»Was wollen wir hier also tun, Sam? Mit finsteren Mächten spielen, um uns die Zukunft weissagen zu lassen?«, frage er mich etwas irritiert.
Ohne lange zu zögern, schloss ich die dicken Vorhänge vor den Fenstern, zündete ein paar Kerzen mit seinem Feuerzeug an und holte einen Beutel aus dunkelblaue Samt hervor.
»Was denkst du denn, wieso wir es hier machen sollten? Niemand wird uns stören.«
Schatten umhüllten uns, während ich bedeutungsschwanger sagte: »Geister unserer Ahnen. Lenkt meine Finger und lässt uns einen Blick erhaschen auf unsere Zukunft.«
Dabei nahm ich dir Karten heraus, deutete Falk an, das Spiel durchzumischen, und legte ein recht einfaches Blatt aus.
Die letzten Wochen hatte ich die Bedeutung aller Tarotkarten auswendig gelernt. Noch dazu, die Positionen im keltischen Kreuz und was wofür das alles stand.
Aber heute war ich bereit, alles auf eine Karte zu setzen.
»Weißt du auch sicher, was du da machst?«, fragte er noch einmal.
Ich nickte ernst und drehte eine Karte nach der anderen um.
Es gab für mich zwei oder drei Schlüsselkarten, welche ideal wären, wenn ich sie zöge. Allerdings erschien auch nach dem 7. Bild nichts davon.
Schnell versuchte ich, ähnlich wie es bei Horoskopen gemacht wurde, allgemeingültige Aussagen über Vergangenheit und Gegenwart zu treffen. Wie schwer doch sein Leben bisher war, was für Ziele und Träume er verfolgen und welche eher verwerfen sollte.
Was ich nicht sagte, war: »Hör auf Karin Ebstein nachzutrauern! Deine Ex-Freundin verdient dich gar nicht und lässt sich von allem flachlegen, was auch nur nach ihr pfeift.«
Plötzlich hatte ich Karte 8 in der Hand. Wie der Blitz durch den Turm durchfuhr mich ein Stromschlag, als ich sie umdrehte. Große Arkane Die Liebenden.
Mein Herz klopfte schneller, als ich Falk in die Augen sah. Mit trockenem Mund beleckte ich meine Lippen und rattert die grobe Bedeutung der Karte herunter, bis mir auffiel, dass sie kopfüber lag. Anders, als sie hätte liegen sollen.
Ich hatte eigentlich nicht versucht, die umgekehrte Wirkung zu erzielen, und stützte einen Moment. Genaugenommen hatte ich mehrfach die Karten kontrolliert, dass sie auch wirklich aufrecht platziert waren, weil ich die andere Bedeutung nicht immer aus dem Kopf wusste.
Zu schnell war es gegangen, dass mein langjähriger Nachbar vorbeischaut und mir sein Liebesleid klagte. Ich hatte nicht mehr die Zeit alle Bedeutungen zu lernen, als ich ihm vorschlug, die Geister zu befragen, ob er sie zurückgewinnen konnte.
Ich wollte es sowieso nicht. Vielleicht war auch nur mein Ego angekratzt. Aber wenn es um sie ging, wurde ich gereizt. Vereinnahmt seine Freundin ihn doch seit Monaten immer mehr, bis sie ihn fallen ließ.
»Was ist los? Sagen die Karten dir irgendetwas?«, fragte er ungeniert, nachdem ich mindestens zwei Minuten nichts gesagt hatte.
Vielleicht wollte das Universum mir etwas sagen.
Mit halb erstorbener Stimme meinte ich: »Die Liebe den liegen falsch herum. Das steht für unerwiderte Liebe. Es ist ein Böses Omen, weil ich keine umgekehrten Karten auslegen wollte. Dazu habe ich zu wenig Übung.«
Eine einzelne Träne rollte meine Wange hinab. Finger wischen sie fort. Doch es waren nicht meine.
»Komisch. Vor einem Jahr noch, da war ich so heftig verliebt in jemanden, der mich so nie ansah«, sagte Falk und zerrieb die Träne zwischen den Fingern.
Ich sah ihn verwirrt an, bis wir uns in den Armen lagen und küssten.
Eigentlich glaube ich nicht an Geister. Mit Tarot hatte ich mich für ein Schulprojekt und zur Ablenkung von meinen dummen Teenagerproblemen beschäftigt. Aber wer weiß, wer hier meine Finger gelenkt hatte.