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Sie hatte einen derart exzellenten Schnitt nicht erwartet. Das Lächeln der Schulleiterin - zwar erzwungen, dennoch leuchtete es ihr entgegen - empfing sie auf der Bühne, auf welcher sie, das Abschlusszeugnis vor der Brust haltend, der Applaus zahlloser klickender Kameras erfasste, blendete, bestätigte. Kitzelnd rann das Lachen durch ihren Leib, untermalt von einem jeden ihrer von dem eleganten, blauen Kleid umflossenen Schritte.
Vor der großen Halle antwortete sie dankend auf die niederprasselnden Glückwünsche. Einst hatte sie das Schmeicheln, das bestärkende Schmunzeln, das feste Händeschütteln als dränglich empfunden, ehe sie sich daran gewöhnt hatte. Wenige Wochen zuvor war sie volljährig geworden, heute feierte sie ihren Schulabschluss. Es war, als pulsierte ein jeder Sonnenaufgang vor beflügelnden Versprechen.
"Glückwunsch; alles Gute." Wie nichtig der Wunsch des Glückes beinahe erschien, durchströmte sie doch bereits die höchstmögliche Freude, sodass sich ihre Schultern ohne ihr zwingendes Zutun stolz glätteten! Wie könnte sie nicht bereits gänzlich angefüllt von Fröhlichkeit und Kichern sein, erfüllten sich lange währende Wünsche nun, in ebendieser Zeit des Erfolges, des Aufstieges!
"Glückwunsch."
3
Sanft, um die feinen Gläser im Überschwang nicht zu brechen, stießen sie, feiernd mit Sekt sowie Apfelsaft, an, während die Lippen beider sich voll Frohmut - Erleichterung? - weiteten.
Sie würde studieren, eine E-Mail schenkte ihr die Zusage, welcher sie voll Hoffnung geharrt hatten. Mit jenem Schreiben sollte ihr Erstrahlen beginnen, ihr Intellekt reifen, Brillanz vorhergesagt werden. Süß, eine leise Vorahnung, rann der Saft in ihrem Mund. Sie würde sich von vergangenen Pflichten lösen, um sich neuer anzunehmen und ebendiese mit liebevollen Fingern zu umfassen, da die bevorstehenden Aufgaben fortan nicht länger den Zaum eines Systems darstellten.
Leise klagte eine schwache Stimme, ob tatsächlich all ihr Sein sich in ihrem Lächeln bündelte, als ein Klingeln die Ankunft weiterer Gratulationen ankündigte.
"Glückwunsch."
2
Ein jedes Wort umfasste ihre bangen Schultern, schmiegte sich an sie und erweckte ein Seufzen in ihrer Kehle, als bildeten die Silben den Takt einer phantastischen Poesie, welche in den wohlklingenden Sätzen schließlich zu einer Symphonie erstarkten. Ihre Hände bebten. Weshalb erschütterte sie das schriftliche Lob derart, dass sie sich ihm entgegenzuwerfen wünschte, sich in ihm ewiglich zu betten ersehnte, hatten erbauende Worte sie doch stets geängstigt?
Ihr Aufsatz sei ausgezeichnet - wüsste der Dozent doch um ihr Ringen mit einer jeden Fragestellung, wüsste er doch um ihre Furcht vor einem jeden Absenden -, jedoch habe sie sich weitaus mehr während der Vorlesung zu beteiligen, sie sei zu schweigsam.
Glückwunsch.
1
Triefend verschwamm die heimatliche Aussicht hinter ihrem Fenster. Das Grün des Waldes mengte sich zu einer konturlosen Masse, in welcher der Fensterrahmen in den Wänden des Zimmers niedersank. Wenngleich sie sich des Sommers sicher war, da die Bäume Kronen aus lebendigen Blättern trugen, umschloss sie das zu einer Einheit verschmolzene Umfeld frostig.
Ihr von kalter Haut überzogener Leib war nicht länger in diesem Augenblick verankert, fortgezerrt war ihr Fleisch, weit in den schlingenden Schlund des Umliegenden, verborgen inmitten seiner Schemen, der Schatten, schlummernd, schwindend. Ein Rauschen, in dem um sie erwachsenden Abgrund war Bewegung. Womöglich entsprang der Ruf dem Reiben eines Reifens auf dem Asphalt. Womöglich durschnitten die Federn an eines Vogels Flügel die Luft hinter dem Glas ihres Blickes, womöglich hallte die Erinnerung ihres rinnenden Blutes in ihrem Ohr wider.
Wo war sie? Weshalb war sie hier?
Ihr Blick verfinsterte sich einige Male rasch, während ein jedes Wiedererscheinen ihn stetig aufklarte - sie blinzelte. An der Wange verspürte sie ein feuchtes Rinnsal, weiter hinabtaumelnd, dem Pfad des Kiefers bis zu dem Kinn folgend, dort einhaltend.
Zerrüttet wandte sie das Haupt von dem Fenster, nach vorne. Gewiss, der Laptop. Der Schreibtisch. Die Klausur.
Glückwunsch.
