Es kam, wie es kommen musste. Meine Freundschaft mit Heiner brach. Ein vorhersehbares Ereignis, wie ich zugeben muss. Dabei mag ich Heiner. Er ist ein liebenswürdiger Mensch mit großem Herzen. Gleichzeitig ist dies sein Kryptonit, vor allem in diesen unseren Zeiten. Seit Wochen nun funktionieren keine elektronischen Geräte mehr. Die Versorgung wie auch öffentliche Ordnung sind zusammen gebrochen. Auf den Straßen der Städte herrscht das Chaos. Ganze Straßenzüge stehen in Flammen und die Menschen gehen einander für eine Handvoll Lebensmittel an die Gurgel. Es gilt, das eigene Überleben und das seiner Gemeinschaft zu sichern und absolut vorrangig anzusehen.
Nicht so Heiner. Immer wieder brachte er wildfremde Menschen mit, die zwar nahmen, aber kaum etwas gaben. Andere wiederum pflegten ihre persönlichen Launen, als gäbe es nichts Wichtigeres.
Da war zum Beispiel diese Veganerin. Von tierischen Produkten wollte sie nichts wissen. Gut. Ihre Sache, was sie essen möchte. Doch ständig belehrte sie andere, es ihr gleich zu tun, weigerte sich aber beharrlich, selbst durch die Wälder zu krauchen und Beeren oder Pilze zu sammeln. Was aus ihr geworden ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht sitzt sie nun unter einem Baum und lutscht glücklich an einem Tannenzapfen. Ich würde es ihr nicht neiden.
Einmal schleppte Heiner einen Professor an. Ein blitzgescheiter Mann auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften. Seiner bevorzugten Redewendung "Man müsste mal …" folgten weder Taten noch zeigte er den Willen, praktische Arbeitsleistung zu erbringen.
An jene beiden "Autonomen" kann ich mich noch gut erinnern. Sie waren alles andere als autonom. Völlig unbegabt und klassische Anwärter für den Darwin-Award traf es besser. Beide waren Meister des Gendersprech, aus Prinzip gegen jede ohne sie getroffene Entscheidung und forderten Diskussionsrunden selbst für das unwichtigste Thema. Ihnen fiel es nicht im Traum ein, einfach mal etwas zu "machen". Einer wurde alsbald auf der Straße von einem Mob erschlagen, der andere verschwand spurlos eines Nachts.
Herbert, seines Zeichens Vorarbeiter, war ebenfalls eine Marke für sich. Er verstand es vortrefflich, Arbeiten zu verteilen, Leute anzuweisen und Ratschlage zu erteilen. "Wie, das weißt du nicht?" Selbstverständlich packte er nicht selbst zu, hatte er doch Rücken und musste sich schonen.
Eines Tages schleppte Heiner einen Mann in Nadelstreifenanzug an. Börsenmakler. Narzisst. "Den", sagte ich zu Heiner, "fütterst du mit deiner Ration durch." Das gab Geschrei. Er könne doch nichts entbehren und schließlich sei es doch Aufgabe der Gruppe, dem guten Mann eine Lebensgrundlage zur Verfügung zu stellen. Alle für einen und so. Ja nee, ist klar!
Eine Gemeinschaft funktioniert nur, wenn sich jeder, wirklich JEDER, zu einhundert Prozent einbringt und persönliche Befindlichkeiten hintenan stellt. Dies ist zu begreifen. Danach ist zu handeln. Wer dies nicht vermag, ist kein Teil der Gemeinschaft.
Heiner verstand es nicht. Deswegen kam es auch zum Bruch. Er sah nicht die Endlichkeit unserer Ressourcen und dass sie kaum für uns selbst ausreichen. Wir können es uns nicht leisten, sie mit Außenstehenden zu teilen, ohne uns zu gefährden. Ein Dilemma, fürwahr. Jedoch räume ich dem Überleben eine höhere Priorität ein, als die Selbstaufopferung. Vielleicht liege ich falsch. Die Zukunft wird es zeigen.