"Sei du selbst."
Das ist es, was sie immer sagen.
Und ich kann mir nicht helfen,
ich muss mich fragen:
Wer ist dieses 'Selbst' denn eigentlich,
von dem immer jeder so selbstverständlich spricht?
Das kann mir dann wieder mal keiner erklären.
"Das weißt nur du selbst."
Na wunderbar, sehr hilfreich, vielen Dank auch.
Wer das 'Selbst' ist, weiß nur das Selbst.
Sehr witzig.
Und jetzt?
Hab ich mich jahrelang unnötig selbst in Aufregung versetzt?
Wenn nur ich selbst weiß, wer ich selbst bin,
dann weiß doch auch keiner, wenn ich nicht ich selbst bin,
oder?
Wann bin ich denn überhaupt ich selbst?
Und wann nicht?
Himmel, mir schwirrt der Kopf.
Bin ich noch ganz dicht?
Nach jahrelanger Suche und qualvollen Fragen,
nach endlosen Stunden, Wochen und Tagen
voller Selbstzweifel, die mich wie Alpträume plagen,
erkannte ich schließlich wann ich ich selbst bin.
Wenn ich einfach sein darf,
von niemensch bedrängt.
Von keinen Erwartungen, Regeln oder Zwängen beengt.
Wenn ich Spaß habe, es mir gut geht,
ich mich nicht verstellen, verbiegen, verstecken muss.
Kurz: Ich bin dann ich selbst, wenn ich glücklich bin.
Und so wurde nach all den Jahren des Suchens das Rätsel endlich gelöst:
Wer mir sagte: "Sei du selbst." hat mir Glück gewünscht.
Doch dann gibts auch jene anderen noch,
die das Ganze missverstanden haben.
Sie sagen "Bleib wie du bist." und meinen es gut.
Und verstehen oft nicht, wie weh dieser Wunsch tut,
wenn mensch, so wie mensch ist, gar nicht glücklich ist.
Drum - bitte! - sei vorsichtig mit deinen Worten und Wünschen.
Achte auf die Gefühle deiner Mitmenschen.
Ein Kind versteht die versteckte Bedeutung oft noch nicht
und fragt sich, warum du willst, dass es unglücklich ist.
Sag lieber gleich: "Sei glücklich." und mein es auch so.
In diesem Sinne - und da ihr es nun richtig versteht -
seid ihr selbst - wo immer ihr auch hingeht und steht.
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Anmerkung:
Ein Freund, der selbst mit Depressionen zu kämpfen hat, wies mich darauf hin, dass auch "Sei glücklich." einen unangenehmen Beigeschmack und Druck für manche Menschen haben kann.
Passt also auch mit dieser Formulierung auf, zu wem ihr sie sagt.
In solchen Fällen wäre ein "Ich bin für dich da, wenn du eine Schulter zum Anlehnen brauchst." um einiges besser.
Hat jetzt nur nicht so gut in diesen Text gepasst. ;-)