Sie brauchten lange, um sich zu fangen. Seine sanften Berührungen über ihren Rücken ließen sie den Atem anhalten, und sie bedauerte das Gefühl in ihrer ausgedörrten Kehle, das sie dazu zwang, sich aus seiner Nähe zu lösen. Ein letzter Blick, dann strich sie mit ihrer Nase über seine, ein stilles Versprechen, das in der Luft lag. Sie sah ihm in die Augen und flüsterte: „Ich muss etwas trinken, du trocknest mich aus.“ Er lachte, ein tiefes, zufriedenes Lachen, doch ließ sie widerwillig los, als spürte er den Wunsch, noch ein wenig länger in diesem Moment der Zweisamkeit zu verweilen.
Sie stand auf, um sich ein Glas Wasser zu holen. Ihre Finger zitterten leicht, doch sie konnte die Anspannung, die noch in ihrem Körper lag, kaum abschütteln. Gerade als sie das Wasser in das Glas füllte, spürte sie seine Arme sich wie eine sichere Umarmung um sie legen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie gab ihm zuerst das Glas, ihre Augen folgten jedem Tropfen, der über seine Lippen strich. Sie war sich nicht sicher, was sie mehr begehrte – das Stillen ihres trockenen Halses oder der Anblick von ihm, wie er trank, so ruhig und doch so begehrenswert. Was war nur mit ihr los? Ihre Gedanken waren ein wirbelnder Sturm aus Verlangen, Selbstzweifeln und einer unerklärlichen Sehnsucht, die sie nicht mehr abschütteln konnte.
Er nahm das Glas aus ihren steifen Fingern und befüllte es wieder, seine Bewegungen geschmeidig, fast wie eine Gewohnheit. Doch als er es ihr erneut gab, war es mehr als nur ein Akt der Zuneigung. Es war ein Moment der Verbindung, der ein weiteres Stück seiner Zärtlichkeit in sie legte. Er beobachtete sie genau, seine Augen funkelten. Es war ein Moment, in dem die Welt um sie herum still zu stehen schien, und der einzige Klang, den sie hörte, war das leise Rauschen ihres Atems und das leise Klicken des Wasserglases.
Er zog sie sanft in seine Arme, und sie drehte sich zu ihm, ihre Lippen fanden seinen Hals, den sie mit einem zarten Kuss bedeckte. Ein leises Schnurren entglitt ihm, als seine Hände fester um sie schlossen, als wollte er sie für immer in diesem Augenblick behalten. Ihre Nähe war wie ein Bekenntnis, ein stilles Versprechen, das keiner Worte bedurfte. In diesem Moment wollte er sie nicht nur besitzen – er wollte sie in seiner Nähe wissen, in den Momenten, die ihm am meisten bedeuteten. Wäre dies ein einfacher One-Night-Stand hätte er sie sicherlich hier nochmals genommen, doch der Abend war perfekt, und er wollte ihn einfach nur noch mit ihr in seinen Armen wissen, für alles andere gab es noch den Tag danach, und hoffentlich auch den darauf.
Und so gingen sie zu Bett. Es war das erste Mal, dass sie nackt beieinander lagen. Josh hatte ihr das Kleid sanft vom Körper abgestreift und sie dann in seinen Armen zu sich auf das Bett gezogen. Sie machte es sich augenblicklich auf seiner Brust bequem, und als sie sich dort niederließ, spürte er ein überwältigendes Gefühl der Vollständigkeit. Ihr Körper lag so nah bei ihm, als gehörte sie immer schon zu ihm. Er konnte sich nichts Besseres vorstellen, als das beruhigende Gefühl von ihrem Gewicht auf seiner Brust, das vertraute Schlagen ihres Herzens an seiner Seite und der warme Atem, der sanft seine Haut streifte.
In diesem Moment vergaß er alles um sich herum. Ihre nackte Haut an seiner, das sanfte Wiegen ihres Atems – es war mehr, als er je zu hoffen gewagt hatte. Die Welt schien still zu stehen, als sie einander in diesem sicheren Raum der Nähe fanden. Ein leises Lächeln zeichnete sich auf beiden Lippen ab, als die Erschöpfung des Tages sie langsam in den Schlaf führte.
Keine Worte waren nötig. Sie waren in diesem Moment alles füreinander, verbunden durch ein unsichtbares Band, das sie nie wieder loslassen wollten. Der Tag, der gerade vergangen war, der Morgen, der bald kommen würde – all das zählte in diesem Augenblick nicht mehr. Sie ließen sich einfach in die Traumwelt entgleiten, sicher und geborgen in den Armen des anderen.
Der nächste Morgen minderte den Abend zuvor nicht. Kaum waren sie wach, begannen sie einander zu liebkosen, die Lust auf mehr war geboren. Dieses Mal lag sie kurz nach dem sie ihn mit ihrem Po massiert hatte unter ihm, und er drang in sie ein, sie stöhnte ungehalten seinen Namen. Gut dann wussten nun auch seine Nachbarn wie er hieß, spätestens, um 7 Uhr morgens, an diesem einem Samstag, während er in Alice eindrang. Dieses Mal konnte er sich nicht zusammenreißen, er begann sich immer schneller und härter in ihr zu versenken, so wie er es schon so lange hatte tun wollen, und sie bäumte sich in die Höhe gebeamt auf, und während sie die Klippe hinabstürzte, brauchte er nur noch zwei Stöße mehr, um sich in ihr zu ergießen, selbstverständlich in das kleine Präservativ, was er jetzt schon hasste. Noch nie hatte es ihn so sehr gestörte, wie wenn er in ihr war, er wollte sie ganz spüren, er wollte sich in ihr entladen. Sie würden einen Test machen müssen, beide, am besten am Montag, er wollte sie im Urlaub den ganzen Tag beanspruchen und dabei nicht an etwas anderes als an sie denken.
Und indem sie sich alle paar Stunden einander wie ein frisch verliebtes Paar hingaben, und wieder kuschelten und wieder Sex hatten und wieder pausierten, brachten sie die Zeit bis zum Abendessen am Sonntag rum.
Frisch geduscht trat sie aus dem Badezimmer, ihre feuchten Haare klebten an ihrer nackten Haut, wie gerne hätte er ihr unter der Dusche Gesellschaft geleistet, doch zuvor musste der blöde Test her, schließlich waren sie beide keine unbeschriebenen Blätter und ihr Verlobter war nicht treu gewesen, wer weiß was für Gefahren er dabei in die Beziehung gebracht hatte, außer das Ende seiner Beziehung, auch wenn Josh ihm in diesem Moment ein wenig Dankbar war, dass Eduard so dumm gewesen sein konnte, diese absolut atemberaubende Frau gehen zu lassen.
Die Spannung zwischen Alice und Josh war förmlich zu spüren, als sie sich gemeinsam auf den Weg zum Treffen mit seinen Eltern machten. Alice, die sich in dem Kleid so wohl und zugleich so stark fühlte, schien die Eleganz und Anmut auszustrahlen, die ihn immer wieder in ihren Bann zog. Das Kleid, das sie beim ersten Mal in seinem Loft getragen hatte, schien heute noch mehr Bedeutung zu haben. Sie wusste, dass er den Anblick liebte – die Art, wie der Stoff sich an ihren Kurven schmiegt und jede Bewegung betont. Und Josh? Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Es war nicht nur die äußere Schönheit, die ihn fesselte, sondern die Art, wie sie sich selbstbewusst und stark in ihrer Haut bewegte.
Trotz seiner sichtbaren Freude an diesem Moment, konnte er nicht umhin, sich Gedanken über das anstehende Treffen zu machen.
Er machte sich weniger Sorgen um das Treffen mit seinem Vater. Dieser hatte ihm unmissverständlich gezeigt, dass er es guthieß, was er gesehen hatte, und er wusste von seiner Neigung, dieser einen Frau gegenüber. Was ihn jedoch beunruhigte, waren die Fragen seiner Stiefmutter. Sie liebte beide, auch ihn selbst, wie ihr eigenes Kind. Würde sie ihnen einen Strick daraus drehen? Wie würde Alice sich heute vor den beiden, die sie als Familie ansahen, neben ihm geben? Bei der Gala hatte sie ihm ganz offensichtlich die Macht überlassen, das, was zwischen ihnen lag, für die Außenwelt zu definieren. Heute jedoch gab er diese Einflussnahme an sie ab. Er wusste längst, was er wollte, aber ob und was sie wollte und in welcher Geschwindigkeit, lag ganz alleine bei ihr.
Sie hatten nicht darüber gesprochen und schienen beide dieses Thema zu meiden, vielleicht vertrauten sie auf die Zeit statt auf Definitionen. Er würde es genießen und hoffen, dass die Dinge sich auf natürliche Weise entwickelten.
Alice war während der Autofahrt spürbar nervöser geworden. Sie spielte die ganze Zeit an dem Saum ihres Kleides, ihre Finger glitten immer wieder darüber, als versuchte sie, ihre Nervosität zu bändigen. Bis er schließlich seine Hand auf ihre legte und sie mit einem sanften Lächeln ansah. Sie erwiderte sein Lächeln und fühlte sich ein Stück weit beruhigt.
Zeitgleich stiegen die beiden aus dem Auto. Vor dem Eingang des großen Anwesens begann Alice leicht zu zittern. Josh bemerkte es sofort, griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Er drehte sich zu ihr, zwang sie sanft, ihn anzusehen, und flüsterte: „Hey, ich bin bei dir, alles ist gut.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sie lehnte sich ein Stück weit in ihn hinein. Ihre Anspannung begann zu weichen, und sie flüsterte einen leisen Dank.
Als sie sich dann von ihm löste, wusste Josh, dass es nichts Negatives zu bedeuten hatte. Sie war einfach noch nicht bereit, das, was auch immer zwischen ihnen lag, so offen vor ihren Eltern zu zeigen, die sie quasi zusammen aufgezogen hatten.
Was sie jedoch nicht bemerkten, war, dass jemand sie am Fenster hinter dem Vorhang aufmerksam beobachtete.
Josh klingelte, obwohl beide einen eigenen Schlüssel für das Haus hatten. Sein Vater öffnete grinsend die Tür und sah zwischen den beiden hin und her. „Wie schön, euch beide zu sehen! Kommt doch rein!“ Er zog zuerst seinen Sohn in eine herzliche Umarmung und klopfte ihm unüblicherweise auf die Schulter, dann wandte er sich zu Alice, die er seit ihrem 14. Lebensjahr kannte – also fast die Hälfte ihres Lebens. Sie hatte sich inzwischen so sehr in der Familie eingefunden, dass sie bei Steven nicht nur als Ziehtochter, sondern fast wie ein eigenes Kind galt. Sie kuschelte sich entspannt in Stevens Arm, der ihren Geruch aufnahm – eine Mischung aus ihrem Parfüm und dem seines Sohnes. Ein weiteres, breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Brigitte ist in der Küche“, sagte er schließlich, nachdem er sich eine Weile zurückgelehnt hatte, um die beiden anzusehen.
Die beiden Gäste zogen ihre Schuhe aus und stapften ohne sie weiter in Richtung Küche – schließlich waren sie hier zuhause. Brigitte, die gerade ihre Hände trocknete, drehte sich um und grinste. „Dass ich das noch erleben darf“, sagte sie lachend. „Meine zwei Streithähne betreten ohne Geschrei dieses Haus!“ Sie schien sich zu freuen, dass die beiden nun endlich miteinander auskamen. Ob sie es genauso sehr befürworten würde, wenn sie wüsste, wie gut sich die beiden wirklich verstanden, war ungewiss. Doch im Moment schien sie einfach froh, ihre „Kinder“ zusammen zu wissen.
Alice wurde sofort in ihre Arme gezogen und drückte ihre „Mutter“ ebenso zurück. Danach umarmte Josh seine „Zweitmutter“. Sie sah ihn lange an, als wollte sie etwas sagen, doch sie schwieg. Die Blicke sprachen für sich. Etwas lag zwischen ihnen, doch die Atmosphäre war freundlich und warm, und es gab keine Notwendigkeit für Worte.
Schließlich setzten sich alle an den großen Esstisch. Alice und Josh saßen sich gegenüber, ihre Eltern auf der jeweils gegenüberliegenden Seite. So wie es immer gewesen war, wie es für sie beide normal war. Doch in der Luft lag eine unterschwellige Spannung, eine Veränderung, die niemand ausgesprochen hatte, aber alle spürten.
Das Essen begann damit, dass die Eltern von ihrem schönen Urlaub erzählten und was die beiden auch unbedingt mal gesehen haben sollten. Alice stellte sich die Frage, ob Josh sie wohl auch dorthin entführen würde, und sah ihn fragend an. Er konnte ihre Gedanken erraten und schüttelte grinsend den Kopf. Sie seufzte leise und wandte den Blick ab.
Ihre Mutter beobachtete den Blickkontakt der beiden genau. Sie legte das Besteck zur Seite, dann sah sie abwechselnd Alice und Josh an: „Okay, ihr müsst mich aufklären. Versteht mich nicht falsch, ich habe mir kaum etwas mehr gewünscht, als dass ihr euch endlich gern habt, aber wie kommt es dazu, dass ihr auf einmal so handzahm miteinander umgehen könnt?“
Alice spürte, wie sich in ihrem Magen ein Knoten bildete. Hilfesuchend sah sie zu Josh, doch er nickte nur kurz in ihre Richtung. Heute würde sie diesen Part übernehmen, und er würde ihr den Raum geben, ihre Wahrheit zu sprechen. Er wusste nicht, wie viel sie preisgeben wollte – und das respektierte er.
„Es ist ja nicht so, als hätten wir einander nie leiden können…“, begann Alice, doch ihre Mutter brach in schallendes Gelächter aus. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, setzte sie an: „Doch, genau das ist es!“
Alice blickte auf den Tisch und versuchte, die aufkommende Wärme in ihren Wangen zu ignorieren. Vielleicht hatte sie sich ihm gegenüber tatsächlich oft etwas unverhältnismäßig aufgeführt. Sie hatte ihre negativen Gefühle zu lange unterdrückt, und die Wahrheit kam jetzt irgendwie schmerzlich zu Tage.
Josh, der die Stille bemerkte, griff nun ein: „Um ehrlich zu sein, mochte ich Alice eigentlich schon immer sehr gerne, sie hat es nur nicht wahrhaben wollen.“
Alice hob überrascht den Kopf, und ihre Augen trafen die von Josh. Ein Moment der Verwirrung schlich sich in ihr Herz. Hatte sie wirklich nie wahrgenommen, dass er sie mochte? Hatte sie sich all die Jahre nur in ihrer Ablehnung verrannt? Ein bitterer Gedanke stieg in ihr auf – vielleicht hatte sie sich wirklich geirrt. Vielleicht war es nie wirklich Hass gewesen, sondern etwas anderes, das sie nie richtig benennen konnte.
Brigitte sah Josh erstaunt an, ihr Lächeln verschwand für einen Moment, während sie versuchte, seine Worte zu verarbeiten. „So?“ fragte sie, und ihre Stimme klang leicht ungläubig.
Josh sah ihr direkt in die Augen. „Ja“, sagte er schlicht, und unterstrich damit seine Aufrichtigkeit.
Brigitte nickte schließlich zufrieden. Doch dann wandte sie sich wieder Alice zu: „Ich erinnere mich allerdings lebhaft an ein Gespräch zwischen dir und mir, wo du mir das erste Mal eine unendlich lange Liste runtergerattert hast, warum du Josh nicht leiden kannst.“
Alice fühlte sich plötzlich wie auf dem heißen Stuhl. Sie zog die Schultern zusammen, und starrte erneut auf das Muster auf der Tischdecke, als könnte es sie vor der Hitze des Augenblicks retten.
„Und nach wirklich ausnahmslos jedem Treffen zwischen euren beiden Welten, hast du mir erzählt, wie doof Josh wirklich ist – inklusive kurz vor unserem Urlaub.“
Alice wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sollte sie endlich zugeben, dass sie sich all die Jahre geirrt hatte? Dass ihre Verachtung vielleicht eher von Neid und Eifersucht rührte? Es fiel ihr schwer, sich mit dieser Erkenntnis auseinanderzusetzen, vor allem nicht unter dem prüfenden Blick von Brigitte und Steven.
In diesem Moment spürte sie Stevens Augen auf sich, und sie erhaschte einen flüchtigen Blick von ihm. Er hatte nichts gesagt, doch die Stille, die zwischen ihnen lag, war fast schwerer zu ertragen als die Worte von Brigitte. Sie fühlte sich von beiden Elternteilen irgendwie „erwischt“ – wie ein Kind, das in einem Moment der Schwäche von seinen Eltern durchschaut wurde.
Plötzlich wurde ihr der Druck zu viel, und ohne ein weiteres Wort stand Alice mit einem Ruck auf. Ihre Hände zitterten leicht, als sie sich von dem Tisch entfernte und schnell den Raum verließ – eine Flucht, die sie schon aus ihrer Jugend kannte. Die vertraute Bewegung, die Türen hinter sich schließend, die Flucht in ihr Zimmer. Josh sah Brigitte einen Moment lang an, der mahnende Blick war kurz und eindeutig, doch er sagte nichts, ehe er Alice mit schnellen Schritten folgte.
Er klopfte an ihre Tür, doch es kam keine Antwort. Die Stille drang ihm förmlich entgegen. Ein leises Seufzen entwich ihm, als er sich gegen den Türrahmen lehnte. Hoffentlich wurde sie in diesem Raum nicht nostalgisch – hoffentlich würde sie sich nicht in den Gefühlen der Vergangenheit verlieren.
Als er die Tür öffnete, fand er sie auf dem Bett liegend, den Rücken ihm zugewandt. Die Spuren der Flucht waren deutlich: Ihre Schultern hoben sich und senkten sich regelmäßig, als sie versuchte, die aufgestauten Gefühle zu verarbeiten. Wortlos setzte er sich an die Kante des Bettes, legte eine Hand sanft auf ihren Rücken und begann, sie in langsamen Bewegungen zu streicheln. Zuerst regte sich nichts, doch schon nach wenigen Sekunden spürte er, wie sich ihre Muskeln entspannten. Ihre Atmung wurde flacher, aber sie blieb still.
„Wie konnte ich das nie bemerken?“, dachte Alice, während sie die Augen schloss und sich in den Moment fallen ließ. Er hatte sie schon immer gemocht. All die Jahre hatte sie ihn verachtet, ihn weggestoßen, und jetzt, nach all dieser Zeit, erklärte er es mit einer so unerwarteten Selbstverständlichkeit. War es wirklich so einfach für ihn? Hatte er tatsächlich nie etwas an ihr auszusetzen gehabt? Die Vorstellung, dass er die ganze Zeit über ihre Ablehnung hinweg das Gegenteil empfand, war schwer zu begreifen.
„Es fühlt sich so surreal an“, dachte sie weiter, während seine Hand über ihren Rücken strich. Wie hatte sie sich damals nur so sicher in ihrer Ablehnung ihm gegenüber gefühlt? Und warum hatte sie nicht einmal einen Funken von dieser Zuneigung in ihm erkannt? Es war fast, als hätten sie in zwei unterschiedlichen Welten gelebt. Doch hier, jetzt, in diesem Moment, war es, als ob alles, was gewesen war, zusammenkam, als ob dieser eine Bekenntnisall die Lücken der vergangenen Jahre füllen würde.
Nach ein paar Minuten legte er sich sanft an ihren Rücken, zog sie vorsichtig in seine Arme. Die Nähe tat gut, ihre Wärme drang in ihn. Er vergrub seine Nase in ihren Haaren – wie konnte jemand nur so gut riechen? Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er ihre weiche Haut durch das Haar hindurch küsste.
„Warum fühle ich mich auf einmal so klein?“, fragte sie sich. Vielleicht, weil sie nie geglaubt hatte, dass es zwischen ihnen etwas anderes als Feindseligkeit gab. Vielleicht, weil sie sich nie selbst erlaubt hatte, die Möglichkeit einer anderen Beziehung zu ihm in Betracht zu ziehen. Und jetzt, wo er diese Wahrheit aussprach, schien alles, was sie über ihn geglaubt hatte, irgendwie fehl am Platz zu sein.
Plötzlich bemerkte er, wie sie erschauerte. Ihr Körper reagierte auf die Zärtlichkeit, und er spürte die Wellen der Anspannung, die von ihr ausgingen. Vorsichtig drehte er sie in seinen Armen herum. Ihre Augen trafen sich, still, aber voller unausgesprochener Worte. Sie sagte nichts, doch der Blick, den sie ihm schenkte, war genug.
„Vielleicht war es nie Hass“, dachte Alice, als ihre Blicke sich verflechteten, „sondern einfach nur Angst vor dem, was es bedeutet, ihm nahe zu sein.“
Er versank in den Tiefen ihrer Augen, versuchte, ihr Halt zu geben, nur durch das Schweigen und die Intensität seines Blicks. In diesem Moment war alles andere nebensächlich – nur sie, nur der Raum zwischen ihnen, der durch ihre Nähe und die Stille umso intensiver wurde.
Und dann verlor sich sein Blick in ihrem, und ihrer in seinem, plötzlich waren sich die beiden so unendlich nah. Ihre Körper schienen von einem unsichtbaren Magneten angezogen, rückten immer näher aneinander, bis sie den Atem des anderen auf ihren eigenen Lippen spürten. Sein Blick wanderte zwischen ihren Lippen und ihren Augen hin und her, als ob er um Erlaubnis bat. Ihre leicht geneigte Kopfbewegung war die Antwort, die er brauchte, um zu wissen, dass sie bereit war.
Und dann passierte, was er sich all die Jahre lang gewünscht hatte – er küsste sie. Zuerst war es ein zögerlicher, fast prüfender Kuss, doch als Alice ihre vollen, warmen Lippen öffnete und ihn einlud, brach sie die letzte Mauer, die noch zwischen ihnen gestanden hatte. Die erste Berührung fühlte sich an wie Lebensenergie, die in ihn strömte, ihn ergriff, und ihn durchflutete. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag schien von dieser Energie durchzogen, als wäre es die Essenz des Lebens, die er jetzt in sich aufnahm.
Für Alice war die Überforderung, die sie noch eben gefühlt hatte, mit diesem Blick in seine Augen verschwunden. Alles, was sie in diesem Moment noch wollte, war seine Lippen zu spüren, sich in diesem Kuss zu verlieren. Als seine Lippen endlich auf ihren lagen, überkam sie eine ungeheure Hitze, als ob ihr ganzer Körper in Flammen stand. Sie entbrannte – endgültig. Ihre Hände fanden Halt in seinen Haaren, zerwühlten sie, während er ihren Körper fest an seinen presste.
Sie verloren sich in einem Kuss, der sich anfühlte, als würde die Zeit stillstehen, als würde die Welt um sie herum einfach nicht mehr existieren. Seine Zunge spielte mit der ihren, verspielte und forderte, als wollten sie sich in diesem Moment vollkommen begreifen.
Nie würde er genug von ihr bekommen, nie würde er den süßen Geschmack ihrer Lippen und den Funken, der bei jeder Berührung zwischen ihnen entflammte, satt haben. Ihre Lippen, fest und gleichzeitig zärtlich, ihre verspielte Zunge, die mit seiner tanzte – es war das, was er immer gewollt hatte. Und in diesem Moment wusste er mit einer Klarheit, die ihn selbst überraschte, dass er nie wieder von ihr loskommen wollte. Dass sie für ihn jetzt und für immer das Zentrum seiner Welt war, genauso sicher wie der nächste Sonnenaufgang.