So dauerte es auch nicht lange, bis Ferdinand nochmals ein grosses Stück gewachsen war. Er war nun nicht mehr ganz schwarz, sondern eher etwas bräunlich und mit kleinen, helleren Sprenkeln geschmückt. In der Sonne hatten vor allem die Sprenkeln nun einen besonders schönen Glanz, was die nette Frau stets bewundern feststellte. Ferdinand hatte nun schon sehr froschähnliche, runde Augen und einen ziemlich grossen, ebenfalls schon recht froschähnlichen Mund. Dementsprechend wuchs auch sein Appetit. Seine Halterin erkannte das schnell und fütterte nun ein Bisschen mehr. Manchmal gab es sogar ein kleines Stück Brot, oder ein Hirsebällchen, auf welches sich die Quappen dann besonders gierig stürzten.
Die Frau redete auch oft und liebevoll mit Ferdinand und seinen Geschwistern, hielt manchmal ihren Finger, oder die ganze Hand ins Wasser und Ferdinand und die anderen schwammen vertrauensvoll in die Hand hinein und knabberten an der leicht salzigen Haut ihrer Gönnerin.
Eines Tages bekamen die kleinen Quappen sogar etwas zum Spielen. Und zwar installierten ihre Halter, ein kleines Gerät, welches das Wasser durch Luftzufuhr, mit Sauerstoff anreicherte. Ferdinand entdeckte als einer der ersten, dass der kleine, sprudelnde Luftstrom, der nun von diesem Gerät aufstieg, wirklich lustig war. Er schwamm flink ganz nahe heran und liess sich vom Luftstrom nach oben tragen, das wiederholte er noch mehrere Male und es machte ihm riesigen Spass.
Seither spielten er und einige seiner Geschwister, immer wieder dieses Spiel, was die freundliche Frau und auch der Rest ihrer Familie, oft lachend beobachteten.
Keine Gefahr drohte den kleinen Quappen hier. Weder durch Fressfeinde noch durch extreme Witterungsbedingungen. Oder doch… einmal da wurde es nochmals sehr, sehr kalt in der Nacht. Stehendes Wasser gefror sogar, doch die Familie, liess umsichtig die ganze Nacht das Luft- Zufuhr Gerät laufen und so wurde das Wasser in Ferdinands Becken stets leicht bewegt und konnte nicht gefrieren. Ausserdem hatten die Menschen eine Schutzbox aus Styropor angefertigt, in die sie das Becken stellten, damit es von allen Seiten gut isoliert, gegen die schreckliche Schafskälte war. Die drei Eisheiligen schlugen tatsächlich nochmals mit all ihrer kalten Macht zu. Doch Ferdinand und all seine Geschwister, überstanden es unbeschadet, was wohl in der Natur eher nicht der Fall gewesen wäre, denn dort hätte die Kälte sicher einige Leben gefordert, wenn nicht gar jenes von Ferdinand selber.
Der schlimme Kälteeinbruch hinterliess einige Schäden in der Natur, unter anderem starben auch die frischen Triebe vieler Bäume ab und die Blüten der Obstbäume hatten gar keine Zeit sich richtig zu entfalten. Von all dem ahnte Ferdinand jedoch nichts.
Er freute sich einfach weiterhin des Lebens. Zwar dauerte es nun wieder ein wenig länger bis er und seine Geschwister sich weiterentwickelten, doch eine Tages war es so weit und dem kleinen Ferdinand, wuchsen dünne Hinterbeine.
Voller Freude testete er seine neu gewonnenen Fähigkeiten und auch seine Halterin freuten sich: «Ich glaube jetzt geht es dann nicht mehr so lange, bis sie Frösche werden!» meinte sie.
So verging die Zeit und auch viele von Ferdinands Geschwister bekamen nun ihre Hinterbeine. Bei den Vorderbeinen, dauerte es noch etwas. Doch dann… eines schönen Tages, begann die letzte Phase von Ferdinands Verwandlung, zum ausgereiften Frosch!
Seine Vorderbeine wuchsen ebenfalls und auch seine Kopfform, nahm die eines winzigen Jungfrosches an.
Seine grossen, goldenen Augen, mit der schwarzen Iris, hatten sich nun nach oben verschoben und nun sah er noch viel mehr von seiner Umwelt. Ferdinand konnte kaum glauben, welche neuen Wunder sich ihm dadurch eröffneten! Er hatte jetzt auch auf einmal keinen Hunger mehr und frass kein Fischfutter, keine Gurken und auch keine Algen mehr. Sein Appetit darauf war von einem Tag auf den anderen verschwunden und nun zerrte er nur noch von den Reserven, seines noch immer langen Schwanzes.
Mit diesem Schwanz und den vier neuen Beinen, erschlossen sich ihm noch viel mehr Möglichkeiten, sich fort zu bewegen. Er begriff sie Welt jetzt ganz anders, seine Sinne schärften sich und anfangs war er beinahe etwas eingeschüchtert, wenn der Schatten eines Mitgliedes der Familie, die ihn aufgezogen hatte, plötzlich über ihm auftauchte, Denn nun sah er auch nach oben sehr gut und irgendwie hatte er nun auch etwas mehr Angst. Doch die Frau redete täglich freundlich mit ihm und seinen anderen, bereits entwickelten Geschwistern und meinte: «Nur keine Angst, ich tue euch nichts, bald werde ich euch wieder in die Freiheit des Baches entlassen!» Das klang doch irgendwie ganz gut, fand Ferdinand.
Ab und zu streckte ihm die Frau einen Finger hin und mit der Zeit lernte er, dass er nicht sogleich die Flucht ergreifen musste, weil sie es nach wie vor nur gut mit ihm meinte. So fasste er ein weiteres Mal Vertrauen und kletterte der Frau manchmal sogar freiwillig auf den Finger oder die Hand, wenn sie ihm diese hinhielt. Der freundliche Mann der Familie, hatte nun extra ein angeschrägtes Brett gefertigt, dass wie eine kleine Insel auf dem Wasser schwamm. Auch Pflanzen gab es immer noch genug, um sich zu verstecken. Oft sass Ferdinand nun mit seinen Froschgeschwistern auf dem Brett und beobachtete von dort interessiert die Welt um sich. Er hörte das Zwitschern der Vögel bei Tag und das Zirpen der Grillen bei Nacht.
Im Wasser um ihn herum, schwammen noch immer seine anderen Geschwister, die noch nicht so weit entwickelt waren, wie er. Manchmal mischte sich Ferdinand noch unter sie, doch das tat er mit der Zeit immer weniger, denn eigentlich fühlte er sich auf seinem erhöhten Standort, dem schwimmenden Brett, ganz wohl. Seine Glieder und sein Körper waren nun auch gar fein und er konnte im Getümmel der Quappen (besonders zur Fütterungszeit) zu leicht verletzt werden.
Sein Schwanz wurde nun täglich kürzer und immer mehr Frösche entstanden in dem künstlichen Teich. Als sich ungefähr ein Duzend entwickelt und sich Ferdinands Schwanz ganz zurückbildet hatte, kam eines Tages, die ihm nun bestens bekannte Frau zurück. Sie fischte ihn und seine, bereits entwickelten Geschwister, vorsichtig aus dem Behälter heraus, der nun mehrere Monate ihr zu Hause gewesen war.
Ferdinand liess sich ohne Probleme in einen Plastikkrug setzen und harrte gespannt der Dinge, die da kommen würden. Ein aufregender, neuer Lebensabschnitt, würde nun für die kleinen Fröschlein beginnen, das spürte er und sein kleines Herzchen, pochte heftig in seiner Brust.
Die Frau trug den Krug vorsichtig in die unmittelbare Nähe des Laichplatzes, wo die Geschichten von Ferdinand, einst vor vielen Wochen, seinen Anfang genommen hatte. Ferdinand spürte, dass er in einem ihm irgendwie vertrauten Gebiet gelandet war. Die Frau legte das Gefäss, in dem die Fröschlein schwammen, ins flache Wasser und die Fröschlein wurden sanft hinausgeschwemmt, hinaus in die Freiheit!
Ferdinand zögerte noch einen Moment, bevor er ganz losliess und schon umfing der kühle Bach den kleinen Frosch. Der Boden war leicht sandig und schön flach. Es gab auch noch ein paar Pflanzen und Gräser hier. Ferdinand wagte noch nicht so recht, sich der leichten Strömung des Baches sogleich zu überlassen, denn da draussen, lauerten ganz neue Gefahren. So hielt er sich noch etwas an einem Gräslein fest und hüpften dann nochmals kurz an Land zurück, wo die Frau wehmütig den Weggang ihrer kleinen Zöglinge beobachtete. Einen kurzen Impuls folgend, wollte Ferdinand zurück zu der Frau hüpfen. Doch diese meinte: «Geh nur kleiner Frosch, da draussen wartet die Welt auf dich. Viel Glück!» Ferdinand zögerte nochmals und hob leicht seinen Kopf. Wie er es manchmal gemacht hatte, wenn die Frau ihn auf die Hand genommen und leise und sanft zu ihm gesprochen hatte. Einmal hatte sie ihm sogar ein leichtes Küsschen auf seine Froschnase gehaucht. Das hatte er eigentlich noch gemocht. Deshalb zögerte er auch, von der warmen Sicherheit, der Obhut der Menschenfamilie, hinaus in die weite, doch viel gefahrvollere Welt zu schwimmen.
Schliesslich jedoch, fasste er sich ein Herz und wagte sich etwas weiter ins Wasser vor. Sogleich ergriff ihn die leichte Strömung und mit seinen langen, beweglichen Froschbeinchen, schwamm er Richtung Bachmitte. Die Frau schaute ihm wehmütig nach, sie war schon etwas traurig. Doch nun hatte das kleine Fröschlein Ferdinand die Reiselust gepackt und er wollte sich nun mutig seinem neuen Leben stellen.
Eines Tages würde er vermutlich an diesen Ort hier zurückkehren und wie so viele andere vor ihm, die Eier mit seinem Nachwuchs, hier ablegen. Vorher aber, wartete noch eine aufregende Zeit auf ihn. Fröschlein Ferdinand war jedoch zuversichtlich. Bestimmt würde alles gut werden.
Ende