Die Sonne schien durch die Wolkendecke auf unser kleines Dorf herab und ließ die vom Licht getroffenen Schneeflocken wie Glitzer schimmern.
Ich kniete gerade vor meiner vierjährigen Tochter, um ihre Winterjacke zu verschließen, damit ich mit ihr nach draußen gehen konnte. Sie ist ein kleines Ding, das mir nicht einmal bis zur Hüfte geht. Die langen rotorangen Haare hat sie von ihrer Mutter und die großen, blauen Augen hat sie von mir geerbt. Eine kleine Stubsnase und große Wangenknochen ließen ihr Gesicht rund wirken. Die Kleine ist voller Energie, ein kleiner Frechdachs eben, aber trotzdem immer höflich. Ihr Name ist Anna.
Als die Jacke zu war und wir zum Aufbruch bereit waren, streichelte ich Anna noch über ihre schwarze Haube und wir grinsten uns gegenseitig an.
Ich öffnete die Tür beim Aufstehen und sobald sie weit genug offen war, flutschte Anna durch den Spalt und warf sich in den nächsten Schneehaufen in unserem Garten.
Sofort eilte ich ihr hinterher und bis es dunkel wurde, spielten wir im Schnee, machten eine Schneeballschlacht und bauten einen Schneemann.
Anna vergrub mich gerade im Schnee, als sie plötzlich wegrannte. Ich musste meinen Kopf nach hinten verrenken, um zu sehen, wohin Anna gelaufen war.
>> Mama, hilf mir. << rief sie aufgeregt und zeigte auf mich, wobei sie ihre Mutter in meine Richtung zog.
>> Liebend gern, Kleines. <<
>> Hey Stella. <
Sie kniete sich auf den Boden hinter meinen Kopf, so dass ihre Knie auf der Höhe meiner Ohren waren. Ihre roten schulterlangen Haare umschlossen mich, als sich ihre Lippen meinen näherten. Es war ein schlichter Kuss, der aber voller Liebe war.
Als wir dann schließlich wieder ins Haus gingen, wurde es für Anna schon bald Zeit, schlafen zu gehen und für mich, sie in ihr Bett zu bringen.
Im Haus hängten wir unsere Jacken an der Kommode neben der Türe auf und zogen die vom Schnee nassen Schuhe aus.
Unser Zuhause setzte sich aus dem Erdgeschoss mit Wohnzimmer auf der linken Seite und der Küche auf der rechten Seite, einem oberen Stockwerk mit zwei Schlafzimmern, eines links das andere rechts, und einem Badezimmer in der Mitte zusammen.
Die Möbel aus hellem Holz und die warmen Farben, gaben dem Ganzen ein Ambiente, in dem man sich gerne aufhielt. Ich kam immer wieder gern nach Hause, allein schon, weil sich hier meine Familie und der Mittelpunkt meines Lebens befand.
Während Anna und ich uns zurückzogen, um noch eine Weile zu spielen, ging Stella in die Küche, um das Abendessen zu kochen.
>> Soll ich dir wirklich nicht helfen, Schatz? <
>> Nein danke. Es ist nicht viel Arbeit und ich mag das. <
Draußen begann währenddessen ein Unheil bringender Schneesturm zu toben. Der Wind schlug die wirbelnden Schneeflocken an die Scheibe.
Anna rannte zum Fenster, um hinauszusehen, stolperte und flog geradewegs auf die Nase.
>> Nichts passiert. <
Es war stockdunkel geworden. Fasziniert blickten wir zwei hinaus, beobachteten das rege Schneetreiben. Plötzlich wurde es für den Bruchteil einer Sekunde sehr hell, als ein Blitz in der Nähe einschlug. Der darauffolgende Donner hallte durch die Nacht, was mir einen Schauer über den Rücken fahren ließ.
Anna erschrak bei dem lauten Knall und fing an, laut zu lachen. Sie gluckste dabei.
>> Essen ist fertig, ihr zwei. <
Stella hatte sehr blasse Haut, was sie im Gesicht sehr dünn wirken ließ. Ihre sanften Gesichtszüge wurden durch eine Stubsnase verziert, woran mehr erkennen konnte, wie Annas Nase eines Tages aussehen könnte. Sie trug eine Kochschürze, darunter einen grünen Strickpullover und eine enganliegende, blaue Jeans, die ihre langen Beine zur Geltung brachte. 175 cm groß und mit Muskeln ausgestattet, die man ihr nicht ansah, denn sie ist halb Feuerdämon, halb Engel. Diese Kreaturen wurden Nephalem genannt und waren sehr selten, weil sie von Engeln und Dämonen gleichermaßen gejagt wurden, was sie mir sehr lange verschwiegen hatte.
Gemeinsam gingen wir in die Küche und setzten uns an den eckigen Tisch, der an einer Seite an einer Wand stand. Der Tisch war bereits gedeckt. Es gab ein saftiges Stück Fleisch, angerichtet auf grünen Salat mit einem dunklen Dressing.
>> Erzähl Schatz, wie war dein Tag? <
>> Erzähl ich dir dann unter vier Augen. <
>> Aber ich will es auch wissen, Mama. <<
>> Dafür bist du noch etwas zu klein. <> Wenn du größer bist, erzähle ich es dir. Dann darfst du auch länger aufbleiben. <<
>> Wann bin ich denn größer? <<
>> Das sag ich dir dann noch, versprochen. <> Nun wird aber mal gegessen. <<
Eine Stunde später, nachdem ich Anna ins Bett gebracht hatte, saßen Stella und ich bei gedimmten Licht am Küchentisch.
>> Samael ich habe vom Direktor der Schule gehört das Kinder verschwunden sind. <
>> Wo hat es angefangen? <<
>> In einem kleinen Ort hoch oben im Gebirge … Ich glaube, der Name war Faris. <<
>> Das ist nicht so weit weg. Weiß man denn nicht, wer oder was dafür verantwortlich sein könnte? <<
>> Man weiß nichts Genaues. Ein Wesen ist es wohl. Es soll durchsichtige Flügel haben, sagen die Leute zumindest. << seufzte Stella.
Ich stand vom Tisch auf und legte ihr meine Hand aufmunternd auf die Schulter: >> Wir sollten schlafen gehen und nicht mehr so viel darüber nachdenken. <<
Stella folgte mir die Treppe hinauf, wo sich unsere Wege trennten. Sie ging noch ins Bad, ich ins Schlafzimmer.
Nach einiger Zeit hatten wir auch die Plätze getauscht, sodass auch ich Zähne putzen konnte und trafen uns im Bett wieder, um das Licht zu löschen und zu schlafen.
Das Letzte, das ich in dieser Nacht sah, war ein Schatten am Fenster.