Es war einmal vor unendlich langer Zeit, dass die Sterne, welche die Fische bilden, sich einander die Liebe schworen. Sie vermählten sich und planten Kindern das Leben zu schenken. Der Stern Fum al Samakah, den jeder nur Fum nannte, war der Gatte und der Stern Alrischa die Gemahlin. Einander schworen sie sich und auch den Himmelsgöttern, dass sie Kinder gebaren, welche ihrem Ebenbild ähneln würden.
Die Zeit verging und die Geburt der himmlischen Sternenkinder rückte näher. Da wandte sich das himmlische Paar an den Polarstern, einen der sieben Sterne des Kleinen Bären und der hellste, wie weißeste noch dazu, und fragte: "Polaris, von Weisheit seid ihr geprägt, so bitten wir euch uns zu sagen, wo es sicher ist, unsere Kinder in die Welt zu tragen."
Der Polarstern überlegte und kratzte mit der Sternenpranke sein Bärenhaupt in angestrengter Überlegung. Doch er überlegte nicht nur, er blickte über den Nachthimmel und auf die Erde unter ihm. Da entdeckte er die liebliche Insel Hoshi no bīchi. Sanft lag das Eiland im türkisen, blauen des warmen Meeres. Korallen sproßen darin und waren den Blumen auf der Insel selbst in Schönheit gleichzusetzen. Die Wellen säumten die Insel und ein angenehmes Rauschen erfüllte einen jeden Punkt der kleinen Insel. Es war ein Paradies.
Der Polarstern lächelte und war hocherfreut, als er die einladende Gegend erblickte und wandte sich an das Sternenpaar und sprach milde: "Ich denke, für die Geburt eurer Kinderchen ist der Strand von Hoshi no bīchi ein guter und passender Ort. Das Wasser ist warm, wie das Herz einer Mutter und die Strömung sanft und von friedfertiger Art. Begebt euch dorthin und Alles Gute!"
Die beiden Sterne dankten dem Polarstern und machten sich daran auf, die Insel Hoshi no bīchi zu gelangen, um dort ihre Kinder zu gebären.
So gelangten die beiden Sterne an den Strand von Hoshi no bīchi und es war kaum, dass Alrisha den warmen Sand berührte, dass ihre Wehen begannen und sie sich nur mit der Hilfe ihres Gattens in die Brandung legen konnte, wo sie wenig später ihre Kinder gebar.
Nicht eines und nicht zwei.
Nicht hundert oder tausend.
Alrisha gebar in dieser Nacht allein dreihundert Millionen Kinder, welche aus ihrem Leib in die warme, sanfte See glitten und zu kleinen, leuchtenden Sternenfischen wurden. Das Meer glänzte und glitzerte, während die kleinen Sternenfische in den Korallenhainen Deckung suchte. Die Wiege der Sternenfische war bezaubernd und die Sterneneltern überaus glücklich, dass sie diese Wiege gefunden hatten.
Überglücklich und auch erschöpft, schlief Alrisha ein und ihr Gatte Fum trug sie hinauf zum Himmelszelt. Nichts ahnend, dass sie sich und ihren Kindern einen mächtigen Feind gemacht hatten.
Durch das Glitzern der See erwachte Kuryū, der Drache der finsteren Untiefen der sieben Weltmeere. Zuerst traute er seinen Drachenaugen nicht, als im Schein des Mondes das Meer wie in der Sonne glitzerte. Er sandte Boten aus, die in Erfahrung bringen sollten, was sich in den Gewässern der Insel Hoshi no bīchi zugetragen hatte.
Neun Boten verließen den Palast des Tiefseedrachens und versuchten in Erfahrung zu bringen, was das Glitzern hervorgerufen hatte.
Ein Kundschafter wurde von einem Wal verschluckt, ein weiterer geriet in einen Strudel. Der Dritte verfing sich in einem Netz, der vierte wurde geangelt und von dem fünften ist bis heute nichts mehr gehört worden.
So konnten nur vier Boten in Erfahrung bringen, was das nächtliche glitzerten des Meeres zu bedeuten hatte. In aller Ausführlichkeit berichteten die Boten dem Tiefseedrachen, was in seinen Gewässern sich hatte zugetragen. Ein jeder würde sich freuen, für die Eltern über die Geburt eines Kindes über die Geburt von dreihundert Millionen umso mehr. Doch der Tiefseedrache Kuryū war nicht erfreut über diese Nachricht. So wurde sein dunkles Meer mit Millionen kleiner Lichter gefüllt und niemand hatte ihn um Erlaubnis gefragt. Kuryū, war außer sich, was die Sterne sich erlaubten. Schließlich hatte man zu Anbeginn der Zeit, die Welt in drei geteilt und nun eine Geburt von dreihundert Millionen Himmelskindern in der Sphäre der See? Noch dazu Lichtträger, welche die Gabe besaßen ihm, dem großen Tiefsseedrachen alle Kräfte zu entziehen?
Das konnte der Drache Kuryū unmöglich erlauben. So rief er die Tiefenschlange Tsumami, das schuppige Wesen, welches schon abertausende verschlungen hatte. In knappen Worten, geformt von Wut und gekränkter Eitelkeit gab er dem Wesen den Befahl alle Sternenkinder zu fressen.
Die Tiefenschlange gehorchte dem Drachen und begab sich zu den Küstengewässern von Hoshi no bīchi. Wunderschön lag die Insel im türkisblauen Meer, umgeben von einem Ring aus Korallenzweigen. Die Zweige vermochten die Wellen zu brechen, doch konnten sie auch die mächtige Tsumami aufhalten?
Mit einem Tosen aus tausend Donnern erschien das Ungetüm und stürzte sich mit lautem Fauchen der Insel Hoshi no bīchi entgegen. Als das die kleinen Sternenfische sahen, flohen sie in die Korallenzweige, in der Hoffnung, dass sie die mächtige Tiefenschlange aufzuhalten vermochten. Doch unter lautem Bersten zerbrachen die ersten Korallen und mit ihnen verloren auch einige der Sternenfische ihr junges Leben.
Es war nur eine Frage der Zeit, dass die Tiefenschlange, nicht nur alle Korallenzweige vernichtet hätte und jeden Sternenfisch gefressen, doch eine glückliche Fügung brachte den Sternenfischen eine Rettung in letzter Sekunde.
So geschah es, dass die Sterne des Kreuz des Südens, Acrux, Becrux, Gacrux und Decrux, den Vorfall bemerkten und zu der Insel eilten.
Acrux positionierte sich an der Südküste der Insel.
Decrux positionierte sich an der Ostküste der Insel.
Gacrux positionierte sich an der Nordküste der Insel.
Becrux positionierte sich an der Westküste der Insel.
Dort schwangen sie ihre Sternenlaternen, um die Tiefenschlange, welche die Dunkelheit liebte, von den Korallenriffen und den Sternenfischen fernzuhalten. Es gelang und doch blieb das Ungetüm in der Nähe der Insel. Was sollten die Sterne des Kreuz des Südens machen? Blieben sie an Ort und Stelle, würde das Monster keinen weiteren Sternenfisch mehr fressen, doch würde ihr fehlen am Sternenhimmel das Leben vieler Seefahrer beenden.
Begaben sie sich wieder an alte Postion, würde das Ungetüm die Korallen, die Sternenfische und die gesamte Insel verschlingen und zermalmen.
Das Fehlen des Kreuz des Südens war den Sternen bereits aufgefallen und so suchte man am Himmelszelt vergebens nach ihnen. Nur Polaris, der hellste aller Sterne, erkannte, was sich hatte zugetragen und blickte zur Insel Hoshi no bīchi. Mit Schrecken erblickte er die Tiefenschlange Tsumami und erkannte neben dem Leuchten der vier großen Sterne des Südens, zahllose kleine.
Eilig machte sich der Polastern zur Insel auf, um zu helfen.
Doch als Polaris die Insel erreichte, kämpfte er nicht gegen das Ungetüm. Er lehrte den Sternenfischen, wie sie selber leuchten konnten. Denn so, waren sie nicht mehr auf den Schutz der Sterne angewiesen und konnten sich selbst gegen die Tiefenschlange verteidigen.
Als Polaris dem letzten Sternenfisch seine geheimen Sternenkünste gelehrt hatte, eröffnete er den Sternen des Kreuz des Südens, dass sie nun wieder zum Himmel aufsteigen würden.
Acrux widersprach als erster und schüttelte sein Haupt: "Ausgeschlossen!"
Decrux stimmte Acrux zu und schüttelte sein Haupt: "Das geht doch nicht!"
Gacrux wiederum stimmte Decrux zu und schüttelte sein Haupt: "Grausam!"
Becrux pflichtete Gacrux bei und schüttelte sein Haupt: "Blödsinn!"
Doch Polaris, er blieb eisern und machte Gebrauch von seinen himmlischen Rechten, sodass die vier Sterne keine Wahl hatten und widerwillig zum Himmel aufbrechen mussten. Die Sternenfische in den Korallen glammen nur noch schwach, ein gefundenes Fressen für die Tiefenschlange Tsumami.
So dachte das Ungetüm!
Doch als es sich der Insel Hoshi no bīchi näherte, begannen die kleinen Sternenfische zu leuchten. Erst einer, dann zwei, dann zehn, hundert, tausend, bis dreihundert Millionen Sterne so stark leuchteten, wie ebenso viele Sonnen.
Ein lautes Fauchen entwich Tsumami, deren Augen nur an die Dunkelheit des Ozeans gewöhnt war und durch das grelle Licht ihre Sehkraft verlor.
Unfähig etwas zu sehen, war das Ungetüm unfähig, die kleinen Sternenfische zu finden und schwamm gegen Felsen immer wieder, bis es erschöpft in die Tiefe sank.
Es dauerte nicht lange, bis die Sterne erfahren hatten, wer die Tiefenschlange Tsumami gesendet hatte. Da berieten sie sich und kamen zu einem Plan.
Nach alter Sitte besuchten sie den Drachenkönig in seinem Palast. Da der Tiefseedrache am Tag weitaus ungefährlicher war, wählten die Sterne ihre Besuchszeit weise und suchten das Ungetüm auf.
Die Gespräche waren förmlich und es schien nicht mehr, als ein Höflichkeitsbesuch. Der Tiefseedrache ahnte eine Falle, doch in den Tagesstunden war es ihm unmöglich, Kräfte zu sammeln, um gegen Sterne anzutreten, ja selbst das Verlassen seines Palastes war ihm unter dem grellen Licht des Himmels eine Unmöglichkeit. So gewährte er die Audienz und freute sich, dass die Sterne offenbar nichts von seinem Angriff wussten und ihn mit einem geschenk beglückten. Doch als der Drache die schwarze Box öffnete befand sich darin nichts von Wert, nur ein Korallenzweig.
Missmutig blickte er das Objekt an und fragte die Sterne, was er davon halten sollte.
Diese erwiderten, dass man an die Kuppel des Palastes diesen Zweig bringen und befestigen sollte. Der Drchenkönig befahl einem seiner Lakaien zum Dach der Kuppel zu schwimmen und den Korallenzweig anzubringen. Kaum hatte der Lakaie seinen Dienst getan, verwuchs der Zweig für immer mit dem Palast zusammen.
Es dauerte nicht lange und die Sterne verabschiedeten sich und der Tiefseedrache sann nach Rache für seine Tiefenschlange und die Frechheit eines Geschenks. Er würde bis zur Nacht warten und zuschlagen, einen jeden Sternenfisch mit seinen eigenen Klauen vernichten.
Doch die Nacht kam nicht. Zumindest nicht im Palast des Tiefseedrachen. Denn der Korallenzweig, der nun mit dem Tempel unlösbar verwachsen war, begann als die Dämmerung sich legte, an zu leuchten. Leuchten wie tausende, Millionen von Sternen, das Liht erfasst jeden Winkel des Palasts und seitdem ist der Tiefseedrachenkönig Kuryū in seinem Palast eingesperrt und die Sternenfische in Sicherheit.
Und wenn ihr heute noch etwas Glitzern auf den Meeren seht, so habt ihr vielleicht einen der dreihundert Millionen Sternenfische gesehen.