Ich habe ganz unerwartet ein Privileg erfahren, das absolut nicht selbstverständlich ist. Homba, Belletristican und Sixty-Minutes-Mitstreiterin, hat mir nicht nur geholfen, kleinere Grammatik-, Stil- und Logikfehler aus meinem Text zu entfernen. Ihr Input war so detailliert und ausführlich, und hat zu so wichtigen Änderungen geführt, dass sie eigentlich schon Co-Autorin ist. Danke, Homba. Zeit und Interesse gehören zu den wertvollsten Geschenken, die man einem anderen geben kann.
Barra, die als Munchkin-Fan 'so rumorkt', hat die grundlegende Klangfarbe des Textes verändert, indem sie einen Namen gegeben hat, wo ein Name notwendig war. Und was für ein Name! Danke, Barra!
Der überarbeitete Beitrag zur Sixty-Minutes-Challenge:
***
Der Kommodore steht breitbeinig am Bug der Fregatte, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Goldene Insignien zieren das Revers seiner Uniform. Er trägt kein Barrett. Sie segeln mit hoher Geschwindigkeit im aufkommenden Sturm. Der Himmel hat sich zugezogen. Die Wolken hängen so tief, dass der Hauptmast sie beinahe schneidet. Massiv wie eine Mauer sperren sie die Sonne aus. Der Wind fegt laut über das Deck und schluckt mit ohrenbetäubendem Rauschen alle übrigen akustischen Eindrücke, so dass Kommunikation nur noch rudimentär durch Handgesten möglich ist.
Es ist einerlei. Die Mannschaft aus fünf Gefreiten, zwei Korporals und einem Leutnant weiß, was sie zu tun hat. Die Segel sind zum Zerreißen gespannt. Unter ihrem gewaltigen Zug knarren die Masten gequält. Es existiert kein Schiff, das für solche Bedingungen geschaffen ist, aber die Courage muss nicht länger als zehn Minuten durchhalten. Das ist alle Zeit, die sie benötigen, um ihr Ziel zu erreichen. Unter ihnen rast die Landschaft in monochromem Grau vorbei. Karge Felsen, dazwischen tiefe Schluchten, die Grenzregion zwischen Heimatland und Feindgebiet.
Mit einem Knall reißt ein Tau, das als Teil der Takelage zur Versteifung der Masten dient. Die Enden peitschen mit tödlichem Momentum über das Deck. Der Leutnant steht im Weg und wird von dem Geschoss geköpft. Sein Körper prallt gegen die Reling und bleibt schlaff auf den Planken des Decks liegen.
Das Schiff neigt sich zitternd nach backbord. Der Kommodore richtet den Blick wieder nach vorn. Die Bergkette vor ihm dehnt sich in seinem Blickfeld, wird zu einer massiven Wand aus zerklüfteten Steilhängen. Ein gewaltiges Rucken geht durch die Fregatte, ihr Korpus aus Holz und Metall kreischt. Die Courage geht in den freien Fall. Der Kommodore verliert den Boden unter den Füßen und krallt sich an die Reling, als seine Beine in der momentanen Schwerelosigkeit abheben. Der Sturz endet abrupt, als das Äther-Netz sich stabilisiert, und die Füße des Kommodores kollidieren mit den Planken. Etwas reißt in seinem Knie. Er richtet sich auf. Ein Blick über die Schulter zeigt ihm, dass drei Soldaten am Steuerrad Stellung halten. Der Sturm verursacht Instabilitäten im Äther-Netz. Eine größere Gefahr als der starke Wind, und ihre einzige Chance, dem Feind einen tödlichen Schlag zu versetzen.
Auf einem Bergplateau zeichnet sich unter dunklem Himmel inzwischen deutlich die Silhouette der Werft ab. Die größten, schnellsten und schwersten Kriegsschiffe der feindlichen Flotte liegen vor Anker solange das Unwetter und damit die Fluktuationen im Äther-Netz bestehen. Der Wind überrollt die Courage und ihre Besatzung wie eine Lawine. Er brüllt und donnert. Luft und Schiff vibrieren. Niemand riskiert einen Flug unter diesen Bedingungen. Die Chance, die Werft zu erreichen, bevor die Fregatte an einer Bergwand oder auf dem Boden zerschellt, schätzt der Kommodore auf unter zwanzig Prozent ein.
Noch sind sie auf Kurs. Eine massive Bö rammt wie eine Faust in eines der drei Hauptsegel und reißt es aus der Takelage. Das Schiff bockt erneut, und dieses Mal schleudert die Wucht den Kommodore über die Reling. Er behält seinen Griff um eine der Streben bei, aber sein Unterkörper hängt wie ein Seesack über dem Abgrund. Das Schiff pflügt mit so hoher Geschwindigkeit durch den Sturm, dass der Wind, der gegen den Bug prescht, an ihm zerrt und ihn umherschleudert wie eine Puppe. Mit aller Kraft zieht er sich zurück an Deck und nimmt wieder Position ein, so aufrecht, wie die Gewalt der Windfront es zulässt. Die Luftwaffe seines Landes ist zerstört. Die Verteidigungslinien werden von feindlichen Fregatten, Karavellen und Gleitern überrannt. Die letztmögliche Tat, um die endgültige Niederlage abzuwenden ist ein Vorstoß über die feindliche Linie, zu einem Ufer, das keiner seiner Soldaten zuvor betreten hat.
Wenn das Manöver gelingt, zerstören sie die wichtigste Werft des Feindes und damit beinahe die gesamte kriegstaugliche Flotte auf einen Schlag. Die Konsequenz wäre eine grundlegende Wende in einem Konflikt, dessen zentrale Kriegsmaschinerie auf Grundlage des Äthernetzes agiert. So groß der Vorsprung des Feindes auf diesem Gebiet ist, so wenig ist er auf einen Kampf zu Land vorbereitet.
Kavallerie und Infanterie seines Heimatlands sind stark. Der Gegner hat seinen Fokus während der letzten Jahrzehnte so auf die fortschrittliche Luftschifffahrt gelegt, dass er ohne diese einer klassischen, gut ausgebildeten Landstreitkraft nichts entgegenzusetzen hat.
Sie nähern sich der Werft in rasendem Tempo. Der Wind heult in den Ohren des Kommodores, nur noch dumpf, wie durch Wasser. Er kann die Landungsbrücken erkennen und den Kontrollturm. Gestalten rennen auf Stegen entlang und besetzen Schiffe, die vor Anker liegen.
Zu spät.
Noch einmal sinkt die Fregatte in freien Fall, doch sie sind am Ziel. Aus dem Augenwinkel sieht er, wie zwei seiner Männer das Dynamit zünden und durch die Luke im Deck in den Schiffsbauch werfen. Donnernd kollidiert die Courage mit der Werft.
Die Explosion, die folgt, ist bis weit über die Flanken des Bergmassivs hin zu hören.