit war Karma aufgesprungen und hatte den Stift wieder aufgehoben.
"Wie kamst du darauf, dass da ein Ayakashi sein musste?", fragte Touka wieder. Sie musste einfach alles wissen, was er über ihre Gegner wusste. Lights Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Wir sind diesem Augen im Laternenpfahl gefolgt, bis ans Ende."
"Also war Shuu auch bei dir?" Light hob eine Augenbraue. "War das nicht der, der jetzt schon zum zweiten Mal gestorben ist?"
Touka schüttelte den Kopf. "Er ist nur 'ne große Drama-Queen."
Light lachte kurz auf und drehte sich dann um. "Wer hat denn hier eigentlich sein vollgeblutetes Taschentuch liegen lassen?", fragte er und zeigte mit dem Daumen nach hinten. "Das ist von Shuu", seufzte Touka und zuckte mit den Schultern. "Warum entsorgt er es nicht? Ist doch sein Blut."
Karma bestätigte die Aussage mit einem kräftigen Kopfnicken. "Es ist nicht seins... Es ist Kens Blut."
Verstört sahen die Jungs zurück zum Taschentuch. Bevor auch nur einer der beiden etwas sagen konnte, kam ihnen Touka zuvor. "Ja, er ist einfach nur krank."
"Fassen wir zusammen", hob Karma an. "Wir jagen jetzt einfach eine Menge lila Monster und folgen Augenspuren?" "So sieht's aus", bestätigte Touka schulternzuckend. "Wir sollten das Antik zum Hauptquartier machen", schlug Light vor. "Zwei jagen Ayakashis, einer bleibt und hält die Stellung."
Eigentlich wollte Touka mit einem Nicken bestätigen, jedoch stürmte Shuu zurück und schnappte sich sein Taschentuch. Wie ein Kidnapper seinem Opfer ein Chloroformtuch ins Gesicht hält, presste er sich das Tuch mit Kens Blut an die Nase und nahm einen tiefen Atemzug. "Fortissimo!", brüllte er und steckte sich das Tuch wieder ein.
Touka musste schon grinsen, so verstört musterten Light und Karma den psychopathischen Ghul. "Oh, verzeiht mir", entschuldigte er sich und verließ das Antik wieder. Die kurzweilige Stille wurde von Light durchbrochen. "Wie oft hast du das schon gesehen?" Touka lachte. "Sehr oft."
"Da fällt mir noch etwas ein", meinte Light und deutete auf den Zettel über die Ayakashis. Aufmerksam nahm sich die Ghula den Stift und war schreibbereit. "Shinigamis fürchten sich vor Ayakashis."
Touka ließ die Miene des Kugelschreibers zurückspringen. Verzweifelt fasste sie sich an den Kopf. "Shinigamis?", hakte Karma nach. Light nickte. "Und was bei Shuus verdammten Taschentuch bringt uns diese Information?", fragte Touka bissig. Der Brünette zuckte mit den Schultern. "Vielleicht können wir daraus schlussfolgern, dass Rabo etwas gegen Shinigamis hat", kombinierte Light. "Vielleicht verfolgt er den Kira-Fall und will so einen Schachzug gegen Kira unternehmen." Touka schüttelte heftig den Kopf. "Rabo ist ein Gott, er könnte doch ganz einfach selber die Shinigamis umlegen, oder nicht?" "Ihm geht es um den Spaß", meinte Karma. "Wo hast du bitte das Messer her?!" Touka riss ihm die Waffe aus der Hand, während Light den Rothaarigen festhielt, um die Sicherheit der Ghula zu bewahren. "Ärsche", knurrte er hinter zugebissenen Zähnen.
Der Himmel verdunkelte sich kurz. Die drei sprangen von ihren Plätzen auf und rannten zum Fenster. "Ein Ayakashi-Loch?", murmelte Touka. Die Jungs griffen zu den Waffen, das war Antwort genug. Das Portal war nicht allzu weit weg, umso schneller sprinteten sie zum Ort des Geschehens. Ein lila-grüner Monsterrochen flog über die Gebäude hinweg.
"Wie sollen wir da rankommen?", fragte Karma und starrte den Ayakashi an. Touka sah sich um. Überall liefen noch seelenruhig Passanten herum, als wären sie zu beschäftigt mit sich selber. Sahen sie die Ayakashis garnicht? Wissen sie überhaupt, dass es diese Monster gibt?
Touka war die einzige, die keine Quinke besaß, sie war schließlich auch eine Ghula. Stattdessen war sie im Besitz einer Federkralle. Sie schloss kurz die normalen Augen, und als sie diese wieder öffnete, waren sie rot. Ihre Krallen schoss aus ihrem Rücken und mit einem Satz sprang sie auf den Laternenpfahl.
Im Gegensatz zu den Ayakashis, nahmen die Passanten Kenntnis von Touka und begannen zu schreien. Worte wie "Ghul" oder "Monster" erfüllten die Straße. Die Ghula ließ sich nicht beirren und sprang nun an den Häuserwänden hinauf. Light und Karma versuchten währenddessen, die Passanten zu beruhigen. Sie kam fast an den Ayakashi heran, da kam auch ihr diese Stimme in den Kopf. Sie sprach ihm nach, dann gab sie dem Monster den letzten Gnadenstoß.
Der Ayakashi flog sehr hoch, Touka fiel tief, trotzdem landete sie geschickt auf den Beinen und sank hinunter auf die Knie. Wer bist du, Yato?
Die Jungs bewegten sich zu der Ghula und halfen ihr auf die Beine. Zumindest hatten sie es versucht, denn sie knurrte "Ich schaff' das schon alleine."
Sie standen in einer Reihe, kampfbereit. An irgendeinen amerikanischen Film erinnerte sie das, da standen auch die Helden nach einem kleinen Kampf als endlich vereintes Team zusammen. Jetzt fehlte nur noch die epische Musik.
Das Portal schloss sich nicht, entgegen ihren Erwartungen. Es schwebte einfach am Himmel. Gebannt starrten die drei hinauf, neugierig und gleichzeitig beunruhigt. Was wird jetzt passieren?
Ein Wesen in der Größe eines Menschen landete einige Meter entfernt auf der Straße. Die Gestalt war nur teilweise violett gefärbt, man erkannte das Antlitz eines Menschen wieder. Er war etwas kleiner als Karma, seine schmutzige Kopfbehaarung schimmerte bläulich. Teilweise wird sein linkes, menschliches Auge sichtbar.
Karma fixierte die Gestalt erschrocken. Touka wusste, dass sie alle dasselbe dachten. Karma sprach als einziger die Gedanken aus. "Was haben sie mit dir getan, Nagisa!"