Käme ein Reisender durch das Dorf, würde er meinen, es sei Ausgestorben. Keine Menschenseele, außer seiner eigenen würde er durch die heruntergekommenen Straßen wandeln sehen. Rechts und Links Häuser mit löchrigen Dächern und bröckelnden Steinmauern. Wenn ein Windhauch sich hierher verirrte, so würde man wohl in den Genuss eines Jahrhunderte alten Staubes in seinen Lungen kommen. Eingeatmet aus Unwissenheit, was hier einst geschah. Unwissend darüber wofür die Wesen dieses Dorfes einst kämpften. Unwissend über dessen Ausgang und den Verbleib seiner Geschichten.
Nur eines wusste Flynt, jedenfalls wenn es nach den Geschichten ging, die man sich in seiner Stadt erzählte. Wenn ihn nicht alles täuschte, war dies der Ort des ewigen Eises. Das ewige Eis, dass so ewig wohl nicht war. Er hatte nie verstanden, was die Alten so faszinierend an einer Legende voller Widerspruche fanden. Ewiges Eis in einem abgelegenen, staubtrockenen Dorfe. Und doch war er hier, als Reisender, getrieben von seiner Neugierde und wem Willen, allen zu beweisen, was für ein Unsinn das Gerede der Alten war. Es hatte ihn schon immer gestört, wenn Menschen redeten ohne nachzudenken. Von dummem Geschwafel mal ganz abgesehen. Legenden gehörten für ihn dazu.
Er hatte gehofft hier rasten zu können, in einer Kammer der oberen Etage, eines unfreundlichen Gastwirts. Nun würde er noch einige Zeit laufen müssen, entweder in das vier Stunden entfernte Dorf aus dem er kam, mit einigen Leuten, die er zuvor noch mit einem billigen Trick übers Ohr gehauen hatte oder weiter gehen und hoffen, dass der nächste Ort nicht all zu weit entfernt lag.
Er führ sich mit der Hand über sein verschwitztet Gesicht. „Her mit dem dämlichen Eis!“ rief er in die Stille. „Ich könnte eine kleine Abkühlung vertragen.“ sagte er und stellte sich in den Schatten eines der heruntergekommenen Häuser zu seiner linken. Diese verdammte Hitze setzte ihm zu. Normalerweise fühlte er sich wie er aussah, fit und durchtrainiert. Doch allein auf Wanderschaft hatte sein Äußeres gelitten und mit ihm ein Teil seines Egos.
„An deiner Stelle würde ich das Gebrüll lassen, sonst hast du hier schneller viel größere Probleme am Hacken, als die Hitze. Und ganz ehrlich? Ich könnte auch auf den ganzen Stress der dann auf uns zumarschiert kommt verzichten.“ flüsterte ihm eine helle Stimme zu. Er sah sich um, aber er sah niemanden. Jetzt spielte ihm sein Kopf schon Streiche. Warum hatte er nur kein Wasser mitgenommen? Sowas passierte auch nur Leuten, die deutlich wichtigeres im Kopf hatten, wie er.
Er ließ sich gerade auf den Boden vor der Hauswand sinken, als ihn gleich darauf ein hölzender Kochlöffel traf.
„Idiot! Steh auf und komm rein.“
Die Stimme gehörte einer kleinen, molligen Frau, die ihre Schürze straff um ihren Körper gebunden hatte. Flynt traute seinen Augen kaum. Er war sich doch so sicher gewesen, dass in diesem Ort keiner lebte und schlug man ihn energisch mit einem Kochlöffel.
„Was soll der Mist?“ sagte er, während er sich vor der kleinen Frau aufbaute.
„Stell dir die Frage lieber selbst, Bursche. Und hör auf frech zu werden, sonst siehst du gleich, was du davon hast, wenn die Bestien dich zerreißen.“
Sie trat hinter ihn und stupste ihn mit ihrem Kochlöffel in die Richtung aus der sie wohl gekommen war.