Es war wieder soweit. Der Polizeifunk krachte und krächzte bis die Durchsage kam.
Eine Geiselnahme.
Er hatte schon viele Geiselnahmen gehabt.
Immer das Gleiche.
Er fliegt hin. Die kriegen Angst. Er schaltet den Alpha aus und seine Gefolgsleute ergeben sich.
Seine Kugelsichere Haut und die Fähigkeit in der Luft schweben zu können ermöglichten den mittlerweile in die Jahre gekommenen Mr. Bulletproof selbst die schwersten Ganoven überwältigen zu können.
Wann er damit anfing und überhaupt WIESO hatte er lange vergessen.
Er machte es einfach, denn jemand mit seinen Möglichkeiten musste diese doch zum Guten einsetzen.
Oder?
Er hinterfragte es nie. Die Stadt nannte ihn einen Helden. Und als einen solchen fühlte er sich auch. Sehr lange.
Er überlegte nicht lange und fuhr auf den Stadtberg. Aus seinem alten Benz ausgestiegen, ging er zur Absperrung, die eigentlich verhindern sollte, dass jemand den Hang hinunter stürzte. Erst das linke Bein, dann das rechte Beine über die Barriere. Schon stand er ungeschützt da und konnte die ganze Stadt überblicken. Doch an diesen Ausblick hatte er sich längst satt gesehen.
Er kippte nach vorne und fiel.
Aber nicht lange, da er den Aufschwung des Windes nutzte um seine Richtung zu korrigieren, Richtung Zentralbank.
Bevor er ankam und er gerade über die ganzen Polizeiwägen und SWAT Transportern hinwegglitt überkam ihm schon der Gedanke, dass es dieses mal keine Ganoven mehr waren, sondern seit langem mal wieder echte Berufskriminelle oder vielleicht sogar echte Terroristen.
Er landete sanft auf den Beinen zirka 5 Meter vor dem Eingang des Gebäudes entfernt und schritt darauf weiter zu. Das erleichterte Seufzen aller anwesenden Polizeibeamten und ähnlicher, spürte Bulletproof förmlich im Rücken.
Drinnen angekommen, geht sofort ein Kugelhagel auf ihn los.
Er steht fast schon gelangweilt da und wartet seelenruhig ab, dass das Feuer abbricht.
Und das tut es auch.
Da standen sie, die "Bösen". Zehn an der Zahl. Alle bis an die Zähne bewaffnet, mit Militärausrüstung und Masken, die denen auf einem Maskenball ähnelten.
Alle waren verteilt und bewachten ihre Geiseln und einer hielt einer jungen Dame eine Pistole gegen den Kopf.
Doch verblieb still.
Seltsam.
Normalerweise kriegen die doch alle Panik, scheißen sich in die Hosen und laufen weg, wie die kleinen Mädchen die sie sind, dachte sich Mr. BP.
"Hört mal zu Jungs, Ich-"
SCHUSS
Die junge Frau sinkt leblos zu Boden.
Er hatte sie einfach erschossen, weil er zum Reden anfing?
Der Mann, der scheinbar der Alpha war, zögerte nicht und zog sofort ein weiteres Opfer aus den Reihen der Geiseln an den Haaren hervor, diesmal ein älterer Mann mit grau-weißem Pferdeschwanz und trat dem vor Angst weinenden Mann in die Kniekehle, sodass auch er wie die Frau davor da kniete.
Der heiße Lauf zischte an der Wange des Mannes und man merkte ihm an, dass er mit aller Kraft verhindern musste zu schreien.
Das alles geschah innerhalb einer Sekunde.
Sowohl vor als auch nach dem Schuss war es still. Nur das ängstliche Wimmern der Unschuldigen war wahrzunehmen und Hallte in der Eingangshalle der Zentralbank.
Mr. Bulletproof war zwar stark und kugelsicher, aber absolut machtlos in dieser Situation.
Er hob die Hand und wollte mit dem Finger auf den Alpha zeigen, während er einen Schritt auf ihn zu machte und hatte auch schon Luft geholt, um etwas zu sagen, aber dann schallte der nächste Schuss.
Der alte Mann lag über der Dame.
Beide tot.
Er senkte den Blick vor Scham nichts machen zu können.
Es gibt wohl immer ein erstes Mal, tönte es zynisch wie auch verbittert in seinen Gedanken.
Als er den Blick hob sah er kein ihm überraschendes Bild, nur dass es jetzt ein kleiner Junge war, der den heißen Pistolenlauf am Hinterkopf spürte.
Der Junge sah ihn direkt an.
Direkt in die Augen.
Sein Ausdruck leer.
Als wäre er schon tot.
In Mr. BPs Kopf herrschte ein Durcheinander, nicht fähig zu erahnen, wie er die Geiselnehmer überwältigen konnte.
Dann kam es ihm.
Er drehte sich um.
Und ging.
Seine letzte Schlacht war geschlagen und er ging das erste mal als Verlierer hinaus.
Oder hatte er verloren?
Er hatte verloren, um das Leben des Jungen und vielleicht noch vieler weiterer zumindest im hier und jetzt zu schützen.
Kann man das tatsächlich als verlieren bezeichnen?
Die Tür schwang auf und er blickte in das blendende Licht der Sonne und in die zahlreichen verwirrten Gesichter. Er sah zu dem Oberkommissar hinüber, der über all die Jahre zu einem sehr guten Freund geworden war und schüttelte nur in einer sterbendgeringen Bewegung den Kopf.
Er war zu müde, um auf ewig den Helden spielen zu können oder gar zu wollen.
Er konnte nicht mehr.
Das Leben dieser zwei Menschen in der Bank war verwirkt, weil er sich in seiner Arroganz so sicher war, dass er alle retten könnte.
Sein Blick richtete sich in den Himmel.
Und dann flog er weg.