Narey erwachte an diesem Donnerstag so, wie es sich wahrscheinlich jede Person wünschen würde. Die Sonnenstrahlen schlichen sich durch einen Spalt zwischen den Vorhängen, und wärmten sein Gesicht, ohne ihn aber zu blenden. Blinzelnd streckte er sich in seinem weichen Bett und genoss das Ausklingen des Schlafes, der so erholsam war wie lange nicht mehr. Er beschäftigte sich nicht mit der Frage, wie ihm das gelungen war. Stattdessen freute er sich einfach über diesen überaus zufriedenstellenden Umstand, der es ihm nun ermöglichte, die Augen zu öffnen, ohne sich gleich wie ein Zombie zu fühlen. Hinzu kam die Freude darüber, dass er nicht für die Arbeit aufstehen musste, natürlich nicht zu knapp.
Also brummte er zufrieden, bevor er seinen Kopf nach rechts wandte... und erstarrte. Zwei tiefgrüne Augen blickten ihm mit einem amüsierten Funkeln entgegen und eine Sanftheit, die Narey noch nie zuvor gesehen hatte, zeichnete sich auf den markanten Gesichtszügen ab. Da dämmerte es ihm und er musste über das ganze Gesicht grinsen, während sich bei der Erinnerung an die letzte Nacht eine leichte Röte auf seinen Wangen ausbreitete. Das war also der Grund für seinen tiefen und ruhigen Schlaf gewesen.
„Guten Morgen“, murmelte er schließlich lächelnd und streckte sich dem anderen entgegen, um einen sanften Kuss auf dessen Lippen zu platzieren. Kräftige Arme legten sich locker um seinen nackten Oberkörper, woraufhin Nareys Haut eine Gänsehaut überzog und er erneut zufrieden seufzte.
„Gestern war der beste Tag meines Lebens“, raunte ihm eine Stimme ins Ohr und Narey lachte auf, nickte zustimmend und vergrub seine Nase in der Halsbeuge seines Freundes. Dieser Aussage konnte er definitiv zustimmen. Am vergangenen Tag hatten sie sich noch als beste Freunde getroffen, bis er sich endlich einen Ruck gegeben hatte. Es hieß doch immer, dass man seine Zuneigung lieber gestehen sollte, um Gewissheit zu haben, anstatt sich für durchgehend die Frage zu stellen, was die andere Person wohl empfand. Leichter gesagt, als getan, aber geschafft hatten sie es trotzdem – nach 7 Jahren tiefer Freundschaft.
„Ich liebe dich, Narey!“, wisperte Colins Stimme erneut in sein Ohr. Narey drückte sich ein wenig weg, um seinem Partner in die Augen zu sehen. „Ich liebe dich auch“, entgegnete er und drückte dem Schwarzhaarigen noch einen Kuss auf den Mund. Dann ließ er sich in die Kissen zurücksinken und atmete tief durch.
Es war einfach perfekt. Wäre da nur nicht dieser Geruch gewesen. Er rümpfte die Nase und sog die Luft ein. Schlaftrunken wie er war, brauchte er einen Moment, um sich dessen bewusst zu werden, was er da roch.
Dann schrak er aus dem Bett hoch und sah Colin entsetzt an, welcher ihm verwirrt entgegensah und sich ebenfalls im Bett aufrichtete. In einer anderen Situation hätte Narey aufgrund der wunderbaren Aussicht auf den Oberkörper seines Freundes gleich einmal einen hormonbedingten Aussetzer seiner rationalen Gedanken gehabt, doch nun lenkte ihn dieser überaus penetrante Geruch nach Rauch ab.
„Rauch! Ich rieche Rauch“, stieß er gehetzt aus und sprang aus dem Bett auf. Er machte sich nicht einmal die Mühe, ein T-Shirt anzuziehen oder sich die Jogginghose anzuziehen. Stattdessen rieß er die Schlafzimmertür auf, rannte nur mit der Boxershorts bekleidet die Stufen hinunter in die Küche. Die Luft war rauchig und es roch immer seltsamer.
Er hatte doch nicht die Kerzen brennen lassen, die er gestern anlässlich Colins Geburtstages angezündet hatte?!
Mit der Erwartung, einen brennenden Vorhang oder irgendetwas brennendes zu entdecken, hastete er am Ende der Stufen um die Ecke und stieß beinahe mit jemandem zusammen. Die Person vor ihm gab einen hohen Schreckenslaut von sich, während Narey zurückstolperte und die Frau vor sich anstarrte. In ihrer Hand hielt sie eine Art Mini-Kessel, aus dem es rauchte.
Der junge Mann hatte sich mittlerweile wieder gefangen, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, setzte dann noch einmal an. „Mama, was... was machst du hier?!“, fragte er völlig verwirrt. „Wie bist du in mein Haus gekommen? Und, was – was wird das, wenn du fertig bist? Hast du eine Ahnung, was ich gerade für einen Schock bekommen habe, als ich im Bett den Rauch gerochen habe?“ Vorwurfsvoll deutet er auf das rauchende Ding in ihren Händen.
Empört stemmte seine Mutter eine Hand in ihre Hüfte und sah ihren Sohn gespielt belehrend an. „Ich räuchere dein Haus. Gerade jetzt in dieser Zeit ist es wichtig, eine gute Energie in der Wohnung zu verbreiten und die negativen Energien mithilfe durch Räuchern zu vertreiben“, rechtfertigte sie sich. „Und ich bin auch hier, weil ich Colin noch ein kleines Geschenk vorbeibringen wollte“, sagte sie grinsend.
Narey verharrte und sah seine Mutter misstrauisch an, wobei er sich erst jetzt dessen bewusst wurde, dass er nur mit Boxershorts vor seiner Mutter stand, die offensichtlich ganz genau wusste, wie der gestrige Abend ausgegangen war. Wie auf Zauberwort erschien da auch gleich Colin mit verwuschelter Haarpracht im Wohnzimmer, lachte seiner künftigen Schwiegermutter entgegen und warf Narey ein T-Shirt und die Jogginghose zu, welche dieser sich dankbar überstreifte.
Ganz selbstverständlich kam Colin auf sie zu, umarmte Nareys Mutter und machte sich dann auf den Weg in die Küche. Narey konnte ihm nur perplex nachsehen und ihn dabei beobachten, wie sich sein Freund daran machte, das Frühstück vorzubereiten. Er konnte nicht verhindern, dass sich dabei dann doch ein Lächeln auf seine Lippen schlich.
„Ich freue mich für dich!“, kam es da auf einmal von seiner Mutter. Er wandte den Kopf und sah ihr entgegen, während sie diesen Räucherkessel abstellte und ihn umarmte. Narey beugte sich ein wenig hinab und schloss seine Arme ebenfalls um seine Mama. Sie hatte schon länger von seinen Gefühlen für Colin gewusst. Und er war sich irgendwie ziemlich sicher, dass sie etwas mit dem Ausgang des gestrigen Abends zu tun hatte.
So standen er und seine Mutter mehrere Minuten lang schweigend in einer Umarmung da.
„Danke“, flüsterte Narey nach einer Zeit zurück, als er merkte, dass seine Stimme zu brechen drohte. Es war eine gewaltige Last abgefallen und nun wurde ihm bewusst, was das für ihn und Colin bedeutete. Kein Verstecken der Gefühle mehr, kein Unterdrücken des Dranges, seinen besten Freund einfach so zu küssen. Er musste nun keine Ausreden mehr dafür finden, warum er sich von ihm so sehr distanziert und sie damit beide verletzt hatte. Nun durfte er seine Gefühle ausleben und Colin zeigen, wie viel er ihm bedeutete. Wie viel er für ihn empfand!
Langsam löste er sich von seiner Mutter und strich sich verstohlen über das Gesicht. Sie war eindeutig die beste Mama, die man sich wünschen konnte. Sie verlor kein Wort darüber, dass sie dabei nachgeholfen hatte, ihrem Sohn zu dessen Glück zu verhelfen. Stattdessen lächelte sie, wissend, dass ihr Sohn es mehr wertschätzte, als er es in Worte hätte fassen können.
Ohne noch irgendetwas zu sagen, nahm sich Narey das Räuchergefäß und wedelte damit schelmisch grinsend vor dem Gesicht seiner Mutter herum, bis er sich auf den Weg in die Küche machte, um Colin bei der Frühstück-Vorbereitung zu helfen. Nur war dieser bereits fertig. Es war Narey immer wieder ein Rätsel, wie das möglich war.
Der schwarzhaarige Athlet schob Narey mit einer Hand wieder aus der Küche hinaus, in der anderen trug er ein großes Tablett, auf dem drei Teller mit köstlich riechenden Omelettes mit Schnittlauch standen. Colin sollte definitiv Koch werden. Wobei er dann natürlich noch mehr trainieren müsste, wenn er seine derzeitige Form behalten wollte. Denn Narey konnte essen, was das Zeug hielt, und wenn Colin jeden Tag für ihn kochte, dann könnte er für nichts mehr garantieren.
Narey ließ sich auf seinem gewohnten Platz am Esstisch nieder, Colin nahm zu seiner Linken Platz.
„Ich habe gleich ein Omlette für dich mit gemacht, Eleanor. Danke fürs Räuchern! Du weißt doch, Narey ist der größte Fan davon!“, sagte Colin und lachte amüsiert, als er Nareys Gesichtsausdruck sah. Eleanor stimmte mit ein und ließ sich dann mit einem dankbaren Lächeln auf dem Sessel ihnen gegenüber nieder.
„Danke Colin, aber, das wäre ja nicht nötig gewesen“, sagte sie mit einem Blick auf das gezauberte Frühstück. Dieser neigte den Kopf. „Ich würde sagen, das bin ich dir schuldig“, sagte er mit einem Lächeln und einem sanften Lächeln auf Narey, bevor er sich zu diesem beugte und ihn kurz küsste. Narey lief ein wenig rot an, wärhend seine Mutter sich das Lächelnd verkniff und Colin sich mit dem Grinsen eines Honigkuchenpferdes dem Omelette widmete.
Eine Zeit lang war nur das Geräusch von Besteck auf Tellern zu hören, das ab und an von lobenden „Mmhs“ begleitet wurde.
Dann, als sie fertig waren, stand Narey auf, räumte alle Teller weg und kehrte daraufhin zu seiner Mutter und seinem Partner zurück. Dieser bekam gerade von Eleanor ein kleines, längliches Päckchen überreicht. Bevor Colin protestieren konnte, ließ Eleanor ihn mit ihrem perfektionierten „Wage-es-ja-nicht“-Blick verstummen. Von ihm würde sie kein Dankeschön wegen einem kleinen Geschenk annehmen.
Gespannt beobachtete Narey seinen Lebensgefährten, der das Geschenk Stück für Stück auspackte. Und als er erkannte, was es war, konnte er sich ein Grinsen dann doch nicht verkneifen.
„Räucherstäbchen!“, rief Colin begeistert aus, hielt sie ihn die Höhe und sah Narey schelmisch an. Dann schlich er auf auf ihn zu, woraufhin der braunhaarige junge Mann gespielt verschreckt durch das Wohnzimmer stolperte und sich von seinem Freund mit einem Päckchen Räucherstäbchen jagen ließ.
Alle Sorgen schienen sich von gestern auf heute in Rauch aufgelöst zu haben, der gemeinsamen Weihnachtszeit stand nichts mehr im Wege und das Lachen des Familien-Trios schallte noch lange durch die offenen Fenster durch die Straßen.