Eines schönen Tages kam einmal ein kleines Mädchen zu seiner Mutter. In seinen Händen hielt es ganz behutsam ein kleines Eichhörnchen. Es war verletzt und starr vor Angst.
"Mama!", schrie das Mädchen aufgeregt.
Die Mutter kam schnell herbei geeilt.
"Aber was ist denn los, mein Kleines?"
Da sah sie plötzlich das kleine hilflose Tierchen in den Händen ihrer Tochter.
"Was ist denn mit diesem kleinen Kerlchen passiert?"
"Milow lag an der Straße, ganz hilflos und allein! Da hab ich ihn mitgenommen und ihm versprochen, dass wir gut für ihn sorgen!"
"Das hast du gut gemacht. Und einen schönen Namen hat er auch bekommen!"
Die Mutter sah sich Milows Wunden an. "Das sieht schlimm aus, wir müssen sofort zu einem Arzt."
Schnell packten sie alles Nötige ein und fuhren zu einem guten Tierarzt in ihrer Nähe.
Er untersuchte das kleine Eichhörnchen vorsichtig und stellte fest, dass beide Hinterbeine gebrochen waren.
"Ich muss ihn schnell operieren, denn er wurde angefahren. Ihr könnt ihn morgen bei mir abholen."
Als die beiden zu Hause waren, hofften sie auf das Beste und konnten den nächste Tag kaum erwarten. Sie verfluchten die neue Schnellstraße, obwohl sie dadurch selbst schneller von A nach B kamen. Beim Tierarzt angekommen, bekamen sie Anweisungen für seine weitere Behandlung.
"Wir werden gut für dich sorgen, kleiner Milow!", sprach das Mädchen ihm gut zu.
Einige Wochen lang betteten sie das Eichhörnchen auf einem weichen Kissen und stellten Nahrung und Wasser bereit, bis es langsam gesund geworden war. Immer fröhlicher sprang es durch die Wohnung und schien sich seines Lebens zu erfreuen. Doch Milow konnte natürlich nicht länger in einer Menschenwohnung wohnen.
"Liebes, Milow ist jetzt gesund, wir müssen ihn wieder freilassen.", meinte die Mutter sanft.
"Ja, ich weiß.", antwortete das Mädchen traurig und neigte den Blick zu Boden. Plötzlich fing es an, über das ganze Gesicht zu strahlen.
"Mama, er kann doch mit mir in meinem Baumhaus wohnen!"
Die Mutter wusste nicht, was sie sagen sollte.
"Du kannst einmal versuchen, ob er bei dir bleibt, aber lass ihn gehen, wenn er das möchte."
Das Mädchen nickte eifrig und nahm den kleinen Milow mit auf das Baumhaus.
"Weißt du Milow, Menschen können auch auf Bäumen leben! Mitten in der Natur! Ohne Fernseher und Handy! Papa sagt, dass wir die Welt kaputt machen. Aber jetzt habe ich dich doch gerettet und wir können zusammen in meinem Baumhaus leben, ohne etwas kaputt zu machen!", sprach sie fröhlich vor sich hin.
Oben angekommen, öffnete sie die kleine Box. Milow sprang sofort heraus, schaute sich kurz um und kletterte auf die Schulter seiner Retterin. Sie begann zu lachen und freute sich über ihre kleine Heldentat. Dann machte er einen großen Satz und sprang aus dem Fenster. Nur noch einmal schaute er zurück, bevor er verschwand.
Viele Tage war das Mädchen traurig, es erfuhr von Leuten, die die Tiere quälten und machte sich große Sorgen um Milow. Jeden Tag stieg sie hinauf auf ihr Baumhaus, suchte nach ihm und wartete. Es war doch ihre gemeinsame Wohnung.
"Hast du deinen kleinen Freund gefunden?", brummte ihr Vater von unten zu ihr hinauf.
"Nein! Vielleicht vertraut er mir nicht, weil wir schnelle Autos fahren und er doch angefahren wurde. Außerdem fällen wir so viele Bäume, da kann er doch nur noch zu mir kommen, wenn er noch lebt!", jammerte das Mädchen und brach in Tränen aus.
Der Vater stieg zu ihr herauf.
"Beruhige dich, meine Kleine."
Er nahm sie in den Arm.
"Du hast ihn doch gerettet, das wird er nicht vergessen."
"Dann sieht er in mir keine Gefahr?"
"Aber nein. Wahrscheinlich muss er nur viele Sachen erledigen. Er war ja lange krank."
Das Mädchen beruhigte sich, doch dann schrie es erschrocken auf.
"Iiihh! Eine Ameise!"
"Bleib ganz ruhig! Diese kleine Ameise ist auch nur ein Tier, wie Milow. Muss sie sterben, weil du Angst hast?"
Sie schaute ihrem Vater ungläubig in die Augen, ließ die Ameise aber weiter ihres Weges gehen.
"Nein, das muss sie nicht. Und auch sonst kein Tier!", verkündete sie lauthals.
Der Vater nickte. "Na siehst du. Du kannst den Unterschied machen, jeden Tag aufs Neue."
Sie verstand nicht genau, was das bedeuten sollte, aber sie war entschlossen, noch weiteren Tieren in Not zu helfen.
So wartete das kleine Mädchen jeden Tag auf neue wundervolle Tiere, die sie bestaunen und beschützen konnte. Sie hatte sehr viel Freude daran, vergaß dabei aber auch Milow niemals. Das kleine Baumhaus war eine Wohnung und Zuflucht für viele Tiere, und dabei auch für das Mädchen selbst geworden. Es tat ihr gut.
Und vielleicht sahen sich Milow und das kleine Mädchen eines wunderschönen Tages tatsächlich wieder.