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Nach dem Prompt „Lebensraum: Strand [Tierische Wassereis-Geschichten]“ der Gruppe „Crikey!“
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Angespannt beobachtete er Nela, die sich am Strand umsah. Toogi wusste, dass sie sich immer noch umentscheiden konnte. Ja, seine Freundin aus Kindertagen hatte sein Angebot angenommen, war in sein selbstgebautes Boot gestiegen und mit ihm zu dieser Insel gekommen. Aber wenn ihr diese nicht zusagte, könnte sie umkehren.
Nela wanderte über den Strand, betrat die kleine Hütte, die er erbaut hatte, und ließ sich die Vorräte in der kleinen Erdhöhle zeigen.
"Für ein Kühllager ist das nicht besonders tief", merkte sie an.
"Deshalb ist der Fisch geräuchert." Toogi war stolz, dass seine Beute die lange Abwesenheit während seiner Reise überstanden hatte. So war das Essen für die nächsten Tage bereits geklärt.
Nela runzelte die Stirn. "Warum gräbst du sie nicht einfach tiefer?"
"Das erkläre ich dir noch."
"Meinetwegen ..." Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu und stieg dann wieder nach oben. Toogi folgte ihr, während er nervös auf seiner Unterlippe kaute.
Schließlich nickte Nela langsam. "Nicht übel, Toogi. Ich denke, hier lässt es sich leben."
Er atmete erleichtert auf und grinste. "Dann bleibst du?"
"Erstmal ja." Nela verschränkte die Arme vor der Brust. "Aber denk nicht, dass ich jetzt alle Arbeit hier übernehme."
"Ich bin ja nicht wie dein Vater." Er schüttelte ernst den Kopf. "Komm, holen wir deine Sachen. Du kannst erst mal mit in der Hütte schlafen, morgen suchen wir einen schönen Platz für ein eigenes Haus."
Es kostete sie tatsächlich einige Stunden, das Schiff auszuladen. Toogi hatte, nachdem er seine Prüfung bestanden hatte, vieles von seinem alten Besitz eingepackt. Dazu gehörten Erinnerungsstücke, Kleidung und altes Spielzeug, außerdem hatte er im Dorf Fische und Muscheln von seiner Insel gegen verschiedene Werkzeuge eingetauscht, die ihnen das Leben hier deutlich vereinfachen würden. Auch Setzlinge hatte er dabei, um neue Felder anzulegen. Er musste niemandem mehr beweisen, dass er von den Früchten der Natur leben oder mit bloßen Händen ein Haus bauen konnte.
Allerdings reichte der Platz im Haus gar nicht für alles aus. Einiges, wie die alte Kommode aus Bambus, der Esstisch und die Stühle, musste draußen bleiben.
So saß er gegen Abend mit Nela auf dem Strand, in den beiden Stühlen, die aus Grasfasern und Stöcken gebunden waren. Im Steinkreis flackerte ein Feuer, die geräucherten Fische brieten an Spießen darüber, gewürzt mit etwas Salz und dem sauren Panmui-Saft. Es zischte, wenn Fett ins Feuer tropfte. Die dünne Rauchsäule kräuselte sich hinauf zu den dunklen Wolken, angestrahlt mit den Farben des Sonnenuntergangs, der angenehme Kühle brachte. Die Bäume rauschten, einige kleine Muscheln wanderten unauffällig über den Sand - Einsiedlerkrebschen, die sich unbeobachtet fühlten.
Toogi stand noch einmal auf und trat an die Kaltbox, eine weitere Neuerung, die er mitgebracht hatte. Diese Kiste, innen mit Runen überzogen, wurde innen so kalt, dass Wasser gefror. Er hatte es leider nicht geschafft, sie vor Nela zu verstecken - diese Frau bemerkte alles! - doch immerhin hatte sie zugestimmt, während der Fahrt noch nicht hinein zu sehen. Sie hatte ihn nur gefragt, wie er sie sich hatte leisten können.
Er hatte ihr gesagt, dass sie das noch früh genug verstehen würde. Und Nela hatte gebrummt: "Ich hoffe, du hast sie niemandem gestohlen, der nachtragend ist."
Immerhin war sie trotzdem mit ihm gekommen. Es sollte ihn vielleicht verletzen, dass sie dachte, er würde stehlen. Sie waren gemeinsam aufgewachsen, eigentlich immer unzertrennlich gewesen, und nun traute sie ihm solche Niedertracht zu? Doch sie waren und blieben Freunde. Nela ging wohl davon aus, dass er gute Gründe gehabt hatte, und Toogi vertraute darauf, dass sie abwarten und von seiner Offenbarung überzeugt sein würde.
Jetzt zog er drei kleine Kokosnussschalen aus der Box und klappte diese wieder zu, bevor der weiße Nebel völlig entweichen konnte. In den Schalen befand sich Wasser mit einigen Gewürzen und Kräutern, die er noch auf der Insel ihrer Kindheit gepflückt hatte. Inzwischen war das Wasser zu einem Klumpen Eis gefroren, das durch die Zusätze köstlich süß schmeckte.
Nela riss die Augen auf, als er ihr diese Kostbarkeit in die Hände drückte.
"Du hast eine Kaltbox ... besorgt, nur, damit wir Süßigkeiten haben?"
"Ich dachte, wir können unseren ersten Abend auf der eigenen Insel gebührend genießen." Er lächelte schief.
"Toogi, davon hättest du ... so viel mehr anderes kaufen können!"
"Keine Sorge, das war auch eine taktische Entscheidung. Denn ja, unser Lagerraum liegt zu weit oben. Die Kaltbox kann uns als eigenes Lager dienen, oder wir stellen sie in den Keller und klappen sie auf, dann kühlt sie den gesamten Raum."
Nela runzelte erneut die Stirn, während sie über die Schale in ihren Händen leckte. Einer solchen Köstlichkeit könnte sie nicht widerstehen - sie liebte Eis. "Du willst echt nicht graben, oder? Na gut. Für wen ist das dritte Eis, müssen wir uns darum prügeln?"
Toogi lächelte. "Nein. Aber es wird Zeit, dass ich dir jemanden vorstelle."
Nelas Ausdruck wurde noch skeptischer. "Hast du etwa schon jemanden, der mit dir hier wohnt? Du sagtest doch ..."
"Oh, du bist der einzige Mensch hier. Und du wirst darüber bestimmen können, wer sonst herkommt." Er trat durch den warmen Sand nach vorne bis an die Linie der Wellen. Nela hatte nun lange genug Geduld mit seinen Andeutungen gehabt.
Toogi stieß einen Pfiff aus, der hell und klar über die Wogen hallte.
Nela kam, ihre eigenes Eis in beiden Händen, langsam zu ihm. Dann kräuselten sich die Wellen vor ihnen. Ein lautes Gurgeln erklang, ein dunkler Buckel zeigte sich auf den orange glühenden Wogen im Licht der Dämmerung. Dann wuchs der Buckel an.
Nela klappte der Mund auf, als sich der große Echsenkopf mit dem schnabelartigen Maul erhob. Wasser triefte von herabhängenden Algen, die an den Schuppen der riesigen Schildkröte festgewachsen waren. Aus klugen, grünen Augen sah das riesige Tier zu den beiden Gestalten auf dem Strand, nicht viel mehr als eine dünne Sandschicht auf dem Panzer der lebenden Insel.
"Darf ich vorstellen? Das ist Momoya." Toogi holte aus und schleuderte die dritte Kokosnussschale mit Schwung über die Wellen. Die Riesenschildkröte klappte das Maul wie in Zeitlupe auf. Das Eis landete im Schnabel, wo es winzig erschien, kleiner als die Buckel auf der Zunge. Das Maul klappte mit einem Krachen wieder zu und Momoya schloss genießerisch ihre großen Augen.
Nela umklammerte ihr eigenes Eis so fest, dass das gefrorene Wasser unter dem Druck krachte. "Das ... das ist ..."
"Momoya!" Toogi winkte ihr. "Das hier ist Nela."
Die riesige Schildkröte schob ihren Kopf langsam etwas näher, um den Neuankömmling zu mustern. Der Atem aus ihren großen Nüstern wirbelte Sand auf. Dann stieß sie eine Art Seufzen aus, das den beiden Menschen in den Ohren dröhnte, und tauchte den Kopf langsam wieder unter die Wellen.
"Diese Schuppen ... sind ... ein Vermögen wert ..."
Er hob mahnend den Zeigefinger. "Wir nehmen nur die, die von selbst ausfallen." Dann legte er ihr mit einem verschmitzten Lächeln den Arm um die Schultern. "Aber es stimmt, davon kann man viel kaufen."