Mondstadt. Die Häuser recken ihre Hälse zum Himmel unter deinem allsehenden Auge. Mondstadt. Deine Schlote atmen weißen Dunst, der sich über die Welt legt wie die Flügel eines Falken. Ich würde gerne wieder in deinen Straßen stehen und dein Zittern unter mir spüren, wie du fällst und auferstehst. Die Räder in deinem Inneren drehen sich, treiben deinen Motor an, Zähne greifen ineinander, Dampf steigt, Türme fallen. Nie hat jemand Sterne gesehen über deinen Dächern, der Mond scheint zu hell, du qualmst zu viel. Es ist immer Vollmond hier. Die Erde unter deinen Grundfesten dreht sich nicht, es ist ewige Nacht. Doch von irgendwo habe ich Stimmen gehört, wie aus einem Traum … ein lautes Flüstern, das mir meine Knochen zermürbte. Du redest im Schlaf. Wie tot liegst du manchmal da, aber ich höre dich flüstern mit deiner Stimme wie eine Naturgewalt.
Mondstadt … gelegentlich sehe ich dich noch wenn ich meine Augen schließe und ich bin wieder in deinen Schluchten, unter deinen Dächern. Du vergehst nicht, so viel du auch qualmst und tobst. Wütend kannst du sein, dass man Angst bekommt – den Tag hast du vertrieben in deinem Zorn und die Sterne vom Himmel geschlagen und dann Bäche von Tränen geweint wie ein Kind, das seinen Weltschmerz nicht zu begreifen weiß. Aber ich hatte nie Angst vor dir. Du bist in meinen Knochen, in meinem Blut, dein Flüstern klingt in meinen Ohren. Wie könnte ich vor dir erzittern? Du zitterst in mir.
Der Mond ist ein farbloses Auge im Antlitz des Himmels, den du so schwarz gemacht hast. Wie oft hast du dieses Auge angeschrien, es verwünscht, beschimpft, angefleht? Es hat dir nie geantwortet. Deine Finger tasten noch blind nach den Sternen, deine Schlote dampfen mehr und immer mehr, dein Motor surrt, deine Räder drehen sich schneller, schneller, schneller bist der Rauch in deine Gassen strömt und dich lähmt.
Mondstadt. Du bist alt geworden. Alt und krank, doch du atmest noch, fühlst, lebst.
Und du liegst da, gelähmt, verloren, dein Flüstern verstummt. Ich sehe dich. Deine Stille ist unerträglich. Langsam legt sich der Rauch und versickert im Boden. Etwas regt sich tief unten. Unter deinen Eingeweiden, die aufgehört haben zu arbeiten: die Erde bebt und rumpelt und dreht sich. Der fahle Mond erblasst beim Anblick von reinstem Gold: du siehst die Sonne aufgehen, zum ersten Mal seit tausend Jahren, und du fängst an zu weinen wie du es immer tust, wenn du die Welt nicht verstehst.
Siehst du denn nicht? Der Morgen liegt in deinen zitternden Händen.