Außer, er hatte ein Ass im Ärmel. Freya atmete durch und schoss dann mit einer rasanten Geschwindigkeit auf ihn zu, wobei sie dank der Windmagie den meisten Pfeilen geschickt ausweichen konnte. Noch nie war sie so schnell gewesen, aber im Moment wunderte sie sich nicht darüber.
Als sie endlich nah genug war, schnellte sie mit ihrer Hand vor und wirkte Magie, um den Bogen einzufrieren, in der Hoffnung, dass sie sich dadurch wertvolle Sekunden verschaffen konnte.
Es gelang ihr sogar, doch der Mann schien trotzdem noch zu wissen, was er tun musste, denn nun nutzte er ihn als Schlagwaffe, um damit Freya zu treffen. Fast wie mit einer Keule.
Damit hatte sie nicht gerechnet, doch sie schaffte es, gerade noch rechtzeitig auszuweichen. Freya beeilte sich, die Waffe mit Wind zu ummanteln, damit sie ihm diese entreißen konnte. Um es dem Mann schwerzumachen, ließ sie Dornenranken an dem Mantel wachsen.
Die Waffe des Mannes glühte auf und schmolz das Eis, während Freya noch versuchte, die Waffe zu ummanteln. Da er diese jedoch ständig hin und her bewegte, gelang es ihr kaum, den Zauber richtig zu legen. Dann plötzlich war er ihr so nah, dass er ihr ein Knie in den Magen rammen konnte.
Kurz wurde ihr schwarz vor Augen und sie taumelte, hielt sich jedoch tapfer auf den Beinen.
Genau in dem Moment nahm sie ein verschwommenes Bild vor sich wahr, das innerhalb von Sekundenbruchteilen Loyds Gestalt annahm. Es war so schnell verschwunden, dass sie glaubte, sie hätte es sich nur eingebildet. Und dennoch verwirrte es sie.
Freya riss sich zusammen, konzentrierte sich und stieß den Mann mit aller Kraft und der Hilfe von Magie von sich weg, dass dieser sogar taumelte. Um nicht gleich wieder angegriffen zu werden, hob sie ihre Hand und erschuf einen Feuerring, den sie um den Mann legte und zu zog.
Der Mann, der seinen Bogen fester griff, versuchte das Feuer mit Wasser zu löschen, doch das sorgte nur für Wasserdampf, der aufstieg und die Umgebung erhitzte.
Ein Knurren ertönte, das nicht zu einem Menschen passen wollte, bevor Eiszapfen auf Freya niederregneten.
Keuchend verstärkte sie ihr Schild und sorgte dafür, dass sich der Dampf in Eis verwandelte.
Wenn sie nicht bald etwas tat, würde sie verlieren.
Freya strengte ihren Kopf an und versuchte sich daran zu erinnern, was sie machen konnte. Was hatte sie in der Schule gelernt? Was könnte ihr helfen?
Sie ballte ihre Hand zu einer Faust, sammelte Windmagie und entschied sich dann dazu, den Mann großflächig in eine Blase zu hüllen, die ihn in die Luft steigen ließ.
Dann nutzte sie den kurzen Moment der Verwirrung und schleuderte ihn gegen einen nahen Baum.
Es knackte und der Baum wackelte, doch der Mann schien noch immer nicht erledigt. Er erhob sich wieder, als plötzlich der zweite Mann neben ihm auftauchte und ihn ergriff. Ihm fehlte ein Arm. "Wir ziehen uns zurück", sagte er, bevor er etwas auf den Boden warf. Rauch stieg auf, der Freya husten ließ.
Er raubte ihr den Atem und sie brauchte wenige Sekunden, um mit Wind diesen zu beseitigen. Erst dann wurde sichtbar, dass die beiden Männer verschwunden waren. Doch war die Gefahr gebannt und hatten sie sich komplett zurückgezogen oder warteten sie auf einen erneuten Angriff? Jeanne knurrte allerdings nicht mehr, was wohl hieß, sie waren geflüchtet.
"Damian?", flüsterte Freya mit kratziger Stimme und hielt sich den Bauch. Erst jetzt wurde sie sich den Schmerzen bewusst und sie sah sich um. Jeanne, aber auch die Kutsche waren weitgehend unversehrt.
"Bist du in Ordnung?", hörte sie Damian rufen, der auf sie zukam. Dabei humpelte er etwas, doch er schien nicht so schwer verletzt, wie es der Mann war. Als Freya jedoch das Blut erkannte, das sein Oberteil durchdrängte, wurde sie unruhig.
Anstatt auf seine Frage zu antworten, lief sie eilig zu ihm und legte eine Hand auf seinen Körper. Das war kein guter Anfang für ihre Reise! "Was ist passiert? Bist du schwer verletzt?", fragte sie unruhig. Im Gegensatz zu ihren paar Kratzern war Damian wirklich verletzt. "Kann ich dir helfen?"
"Alles gut, es ist nicht mein Blut", versicherte er schnell. "Ich habe mich am Bein verletzt, aber es ist nichts Ernstes." Seine Stimme klang rau, doch nicht schmerzerfüllt, während seine Augen Freya musterten. "Ich ziehe die Sachen aus und wasche mich, damit Melody nichts bemerkt."
"Lass mich dir helfen", bat sie, warf jedoch einen Blick zur Kutsche, in der alles ruhig war. Wahrscheinlich war ihre Tochter vom Spielen so erschöpft gewesen, dass sie nichts mitbekommen hatte. Das war von Vorteil, denn solche Bilder wollte sie Melody nicht zumuten. Es war besser, wenn sie sich beeilten, Damian zu versorgen und weiterzufahren.
Damian nickte leicht. "Ich habe die Kutsche mit einem Schild geschützt. So sollte Melody nichts gehört haben", bemerkte er, als er sich das Oberteil über den Kopf zog. Darunter kamen ein paar oberflächliche Wunden zum Vorschein.
Diese betrachtete Freya genauestens und nutzte Schnee, den sie erhitzte, um klares Wasser zur Reinigung zu haben. "Zum Glück ist dir nichts passiert", flüsterte sie erleichtert. Sanft reinigte sie die Wunden und seufzte. "Das war kein besonders guter Start für unsere Reise", bemerkte Freya traurig. "Tut dir etwas weh?"
"Mir geht es wirklich gut", versicherte Damian und küsste sanft ihre Nase. "Was ist mit dir? Wie geht es dir? Du siehst nicht verletzt aus."
Freya winkte ab. "Nur ein paar Kratzer und ein Schlag in den Magen", meinte sie lächelnd. Die Nachwirkung dessen spürte sie allerdings noch. Auch Loyds Bild ging ihr nicht aus dem Kopf. Warum sie ausgerechnet ihn gesehen hatte, verstand sie nicht. Vielleicht, weil der Kampf sie an den von Damian und Loyd erinnerte. "Viel wichtiger ist es, dass du in Ordnung bist. Melody wird sonst traurig", erklärte Freya. "Und ich auch", fügte sie hinzu.
"Und Melody und ich werden auch traurig, wenn du verletzt bist", erinnerte Damian sie sanft, bevor er seine Kleidung einfach mit einer Kugel Feuer verbrannte. Sie war sowieso voller Blut und das konnte er Melody unmöglich erklären.
"Mir ist nichts passiert", versprach Freya und zog sich ihren Mantel aus. Diesen legte sie Damian um die Schultern. "Lass mich bitte noch einmal kurz alles überprüfen. Danach hole ich dir Kleidung", schlug sie vor.
"In Ordnung", seufzte er und streckte die Arme aus, dass sie ihn noch einmal untersuchen konnte. Dabei behielt er die Umgebung im Auge. Immerhin wusste keiner, ob sie noch einmal angegriffen werden würden.
Auch Freya lauschte. Nicht nur auf etwaige Geräusche, sondern auch auf Jeannes Verhalten. Diese war angespannt, aber ruhig.
Schließlich war Freya fertig und gab Damian einen Kuss auf die Wange. "Bin gleich wieder da", versicherte sie und ging zur Kutsche. Leise öffnete sie die Tür und spähte hinein.
Melody schlief ruhig. Sie war auf der Bank zusammengerollt und Sina lag an ihrem Kopf. Beide gaben ruhige Atemlaute von sich. Ein Zeichen, dass sie wirklich nicht wach geworden waren.
Lautlos ließ Freya Damians Koffer zu sich schweben und holte eilig neue Kleidung heraus. Dabei beobachtete sie ihre Tochter und das Haustier. Sina hob einmal den Kopf, schlief aber gleich darauf wieder ein.
Genauso leise, wie Freya die Tür geöffnet hatte, schloss sie diese wieder und überreichte Damian die saubere Kleidung. "Zum Glück haben beide nichts mitbekommen. Sie schlafen", informierte sie Damian und half ihm, sich anzuziehen.
"Das ist sehr gut", seufzte er leise. Er hatte sich noch einmal gründlich mit Wasser gewaschen, weshalb seine Haare jetzt nass waren. Er trocknete sie gerade mit Wind, hielt aber inne, als Freya ihm die Kleider reichte. Schnell zog er sich an und setzte dann sein Werk fort. "Wir müssen besser aufpassen. Vielleicht können wir zur Sicherheit einen Zauber wirken, der die Umgebung im Auge behielt. Aber dazu bräuchten wir wohl eine Art Vorlage."
Fragend sah Freya ihn an. Er hatte recht damit, dass sie aufpassen mussten, aber mit seinem Vorschlag konnte sie kaum etwas anfangen. "Von was für einer Vorlage sprichst du?", wollte sie wissen und ging zu den Füchsen, um sie zu kontrollieren. Im Kampf hatte sie keine Zeit gehabt, sich um diese zu kümmern.
"Zauber, die mehrere Elemente nutzen, sind nicht so einfach. Man lernt sie erst in den höheren Jahrgängen. Man nutzt in der Regel eine Vorlage, die Magier in der Zeit erschaffen haben. Eine Art Bauplan für den Zauber. Zu finden in Grimoiren", erklärte Damian. "So gesehen Zauberbücher."
Jetzt erst verstand Freya, was er meinte. Ihre Gedanken lagen noch bei den Männern. "Haben wir so etwas dabei oder sollten wir lieber welche in der nächsten Stadt besorgen?" Ihr war alles recht, solange sie ihre Lieben schützen konnte.
Da sie an den Füchsen keinerlei Verletzungen finden konnte, kraulte sie deren Ohren und widmete sich dann Jeanne, die um ihre Beine schlich. Auch ihr Haustier bekam eine Extraportion Streicheleinheiten, bis Damian fertig war.
"Wir sollten uns welche besorgen. Vielleicht reichen einfach Schriftrollen. Es muss kein besonderer Zauber sein", sagte er nachdenklich. "An sich hätte ich gesagt, wir können experimentieren, bis wir es schaffen, aber das kann gefährlich sein und ich will Melody nicht verletzen."
"Ich auch nicht", pflichtete Freya ihm bei und nickte zur Kutsche. "Bist du soweit? Dann können wir weiterfahren. Es ist besser, wenn wir uns beeilen."
Damian seufzte leise. "Ja, ich bin soweit. Bleibst du bei mir?", fragte er, wobei er ihr den Arm umlegte und sie Richtung Kutsche führte. "Dann fühle ich mich besser."
"Natürlich", versicherte sie und half ihm, auf den Kutschbock zu steigen. Dann folgte sie ihm langsam und ließ sich vorsichtig nieder. Ihr Bauch zwickte und Freya war sich sicher, einen blauen Fleck davongetragen zu haben. Wenigstens war es keine größere Verletzung.
"Auf gehts zu unserer Unterkunft. Morgen können wir mit Elias reden", meinte Freya übermütig. Jetzt konnte sie es erst recht nicht erwarten, zu baden, zu essen und anschließend mit Damian und Melody zu kuscheln.