Die aus trübem Glas gespannte Decke hinderte ein jedes Wort am Hinaufsteigen zu der darüber liegenden Himmelskuppel, sodass das eingefangene Lachen, das Jauchzen und Rufen die hohle Halle in erschütternder Lautstärke überfluteten. Bisweilen wurden auf dem Parkett in der Mitte diverseste Wettkämpfe ausgetragen, zu welchen Matten ausgelegt oder Seile aufgehängt, Hindernisse verteilt wurden; doch war die Anteilnahme des Publikums zu keinerlei solcher Anlässe von derartiger Erhitzung wie jene heutige der Schüler am Tage ihrer Reifung. Jährlich füllten ihre in dem traditionellen Gewand gehüllten Leiber das Tal inmitten der Zuschauerränge, um, sobald die Rede des Vorsitzenden verklungen war und die Sonnenstrahlen im rechten Winkel auf sie hinabschienen, mit heißer Hand die ersehnte, ihnen bestimmte Waffe in der silbernen Manteltasche zu erfühlen. Sodann brach ihrer Stimmen Sturm die lechzende Lautlosigkeit, hastig wandten sie sich zu ihren Nachbarn, teilten sich ihnen sprudelnd mit, führten des Gewandes schicksalhaftes Erzeugnis vor, eilten durch die Menge, Freunde suchend; ein jeder sprach, staunte, atmete rasch.
In ihrer Mitte betrachtete nun ein Junge das gellende Geschehen um sich, die von dem magischen Mantel hervorgebrachte Waffe in den Händen haltend.
Er hatte einen Stift herausgezogen.
Leise war, die fragile Form seines Werkzeuges erblickend, ein Hauchen von seinen Lippen geflossen. In welch Bangen hatte er ebenjenen Tag erwartet! Zu einem jeden Atemzug hatte ihn das Unwissen um seine Bestimmung gepeinigt: ob er sich des Gräuels anzunehmen hatte, ob seine Glieder bald dem Führen eines Schwertes etwa zu dienen hatten? In Ohnmacht, zuweilen in Verachtung gar, hatte er des Nachts die ihm bereitete Kutte betrachtet, sie um ihr Geheimnis - welches doch das seinige war! - angefleht, jedoch war sie stets stumm verblieben, ihn mit dem allzu weiten Schnitt - er würde niemals vermögen, hineinzuwachsen - verhöhnend. Ebenso schweigsam hatte ihr Stoff, die Haut über seiner bebenden Brust streifend, nun einen Stift hervorgebracht. Ihm hatte geschwindelt. Wie erkannte das Kleid, dass die Klingen, Gewehre, Wurfsterne, Gifte ihm zuwider waren?
"Hey, was hast du?" Er wandte sich um. Zwei seiner Mitschüler, ein Junge sowie ein Mädchen, waren zu ihm getreten. Über der ihrigen Brust lag ein strenger Strang, die Sehne eines um ihre Schultern gestreiften Bogens; er umfasste einen unter seinen erregten Händen feuchten Säbel. Seine Klinge berührte die Spitze des in ihren Fingern liegenden, zitternden Pfeils. Kaum vernehmbar keuchte das blendende Metall unter der unsteten Berührung. Rasch sah er von dem schaurigen Spiel auf.
Achtsam, um seine Gabe vor Missgunst zu bewahren, offenbarte er ihnen seine von den langen Ärmeln beschattete Hand. "Einen Stift."
Ihr Lachen durchstach die feine Haut über seinen Rippen. "Das habe ich ja noch nie gesehen!", spottete sie. Schamerfüllt bestätigte sein Inneres ihren Ausruf, war doch auch er zerrüttet von der sonderbaren Schenkung. Ehe ihr Partner sie zu einer weiteren freudig schreienden Gruppe fortzog, säte er mit widerwärtigen Worten einen sengenden Samen. "Damit kann er nichts bewirken."
Der Samen keimte. Womöglich nährte ihn der Umwelt Umgang, womöglich der rauschende Born seiner gleißenden Empfindungen. Die Abgehenden fortwährend anblickend, prägte er sich in höchster Genauigkeit ihre Züge ein; ihre gierigen Gesten woben ein Gespräch um die nächsten Zuhörenden; die Brauen stoben in Erfahrung um die glückliche Gabe ihres Gegenübers hinauf; gefräßig verzog sich ihr Mund zu einem lebhaften Lachen; süße Silben erwuchsen hinabperlend zwischen den Sprechenden, bis sie in dem Schlund der Vergangenheit versickern würden, nichtig, fortgeschwemmt. Der Pfeil in ihrer Hand. Die Furchen, von der Bogensehne in ihrer Bluse gespannt, unmittelbar über dem Herzen. Die sich in der klaren Klinge spiegelnden Scheinwerfer über ihnen, den Schauplatz erhellend. Gemachsam wog sich der Säbel zwischen den fahrigen Fingern im Takt seines Schrittes.
Die Mine strich kühl über seinen Handballen. Er würde sich bemühen, ihr Sein unvergessen zu machen.