Es war einmal in einem Schloss weit vor den Toren der Stadt, da wohnte eine wohlhabende Dame. Sie liebte Besuch und bewirtete gerne ihre Gäste, die von überall her zu ihr kamen.
Eines Tages klopfte ein Bettler an und bat um etwas Geld.
„Was soll ich tun?“, erkundigte sich die Hauswirtschafterin bei ihrer Herrin.
„Ein Bettler? Soso. Meine Gäste bewirte ich gerne und großzügig. Doch wenn es ihm nicht um eine Bewirtung geht, so gebt ihm 5 Pfund.“
„5 Pfund! Erlaubt, das ist eine große Summe“, wandte die Hauswirtschafterin ein, die selbst kaum mehr in einem Monat verdiente.
Da ihre Herrin auf der Summe bestand, ging sie zur Tür, an der der Bettler wartete. „Wollt Ihr Geld oder wollt ihr Gastfreundschaft? Wenn Ihr letzteres begehrt, so tretet ein und Ihr sollt ein Zimmer haben, so lange Ihr mögt, und warme Mahlzeiten obendrein. Wenn nicht, so gebe ich Euch diesen Geldschein.“
Dem Bettler fielen die Augen fast aus dem Kopf, als er das Geld erblickte. Hastig griff er danach und eilte davon, bevor es sich die in seinen Augen törichte Hausherrin anders überlegte. Denn Essen und ein Dach über dem Kopf würde er wohl schon woanders finden.
Allerdings hielten ihn die Räuber im Wald auf und verlangten Zoll.
„Ich habe nichts“, log der Mann.
Doch die Räuber glaubten ihm nicht. „Durchsucht ihn“, befahl der Anführer.
Der Bettler bekam Angst, seinen Reichtum zu verlieren und wehrte sich. Im Kampf mit den Räubern erlag er seinen Verletzungen.
Beim Schloss sprach ein weiterer Mann vor und bat um eine Gabe.
„Lasst ihn wählen, mein Gast zu sein oder gebt ihm einen Geldschein“, wies die Dame des Hauses ihre Hauswirtschafterin an.
„Wollt Ihr hier übernachten und mit meiner Herrin speisen, so tretet ein“, sprach diese an der Haustür zu dem Fremden. „Wenn es Euch jedoch nur um Geld geht, so nehmt diesen Schein.“ Sie streckte ihm eine Fünf-Pfund-Note hin.
Der Bettler kratzte sich nachdenklich, denn so viel Geld hatte er noch nie gesehen.
„Überlegt es Euch gut, denn meine Herrin bittet niemanden ein zweites Mal herein“, sprach ihm die Hauswirtschafterin zu.
Doch der Fremde schüttelte seinen Kopf. „Eine schwierige Wahl. Bitte sagt Eurer Herrin meinen Dank für ihre Gastfreundschaft. Doch so viel Geld, wie Ihr mir geben wollt, könnte ich in einem Jahr nicht verdienen.“ Er sprach es, nahm den Schein und verbeugte sich zum Abschied.
Die Hauswirtschafterin kehrte zurück an ihre Arbeit, während der Fremde die Stadt aufsuchte. Dort wollte er sich einmal alles das gönnen, was ihm bislang unerreichbar schien.
Doch hatte er die dunklen Wolken übersehen, die sich über dem Land zusammenbrauten. Noch während er voran eilte, brach ein heftiger Sturm los und brachte Eis und Schnee.
Der Mann suchte Schutz unter einem großen Baum. Doch gegen die Kälte war er nicht genug. So erlag er der Kälte, noch bevor er das Geld ausgeben konnte.
Indes erreichte ein dritter Wanderer das Schloss und betrachtete es voller Wohlgefallen. „So wunderschön, so gepflegt, welche glücklichen Menschen mögen dort wohnen?“ Er wandte sich zum Hintereingang, wo die Küche lag, und wurde von der Köchin empfangen.
„Was kann ich für Euch tun?“
„Mir ist das Anwesen aufgefallen und ich wollte es gerne besichtigen. Wäre das wohl möglich?“
Die Köchin bat ihn herein und hieß ihn Platz nehmen. Dann holte sie die Hauswirtschafterin, da sie keine Entscheidung ohne die Herrin treffen mochte.
„Wollt Ihr Gast sein, so tretet ein, aber stattdessen könnt Ihr auch diesen Geldschein nehmen.“ Die Hauswirtschafterin hielt dem Mann eine Fünf-Pfund-Note hin.
Er erbleichte. „Welche Summe! So viel verdiene ich in einem Monat nicht!“ Schamesröte zog in seinen Kopf. „Doch bin ich nicht gekommen, Euch auszurauben, sondern möchte mich nur umschauen.“
„Sehr wohl“, knickste die Hauswirtschafterin und ließ das Geld in ihrer Schürzentasche verschwinden. „Dann werde ich Euch ein Zimmer richten.“
Der Mann staunte und blieb zurück bei der Köchin, die bereits begann, alle Köstlichkeiten aufzutragen, die ihre Küche und Vorratskammer hergaben.
Als der Mann satt war, holte ihn die Hauswirtschafterin, um ihm sein Zimmer zu zeigen. Er folgte ihr durch die unzählbar vielen Räume, einer schöner und üppiger eingerichtet als der andere. Auch der Raum, der ihm zugewiesen wurde, gefiel ihm über die Maßen. In der Nacht träumte er und am anderen Morgen bat er um eine Beschäftigung.
Im Laufe der Monate machte er sich in vielen Bereichen auf dem Anwesen nützlich, im Stall wie im Haus wie im Garten, den er besonders liebte. Die Köchin strahlte jeden Tag, wenn sie ihn sah und gab ihm das Beste, das sie erschaffen konnte.
Als ein Jahr seiner Ankunft sich jährte, empfing sie ein Kind und die drei bezogen ein kleines Häuschen im Park des Schlosses.