Ich kauere auf dem unbequemen Eisensitz, beide Daumen auf dem Schmetterlingsabzug des klobigen Maschinengewehres. Langsam schwenke ich die Feuer speiende Waffe auf der schweren Panzerlafette von links nach rechts und von rechts nach links. Der regelmäßige Seitenblick auf die Temperaturanzeige der Wasserkühlung ist in Fleisch und Blut übergegangen. In meinen Ohren dröhnt jede einzelne Zündung. Sieben Mal je Sekunde. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Jede. Einzelne. Sekunde. Klirrend fallen die Patronenhülsen durch das Laufgitter in den Auffangbehälter unter dem Boden. Drei Munitionsschützen zu meiner Rechten garantieren die störungsfreie Munitionszufuhr.
Natürlich sind wir nicht allein! Ich weiß weitere Schützen in diesem und anderen Wagen unseres Panzerzuges. Alle haben eine einzige Aufgabe: den undurchdringlichen Vorhang aus Feuer und Stahl gegen den Schwarm der Schreck aufrecht erhalten.
Ein einzelner ausgewachsener, zwei Meter großer und mit sechs messerähnlichen Beinen ausgestatteter Schreck stellt keine Gefahr dar. In einem gigantischen Schwarm jedoch sind die rein instinktgetriebenen Kreaturen die Höllensaat schlechthin. Dann fallen sie in ein Gebiet ein, fressen alles Organische, unabhängig ob Flora oder Fauna, vermehren sich und ziehen weiter. Gegen einen Schwarm von mehreren hunderttausend Schreck zeigt ein einziges Mittel Wirkung. Massive, alles überwältigende Feuerkraft!
Die Grenzbahn ermöglicht es. Mit Maschinengewehren und Haubitzen ausgerüstete Panzerzüge bringen benötigte Feuer-Überlegenheit dort zum Einsatz, wo sie benötigt wird. Seitdem ging kein Hektar Land mehr an die Schwärme verloren.
Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm.
Wagenkommandant Holm-Hansen klopft mir auf die Schulter und reißt mich aus der Lethargie. Ablösung! Wir Schützen arbeiten im 30-Minuten-Takt. Wohl, um nicht vorzeitig den Verstand zu verlieren. Als ich die Daumen vom Abzug nehme, verliert der gewaltige Klangteppich die Stimme eines Maschinengewehres. Routiniert löse ich die Arretierung meines Sitzes, schwenke ihn zur Seite und mache Platz für meine Ablösung. Um nicht weiter im Wege zu stehen, weiche ich auf die dem Feuerkampf abgewandte Seite des Waggons aus.
In einer Fläche blanken Metalls spiegelt sich mein Gesicht. Es ist schwarz vom Pulverdampf. Als ich die Schutzbrille abnehme, bildet die saubere Haut um die Auge einen geradezu aberwitzigen Kontrast. Gleichzeitig blicke ich in meine eigenen müden Augen. Erschöpft bin ich in der Tat. Benötige eine kurze Auszeit für die Nerven. Und Ablenkung. Für den Geist.
Dem steten kühlenden Luftstrom folgend erreiche ich eine offene Beobachtungsluke. Endlich gelingen mir einige tiefe Atemzüge. Meine Hände berühren den unentwegt vibrierenden Panzerstahl der Bordwand. Einer Eingebung folgend stülpe ich einen neben dem Luk an einem Haken hängenden Gehörschutz über die Ohren.
Mit einem Male herrscht Stille. Ohren betäubende, geradezu überwältigende Stille! Davon tief beeindruckt schaue ich hinaus. Auf den weiten, wolkenlosen Himmel über mir und den tiefen dunklen Wald. Angesichts dieses Friedens gleiten meine Gedanken hin in eine andere Welt, die ich durch Umstände verließ, welche ich nicht begreife. Eine Welt mit Big Macs und Eis am Stiel, Fernsehen, Internet, Flugzeuge und Raketen gar, die Menschen bis in den Weltenraum befördern.
Ein Klopfen auf die Schulter reißt mich brutal aus dem, was einst war. Holm-Hansen ist es, der mich in die Wirklichkeit zurückholt. Ich begreife. Nehme den Gehörschutz ab. Betrete den stickigen Kampfstand und löse den Kameraden hinter dem Maschinengewehr ab. Kontrolliere Patronenzufuhr, Kühlwasseranschlüsse, Wassertemperatur und prüfe den Schwenkbereich der Panzerlafette. Keinen Augenblick später betätige ich den Schmetterlingsabzug. Die Waffe singt ihr Lied. Jede einzelne Zündung dröhnt in meinen Ohren. Sieben Mal in der Sekunde. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Jede. Einzelne. Sekunde.