Anm. d. Aut.: Diese Geschichte wurde für die »Wochen-Challenge« von Sira-la geschrieben. Die Vorgaben sind zur Vermeidung von Spoilern am Ende des Kapitels.
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There And Back Again
Yorkfort, 29. November 2021, 10.16 am.
Die TARDIS materialisierte auf dem U.N.I.T.-Campus. Die Tür ging auf, und ein kleiner Mann im Anzug, mit Fliege und dunklem Wuschelhaar schaute neugierig hinaus. Plötzlich entdeckte der Doktor ein bekanntes Gesicht und strahlte, als er auf die Person zuging, die gerade über den Hof kam. „Sergeant Benton! Wie schön, Sie zu sehen!“
„Doktor!“ Überrascht ließ sich der Soldat die Hand schütteln und lächelte. „Wo kommen Sie denn her?“
„Och, nur von einem kleinen Trip bei den Pferdekopfnebeln.“ erzählte der Timelord. „Mir ist die Lust ein wenig vergangen, nachdem ich drei Wetten verloren habe.“
„Pferdewetten?“ erkundigte sich John Benton erstaunt.
„Was denn sonst? Es heißt ja nicht umsonst »Pferekopfnebel«, und nicht »Schweinekopfnebel«.“ Der Doktor klopfte John kameradschaftlich auf den Arm. „Was halten Sie von einem kleinen Trip? Irgend etwas aufregendes.“
„Na, ich weiß nicht, Doktor. Das Angebot ist verlockend, aber…“ wehrte der große Soldat ab.
„Aber? Was zieren Sie sich denn so?“ versuchte der Doktor, seinen langjährigen Freund zu animieren.
„Naja, wissen Sie, morgen ist doch Leelas Geburtstag. Und da muß ich unbedingt wieder zurück sein!“ erklärte der Sergeant.
„Ah, darum geht es.“ verstand der Timelord. Mit verschwörerischem Lächeln legte er den Arm um den jungen Mann. „Keine Sorge. Wir werden genau zu dem Zeitpunkt zurückkehren, von dem wir gestartet sind, und Sie haben keinerlei Zeitdifferenzen.“
„Und das ist wirklich sicher?“ erkundigte sich John skeptisch. „Ich meine, so weit ich gehört habe, gelingt die Landung der TARDIS nicht immer paßgenau.“
„Ach was, ich habe alles unter Kontrolle.“ behauptete der Doktor. „Also, was ist, sind Sie dabei?“
„Ich weiß nicht… Können wir nicht doch vielleicht lieber erst in zwei Tagen…?“
„Da bin ich leider schon auf einem anderen Geburtstag eingeladen…“ bedauerte der Doktor. „Kommen Sie schon, Sergeant. Jetzt oder nie! Da kann gar nichts schief gehen!“
John atmete durch, ging einmal in sich und traf eine Entscheidung. Die Aussicht auf einen Trip mit dem Doktor war zu verlockend. „Na gut!“
Der Doktor schlug sich euphorisch in die Hände und ging vor, bevor der Soldat seine Meinung ändern konnte. Bei der TARDIS angekommen machte er eine einladende Geste.
John fragte sich ein letztes Mal, ob es so eine gute Idee war, doch jetzt war es zu spät. Die TARDIS-Türen schlossen sich hinter ihm. Der Doktor trat an das Kontrollpult des Raum-/Zeitschiffs und sah sich euphorisch in der Datenbank um. „Also, wollen mal sehen, wo wollen wir denn mal hin? Etwas entspannendes, etwas aufregendes, etwas erotisches, etwas amüsantes…?“
Johns Blick glitt von der schlichten Inneneinrichtung zu seinem Gastgeber, deutlich erstaunt. „Etwas erotisches?“ hakte er ungläubig nach.
„Ja? Das soll es also sein?“
Als der Doktor Koordinaten setzte, überkam John die Panik. „Nein, nein, nein, so war das nicht gemeint! Das war kein Vorschlag, eher im Gegenteil!“ Im Affekt schlug er dem Timelord auf die Finger, als er noch die Koordinaten zu einem Zielort eingab.
Der Doktor sah sich das Ergebnis nachdenklich an. „Hm. Na gut, schauen wir mal, wo uns das hinbringt.“ Damit löste er den Startvorgang aus, bevor John auch nur irgendwie reagieren konnte.
„Aber…“ brachte der Sergeant nur hilflos hervor, als sich die TARDIS schon in Bewegung setzte.
„Das sind jetzt Ihre Koordinaten, Sergeant!“ lächelte der Doktor. „Wir dürfen gespannt sein, was uns erwarten wird.“
„Aber…“ John war einem Zusammenbruch nahe. Die TARDIS ruckelte bedenklich. „Ich wollte doch nur verhindern, daß Sie irgendein erotisches Ziel eingeben!“
„Oh, das haben Sie auch!“ bestätigte der Doktor. „Es sei denn… hinter den neuen Koordinaten verbirgt sich auch eins…“
John verdrehte unverhohlen die Augen. Es war also klar, daß keiner von ihnen wußte, wohin die Reise führte.
Der Doktor sah ihn entschuldigend an. „Bei allem was kommt, denken Sie immer daran, wir werden immer zu dem Ausgangspunkt zurückkehren, von dem wir gestartet sind.“
„Der einzige Trost.“ kommentierte John.
Die beiden Männer horchten auf. Die TARDIS setzte zur Landung an…
Die Tür der TARDIS öffnete sich vorsichtig. Auf alles gefaßt sahen die beiden Männer hinaus. Während John noch darüber nachdachte, ob er glauben sollte, was er sah, verließ der Doktor begeistert die Zentrale der TARDIS und sah sich um. Vor ihm lag ein weiter Sandstrand vor einem endlosen blauen Meer. Sonnenschirme, Cocktailbars und Liegestühle empfingen die beiden Besucher.
Der Doktor sah sich um und versuchte, sich zu orientieren. Es gab überwiegend blauhäutige Humanoide mit einem Federschwanz hier, auch hinter den Tresen hatte diese Spezies den größten Anteil. Plötzlich schnappte der Timelord nach Luft. „Das hier muß der Planet Tropicana sein, ein wahrlich galaktisches Ferienparadies!“ Er wandte sich begeistert zu dem überforderten Sergeant um und schüttelte ihm die Hand. „Was für eine wundervolle Idee! Ich bin noch nie hier gewesen! Lassen Sie uns die Zeit genießen!“
„Solange ich rechtzeitig zu Lias Geburtstag zurück bin, ist mir alles recht!“ erinnerte John verheißungsvoll, ohne darauf einzugehen, daß er mit dem Reiseziel eigentlich gar nichts zu tun hatte. Immerhin, der Ort, an den es sie verschlagen hatte, gefiel ihm. Er war so schön ungefährlich, und das in jeder Hinsicht!
„Keine Sorge, Sergeant. Wir können so lange hier bleiben, wie wir wollen. Wir kommen zu dem Zeitpunkt zu Hause an, zu dem wir gestartet sind.“ versprach der Doktor.
John sah sich in dem paradiesischen Szenario um und biß sich leicht auf die Unterlippe. „Na gut, gegen so einen Nachmittag am Strand habe ich nichts einzuwenden…“
„Das ist doch ein Wort!“ Strahlend schlug der Doktor die Hände ineinander. „Kommen Sie! Sehen wir uns um. Dort drüben kann man Eis kaufen…“
Der Doktor hatte nicht zu viel versprochen. Es hatte Eis gegeben und Cocktails, Beachvolleyball, schwimmen und sonnen am Strand, und der Timelord hatte eine Übernachtung vorgeschlagen, um einem Jetlag vorzubeugen. Nach einem wundervollen Strandfrühstück waren sie wieder aufgebrochen, und John beglückwünschte sich dazu, dem Doktor instinktiv so elegant in die Parade gefahren zu sein.
Nun setzte der Doktor die Koordinaten für den Heimflug, und John freute sich schon. Er mußte noch ein bißchen was für Leelas Geburtstag vorbereiten.
Der Rückflug verlief glatt, und der Doktor behielt die Anzeigen im Auge. „So, die Zeit kommt genau hin.“ stellte er zufrieden fest, als die TARDIS gelandet war.
John sah aus der Tür auf den Hof. Es war genau die Position, von der aus sie gestartet waren, aber… „Als wir aufgebrochen sind, sah es hier noch ganz anders aus.“ bemerkte der Sergeant, als er den Blick über die Jeeps schweifen ließ, die bei ihrem Reiseantritt definitiv noch nicht hier gestanden hatten. „Sind Sie sicher, daß Sie die richtige Zeit erwischt haben?“
„10.16 Uhr morgens, definitiv, aber…“ Nachdenklich checkte der Doktor die Anzeigen. „Oh je. Ich fürchte, wir sind schon im Dezember!“
„Was?“ Aufgeschreckt wirbelte John zu dem Doktor herum.
„Ja. Nicht weit vom Ziel entfernt, aber ich fürchte, wir sind in der ersten Dezemberwoche gelandet.“
„Das ist nicht Ihr Ernst!“ Mit deutlich blasser Gesichtsfarbe trat John an den Timelord heran. „Doktor, Sie haben mir fest versprochen, daß wir da ankommen, wo wir gestartet sind! Das ist wichtig für mich! Ich kann doch auf dem Geburtstag meiner Freundin nicht einfach so verschwinden!“
Der Doktor machte eine beschwichtigende Geste. „Nur die Ruhe, Sergeant. Das bedarf nur einer kleinen Korrektur.“
Ein wenig ängstlich beobachtete John, wie der Doktor die Eingaben etwas anpaßte.
„So, das müßte es sein.“ Er startete die TARDIS, und setzte gleich wieder zur Landung an. „So, nur ein Ausgleich in der Zeitdifferenz. Ich sage doch, kein Grund zur Panik.“
John öffnete vorsichtig die Tür. Alles sah so aus, wie er es in Erinnerung hatte. An der Seite unterhielten sich zwei Soldaten. Aber ein Zeitversatz von wenigen Minuten war in Ordnung, solange der Tag stimmte.
„Haben Sie Miss Comstock heute schon gesehen?“ erkundigte sich einer der Soldaten. „Sie gibt immerhin etwas zu ihrem Geburtstag aus.“
John schauderte, als er das Gespräch unwillkürlich mit anhörte. „Entschuldigung!“ rief er aus der TARDIS zu seinen Kameraden herüber. „Welchen Tag haben wir heute?“
Die beiden Männer sahen ihn mit einem Lächeln an, das an seinem Verstand zweifelte. John deutete verzweifelt auf die TARDIS, und so erbarmte sich einer seiner Kollegen. „Den 30. November. Sag jetzt nicht, du hast deiner Freundin noch nicht gratuliert!“
John wirbelte zu dem Doktor herum, und seine Wangen glühten. „Doktor, wir sind jetzt auf ihrem Geburtstag zurück! Nicht davor!“
„Na, dann haben wir doch zumindest schon mal den richtigen Tag erwischt.“ Der Doktor sah John hoffnungsvoll an. „Können Sie nicht etwas daraus machen?“
John stand kurz davor, den Timelord anzuspringen. „Wohl kaum, wenn ich sie heute morgen mit einem Kuß wecken wollte!“ knirschte er.
Das verlegene Lächeln des Doktors rutschte automatisch ab. Er hüstelte leicht. „Okay, ich verstehe das Argument. Keine Sorge, ich passe die Koordinaten eben an.“
Wenn John von einem nicht frei war, dann von Sorge. Er nahm sich jetzt schon vor, sollte die TARDIS früher landen als zu dem Zeitpunkt ihrer Abreise, würde er keine Kompromisse machen, sondern sich auf dem Campus verborgen halten, bis sein früheres Ich in der TARDIS verschwand, und er übernehmen konnte.
Der Doktor löste den neuen Start- und Ladevorgang aus, der von der charakteristischen Geräuschkulisse begleitet wurde. Sorgfältig checkte er die Daten. „29. November… 10.16 Uhr.“
John schlug das Herz bis zum Hals, als er zur Tür lief. Als er hinaussah stockte ihm der Atem. „Was ist das denn…?“
Der Doktor trat an seine Seite und sah zu dem Gebäude hinüber, auf das der Sergeant deutete. „Das ist die neue Kommunikationszentrale! Warten Sie… Die existierte ja erst ein Jahr später.“ Er sah noch einmal auf seine Anzeigen und drehte sich zu seinem Begleiter um. „Wir sind im Jahr 2022. Ist das schlimm?“
John zitterte. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst!“ entfuhr es ihm tonlos. Er versuchte krampfhaft, die Fassung zu bewahren. „Als ich sagte, ich möchte genau an den Zeitpunkt zurückkehren, von dem wir gestartet sind, meinte ich den Tag, den Monat, und das Jahr!“ Zum Schluß hin hatte er nicht vermeiden können, die Beherrschung zu verlieren.
Der Doktor hob die Augenbrauen. „Schon gut. Es war ja nur eine Frage.“ Er gab noch einmal die Wunschkoordinaten des Soldaten ein und löste erneut einen Start- und gleich darauf einen Landevorgang aus. „Wie sieht es jetzt aus?“
John öffnete die Tür der TARDIS. „Es schneit, Doktor.“ gab er müde zurück.
„Oh, das hat aber schnell angefangen.“ kommentierte der Timelord.
„Wir sind nicht auf dem richtigen Tag.“ gab John zurück. „Es hat am richtigen Tag nicht geschneit. Nicht mal den Tag danach. Den konnten wir uns ja auch ansehen. Und demnach hier muß es schon seit Stunden schneien.“
Der Doktor sah auf seine Anzeigen. Plötzlich stutzte er verlegen. „Oh, äh… Meinten Sie einen Tag vor dem Geburtstag von Miss Comstock, oder vor Ihrem Geburtstag, Sergeant…?“
Das war zu viel für John. Der sonst so gestandene Soldat brach in Tränen aus, ließ sich an der Wand der TARDIS-Zentrale zu Boden sinken und verbarg das Gesicht in den Armen. „Wir werden nie zum richtigen Zeitpunkt nach Hause zurück finden. Lia wird mich hassen. Ich werde mich nie wieder auf solche Experimente einlassen!“
„Na na, so schlimm ist es doch nun auch nicht.“ versuchte der Doktor, ihn zu beruhigen. „Wir probieren es einfach noch mal!“
„Wir haben es schon so oft probiert.“ erinnerte John totunglücklich.
Der Doktor dachte nach. „Ich hätte da eine Idee. Auch das hat bei unserer Reise schon einmal geklappt.“
John sah schniefend auf. „Was meinen Sie?“
Der Doktor gab ihm einen Wink. „Kommen Sie her.“
Obwohl er nicht sonderlich überzeugt war von dem, was in der TARDIS passierte, kam er der Aufforderung nach.
Der Doktor machte etwas Platz. „Geben Sie einfach die Koordinaten ein! Sie scheinen ein Händchen dafür zu haben.“ Er lächelte den Sergeant gewinnend an.
John schaute skeptisch. „Und was ist, wenn dann der Zeitpunkt stimmt, aber der Ort nicht?“
„Ein bißchen Risiko ist immer dabei.“ Der Doktor deutete auffordernd auf die Kontrolleinheit.
John atmete tief durch und gab dann sein Wunschziel ein. Er durfte sogar den Startvorgang auslösen und anschließend wieder landen. Seine Hände zitterten, als die TARDIS stand.
Der Doktor sah auf die Anzeigen. „29. November 2021, 10.16 Uhr.“ Er gab seinem Gast mit einem Blick zu verstehen nachzusehen, ob alles geklappt hatte.
Nervös ging John zur Tür und warf einen vorsichtigen Blick hinaus. Alles war so, wie er es in Erinnerung hatte, als er den Doktor getroffen hatte. Erleichtert verließ er die TARDIS.
Der Doktor lehnte sich in die Tür und schmunzelte. „Ich sagte doch, wir kriegen das hin!“
John war fix und fertig. „So etwas mache ich nie wieder, Doktor. Das war das schlimmste, was ich je erlebt habe! Ich lasse mich von Ihnen nie wieder zu so etwas überreden!“
Der Doktor lächelte versöhnlich. „Grüßen Sie Miss Comstock von mir.“ Damit verabschiedete er sich, und die TARDIS verschwand.
John fragte sich eine Sekunde lang, ob er das wirklich erlebt hatte. Ein Blick zur Uhr bestätigte ihm, daß er genau da war, wo alles begonnen hatte – genau an dem Ort, zu der Zeit. Vielleicht wurde er auch einfach nur verrückt! Doch wie auch immer es war, jetzt konnte er sich um die letzten Geburtstagsvorbereitungen für Leela kümmern. Mit rasendem Puls setzte er seinen Weg fort. Wobei er sich nicht ganz sicher war, warum sein Puls so raste – weil er an seine Freundin dachte, oder weil er dem Abenteuer mit dem Doktor glimpflich entkommen war…
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Die Vorgabe für Kalenderwoche 48/2021 von mir mit Zusatzaufgabe von Sira-la war:
Schreibe eine Geschichte, die an dem gleichen Zeitpunkt endet, an dem sie beginnt. Wie das umgesetzt wird, ob durch eine Zeitreise, ein Flashback, das Anhalten der Zeit, whatever, bleibt euch überlassen.
Aufgabe: Irgendwann in der Geschichte soll es schneien.
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