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Nach dem Prompt „Kugelfisch“ der Gruppe „Crikey!“
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Etwas blubberte in dem großen Topf in der Mitte. Stapel von alten Büchern, Kisten und Gläsern, auf denen ausgestopfte Tiere balancierten oder Totenschädel grinsten, boten kaum genug Platz, den Kessel mit dem darunter brennenden Feuer zu umkreisen. So brauchte der Mann eine Weile, bis er sich über den erdigen Boden in den hinteren Bereich des Zeltes vorgekämpft hatte. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er in die Dunkelheit.
"Was willst du?" Die Worte kamen schnell und hart aus dem Schatten.
Der Kämpfer zuckte zusammen, seine Hand fuhr zum Schwert. Doch im letzten Moment besann er sich. Schlangen zischelten drohend, worauf er die Hände hob. "Man sagte mir, dass ich hier eine mächtige Magierin finde."
"Deinesgleichen nennt mich sonst eine Hexe."
Der Fremde schlug die Augen nieder. "Ich ... weiß. Könnte ich im Namen meines Volkes um Verzeihung bitten, würde ich es tun, doch sie sprechen jeder für sich. Ich für meinen Teil bemühe mich, aufgeschlossen zu bleiben, zu verstehen, bevor ich urteile."
"Du willst etwas", sagte die Frauenstimme. Sie betonte die Worte auf den falschen Silben. "Deshalb sprichst du höfliche Worte!" Worteh, nicht Worte. Es bewies, dass sie nicht wie er war. Ganz und gar nicht.
Mit einem schweren Schlucken suchte der Mann seine nächsten Worte aus. "Ich bin als Bittsteller hier, das stimmt. Wir müssen das Wetter der nächsten Monate wissen, es heißt, dass Ihr das bewerkstelligen könnt. Vom Wetter hängen unsere Entscheidungen ab, die viele Leute das Leben kosten könnten, wenn wir sie falsch treffen. Doch ... ich bin auch hier, weil ich diese Chance ergreifen wollte. Andere würden sich weigern, auf Euer Volk zu vertrauen. Und wieder andere wollten Euch zwingen." Er hob den Blick, obwohl er immer noch nichts erkennen konnte. Das flackernde Feuer in seinem Rücken warf zuckende Schatten auf die bunte Zeltwand, enthüllte Schlangen, Schädel, Gläser mit eingelegten Augen und andere Abscheulichkeiten, die sich im unruhigen Licht zu bewegen schienen.
"Niemand vermag mich zu zwingen. Du sagst, du willst noch nicht urteilen. Besser wäre es, du würdest gar nicht urteilen. Es steht dir nicht zu, über unsere Kultur zu entscheiden!"
"Verzeiht. Natürlich will ich Euch nichts vorschreiben." Der Krieger straffte sich. "Ich bitte Euch, uns zu helfen. Ich weiß bereits, dass die Druiden dieses Landes keine Bezahlung annehmen wollen, doch wir sind auch bereit, Euch zu entschädigen, wenn Ihr es wünscht."
"Ich bin keine Druidin", sagte die Verborgene scharf. "Ich bin eine Priesterin, und es obliegt nicht mir, diese Entscheidung zu treffen, sondern meinem Gott!"
Wir zur Antwort schlugen die Flammen plötzlich höher. In ihrem Licht sah der Bittsteller nun endlich, vor wen er getreten war: Eine Frau mit dunkler Haut, die schlanken Glieder bemalt mit bunten Zeichen einer fremdartigen Schrift. Sie saß auf einem Thron aus Affenschädeln, über ihre Schultern und die Lehnen ringelten sich bunte Schlangen.
Ein Blinzeln, und plötzlich stand sie vor ihm. In der Hand hielt sie ein Glas, in dem ein schillernder Fisch schwamm, ein eher klobiges Tier mit rotgelber Zeichnung und schnabelartigem Mund. "Berühre ihn!", zischte die Priesterin ihm ins Ohr.
"Ich ... Ihr habt noch nicht zugesagt. Was wird geschehen?"
"Mein Gott wird entscheiden. Entweder, Ihr seid reinen Herzens, wie Ihr behauptet. Oder Ihr sterbt."
Unsicher fing er den Blick der Fremden ein. Dann schluckte der Krieger und sah den Fisch an.
Er senkte die Hand ins Glas. Es war nicht so, dass er seiner Selbsteinschätzung vertraute. Sicher gab es noch viel zu lernen. Doch in diesem Moment trieb ihn die Verzweiflung. Wenn es eine Chance gab, mehr zu erfahren, egal wie gering, musste er sie ergreifen.
Als der Fisch die Hand bemerkte, blähte er sich auf. Der Krieger weitete seine Augen, als ihm aufging, dass er einen Kugelfisch vor sich hatte. Diese giftigen Tiere gab es auch in seiner Heimat.
Da spürte er bereits das Brennen in der Hand.
"Ihr habt ... mich hereingelegt!", krächzte er, während er rückwärts taumelte. Er hielt sich die Hand, die in Flammen zu stehen schien, und suchte den Blick der Priesterin.
Dann fiel er. Und vor seinem Blick zogen Tage dahin. Sonnenschein, Regen, ein Sturm. Es dauerte eine Unendlichkeit und doch nur wenige Augenblicke, dann setzte er sich wieder auf.
"Mein Gott hat entschieden", begrüßte ihn die Priesterin. "Du lebst. Damit hast du deine Vision."
"Das waren ... Wochen ..." Der Krieger fasste sich an den Kopf, der zu voll zu sein schien. So viel Wissen hatte ihn geflutet. Mühsam begann er, den Einsturz der Bilder zu sortieren.
Als er den Blick wieder auf das Innere des Zeltes richten konnte, sah er zu seinem Erstaunen, dass die Priesterin lächelte. Freundlich lächelte, nicht spöttisch.
"Geh zu deinen Leuten", sagte sie sanft. "Macht eure Pläne, die niemandes Leben kosten."
Er nickte. Genau, das war sein Plan gewesen. Es wirkte jetzt so weit weg, wie ein anderes Leben. Etwas ... hatte sich verändert.
"Darf ich wiederkehren?", bat er sie.
Die Frage müsste jedem anderen seltsam erscheinen, doch sie nickte und senkte dabei die Lider wie manche Katzen. "Ja."