Allmählich verbinden sich die Neuronen in meinem Hirn und zünden erste Gedankensplitter. Zwar bin ich weit davon entfernt, die Gedankengänge eines Wales während seines Falles durch die Atmosphäre zu rezitieren, doch fallen mir selbige eines Petunientopfes bei gleicher Situation ein: "Nicht schon wieder."
Dumpfe Geräusche um mich herum. Ich kann sie nicht deuten. Meine Gehörgänge fühlen sich an, als wären sie voller Watte. In meinem Mund schmecke ich Staub. Trocken, körnig und erstaunlich geschmacksneutral. Aller Wahrscheinlichkeit nach rührt das daher, dass ich mit der Nase im Dreck liege. Aus welchem Grund auch immer.
Mit einiger Kraftanstrengung setze ich mich auf und begreife, dass ich mich auf dem Kirmes-Gelände befinde. So einer Kirmes mit Fahrgeschäften, Schießständen, Fressbuden und jeder Menge bekloppter Leute. Aber selbstverständlich muss ich auf der Kirmes sein! Immerhin sind wir dorthin gefahren. Gleich nach unserem fürstlichen Mahl bei Raij, der das neue indische Restaurant in unserer Hood eröffnet hat.
In einigen Metern Entfernung steht eine dunkle Rauchwolke am Himmel. Obwohl sie sich allmählich auflöst, wahrt sie ihre klassische Pilz-Form.
Oha!
Menschen in verschiedenen Stadien panikartiger Zustände rennen durcheinander. Sie schreien und gestikulieren, ohne dass ich den Grund begreife. Eine dicke Frau walzt so nahe an mir vorbei, dass ich beinahe in ihr Schwerkraftfeld gerate. Eine Horde kleiner Kinder hat ihre Eigengravitation bereits eingefangen. Während ihr das blanke Entsetzen in weit aufgerissenen Augen steht, scheint es den kleinen Hosenscheißern einen Heiden Spaß zu machen. Mehrere von ihnen sind über und über mit Zuckerwatte bedeckt und sind sich der Gefahr, von ihren Altersgenossen aufgefressen zu werden, nicht im Geringsten bewusst.
Was ist nur geschehen? Eine Explosion. Unfall? Ein Anschlag gar?
Vorsichtig richte ich mich auf. Obgleich sehr wackelig auf den Beinen gelingen mir zwei, drei Schritte. Links von mir flattern die Reste des Zuckerwatte-Standes im Wind. Ah ja. Nun ergibt der Zustand jener Kinder Sinn.
Ein über und über mit braunem Irgendwas besprenkelter älterer Herr mit wirrer Frisur stolpert aus einem wenn auch flachen Krater, an deren Rändern es leicht kokelt. Obwohl ich nichts höre und kaum verstehe, was meine Augen mir vermitteln, rieche ich sehr wohl, dass er ziemlich tief im Schlamassel gesteckt haben muss.
Standen dort nicht Dixie-Toiletten in Reih und Glied? Hier und da erkenne ich zwischen zahllosen nicht zuordbaren Trümmern Reste blauer Plastikwände. Irgend etwas hat die beliebten blauen stillen Örtchen auseinander bersten lassen. Etwas Gewaltiges!
Mehrere Männer bemühen sich um eine Person, die mitten in diesem ganzen Chaos liegt. Seine Kleidung, sofern noch vorhanden, hängt ihm in Fetzen vom Körper. Kenne ich nicht diesen Typen? Aber ja doch! Jochen!
Nun fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren. Es ist so klar, was geschehen ist. Und irgendwie überrascht es mich kein bisschen. Raij, der Inder, tischte uns richtig gutes und höllisch scharfes Curry auf. Jochen witzelte, dass es wohl zweimal brennen würde. Und so musste es auch gekommen sein, als er während unseres Kirmes-Aufenthaltes die Toiletten aufsuchte. Wahrscheinlich steckte sich der elende Hund bei dieser Gelegenheit noch einen Glimmstengel an, so dass es kam, wie es kommen musste.
Und die Moral von der Geschicht:
Nach scharfem Curry furzt man nicht!
Und nie und nimmer gar bei off'nem Licht!