Eisige Luft umfing meine Haare. Wild und spröde wehte er mir ins Gesicht, zerzauste meinen Pferdeschwanz und peitschte weiter.
Ein lautes Jaulen wurde als Antwort auf eine von mir zuvor gestellte Frage gegeben. Ich wusste wo und wie ich am besten an meine Zielperson herankam. Mit einem gewagten Sprung von dem Metallvogel landete ich weich im Schnee. Spuren lagen vor mir, die genau in die Richtung zeigten, welche ich vor mir hatte.
Viel wusste ich nicht über mein Leben. Ich wurde zum Krieger ausgebildet und nun schickte man mich an einen Ort, den ich zuletzt als Kind gesehen hatte. Aber eigentlich hatte ich keine Ahnung, wohin man mich schickte. Ganz zu Schweigen von dem Grund.
Mit angespannten Muskeln sprintete ich durch die Wildnis des frostigen Waldes. Links und rechts konnte ich, ganz als wollten sie mir Deckung geben, entfernte Verwandte meiner Spezies.
Was hatte mich hierher getrieben? Dass meine Familie ausgelöscht wurde? Vielleicht! Aber auch der Auftrag, welcher mir von meinem Mentor aufgegeben wurde.
Zum Abschied stupst eine Nase mir vorsichtig an die Hand. Mir wird schwindelig vor Angst. Denn wenn auch nur eine Kleinigkeit heute schief gehen würde, kostete mir das Leben und oder Freiheit.
Zaghaft streichelte ich über den Kopf meines Begleiters, bevor ich in die alte Tempelanlage vordrang.
Fast als gehörte ich hierher, schlich ich durch die leeren Gänge. Was erwartete ich auch? Dies wäre meine Heimat unter normalen Bedingungen gewesen. Normal hieß in dem Fall, dass ich eine Familie gehabt hätte. Nun lag hier alles, scheinbar von der Welt vergessen und verlassen da.
Scheinbar traf es ganz gut. Denn hatte mir mein Meister, der mich aufzog wie seine eigene Tochter, erzählt, dass irgendjemand diesen Ort nun wieder belebte. Aber dafür war es bisher viel zu leer gewesen.
Ohne lange zu zögern, rannte ich durch Gänge, bis ich an das Tor zum großen Saal kam. Mein Herz pochte wie wild, als ich, mit Schwert der Hand am Schwertgriff dastand und vorsichtig das Tor öffnete.
Direkt vor mir, schnellten zwei Speere hervor, versperrten meinen Weg und zwei grimmige Gesellen schauten mich an. Sie waren nicht echt. Nicht lebendig! Das sah ich sofort. Magie hatte sie belebt. Stumme Wachen nannte man so etwas früher. Dennoch schallte eine raue Stimme durch die Halle und fragte: »Was ist dein Begehr?«
»Herausfinden, wer sich hier in diesen heiligen Hallen breitgemacht hat und die Heimat meiner Ahnen wieder zurückzuerobern«, versuchte ich möglichst ernst und würdevoll zu sagen. Etwas, was für einen noch nicht einmal ausgewachsenen Kitsune nicht so einfach war.
»Tritt näher, Kind!«, sagte die Stimme und sobald mich die Wachen hindurch ließen, konnte ich auf dem etwas ausgetretenen Teppich näher zur Mitte gehen.
Neun lange Schweife lagen auf dem purpurroten Teppich und glitzerten wie Silber. Spitze Ohren zuckten nach jedem Säuseln des Windes.
Dennoch zuckte meine feine Nase. Es roch nach Rauch. Wenn auch nur sehr entfernt. Vielleicht rührte es von den alten Brandflecken her.
»Wie lange ist das jetzt her, seit die Kinder aus dem Tempel gebracht wurden? 100 Jahre? 150 vielleicht auch schon. Ich bin nicht mehr die Jüngste. Aber du dafür die Erste. Ich hoffe doch, du bist Yukiko«, meinte die Stimme ruhig.
Ich räusperte mich und da sich der alte Fuchs gar nicht anschickte, sich umzudrehen, meinte ich: »Nein! Kyoko ist mein Name.«
Plötzlich, wie ein Geist, drehte sich die Füchsin in ihrem schweren Kimono herum und griff mit ihren Pfoten nach meinen Händen: »Dann bist du das Schwert, welches unsere Prinzessin schützen wird, wenn sie wieder nach Hause findet. Bleibe hier und warte mit mir gemeinsam.«
Darauf zog sie sich wieder zurück und begab sich auf die Knie, wo sie anscheinend zuvor schon gebetet hatte. Was ich erst jetzt sah, waren die unzähligen Tontafeln mit darin eingeritzten Zeichen. Bei allen war daran vermerkt: »Verstorben, beim Versuch den Tempel zu erhalten«.
Dahinter eine riesige, offene Front, durch die feuerrot die Sonne brannte.
Langsam kehrten die erschreckenden Bilder zurück, die nun schon über 100 Jahre zurücklagen. Flammen und wie ich von meiner Mutter fortgerissen wurde. Ich setzte mich hin und schaute mit der alten Füchsin das glühende Rot an, während das Schwert auf meinem Schoss lag. Dabei zuckten meine eigenen drei Schweife ein wenig und ich lauschte in die Stille.
Deshalb war ich also hier!