„Hast du gewusst, dass wir alle viel besser im Dunkeln sehen können als andere?“, fragt die liebe Pauline ihren neuen Freund, den sie zu sich eingeladen hat. Selbstverständlich mit der Erlaubnis ihrer freundlichen Eltern. Genauso wie bei Pit’s Mutter oftmals, befindet sich nun auch in ihren Händen ein ansehnliches Bilderbuch, in dem einige Wörter geschrieben stehen. „Die Menschen in Vanitas Hollow begrüßen die Nacht und das jeden Tag. Darum können sie – im Vergleich zu den anderen Menschen in der Adal-Region – viel besser in die Dunkelheit blicken, steht hier. Wir können sogar ganz schwache Umrisse erkennen, auch wenn es komplett finster ist!“, erklärt sie Pit begeistert, der ein wenig an seinem Tee schlürft. „Cool … Aua, heiß!“ „Hast du dich verbrannt? Du musst besser aufpassen!“, tadelt Pauline ihn darauf. Im Hintergrund versucht sich das Teekannen-Pokémon Mortipot den Kindern zu nähern. „Morti, komm doch her!“, fordert Pauline das lila zähflüssig wirkende Gespenst freundlich auf. Allerdings bewegt es sich nicht weiter vom Fleck. Ist es etwa schüchtern? „Traust du dich nicht?“ „Morti~“, setzt Pit nach, woraufhin es sich schließlich doch mit einem Teekannen-Klappern zu den Kindern gesellt. „Du hast es geschafft?! Es ist zu uns gekommen?! Das tut es nie … Meine Eltern machen aus dem Inhalt von Mortipod diesen Tee. Schmeckt er dir?“ „Ja, er ist schön süß.“ „Freut mich. Ich werde es ihnen sagen, ja? Dann werden sie sich auch freuen. Oh, und Mortipod freut sich natürlich auch.“ Diese beiden Grundschulkinder wirken zusammen so unschuldig und brav. Mit dem Geist-Pokémon zwischen ihnen ist es der perfekte Moment für Pit. „Bring doch das nächste Mal dein Gramokles mit. Dann können es, Morti und Fatali zusammen spielen.“ Genau so hat es sich Pit immer vorgestellt unter seinesgleichen zu sein und genauso hätte es sich Aura für alle Menschen auf Adal gewünscht. Aber wird es jemals dazu kommen? Sie sind immer noch an diesem Ort regelrecht gefangen. Niemand darf ein, noch aus. Nicht, seitdem … „Oh, hast du das hier schon gesehen? ‚Antol City‘ befindet sich auf einem Berg. Da oben soll es kalt sein und da ist dieses weiße … das weiße …“ „Schnee?“ „Ja, Schnee! Es ist eiskalt und man kann es sogar mit den Händen anfassen!“, spricht Pauline begeistert aus, als sie noch einmal umblättert und dabei auf die vielen, warm angezogenen Kinder zeigt, die mit dem sogenannten Schnee spielen, oder diesen gar auf andere Spielgefährten werfen. „Hihihi, das sieht lustig aus. Ich wünsche mir, wir können dahin.“ Lächelnd sieht Pit auf die Buchseite, dann zu der glücklichen Pauline und zum Schluss zu Mortipod, was den Aufenthalt der beiden zu genießen scheint. Auf der nächsten Seite sind wenige Personen in ihren traditionellen, seidenen Gewändern zu sehen, darunter zwei kleine Mädchen mit weißen Haaren. „Guck mal! Sind die nicht hübsch?! ‚Die Bewohner des Berges tragen keine dicke Kleidung, da sie sich an die Gegebenheiten angepasst haben und ihre eigene, faszinierende Kultur ausleben.‘ Wow! Das heißt, dass ihnen Kälte nichts ausmacht. Nicht so wie bei uns. Wenn es kalt wird, muss ich mich immer warm anziehen, weil ich sonst friere und Mama mit mir schimpft.“ „Ja, meine auch. Ist ja nicht immer so warm wie heute.“ „Obwohl keine Sonne scheint ändert sich die Wärme. Ich frage mich, wie sich die Sonne wohl anfühlt? Das muss schön sein. Wollen wir es irgendwann herausfinden?“, fragt Pauline Pit erwartungsvoll.
Die Wärme von Sonnenstrahlen … Ein noch nie erlebtes Gefühl. Die Wachen die in der Fluchhöhle stationiert sind, haben es vielleicht sogar einmal gespürt, aber ... nein, nein das dürfen sie nicht! Dieses Buch, was sich in Pauline’s Besitz befindet, dürfte nicht einmal mehr erlaubt sein?! „Ich weiß nicht … Ist die Sonne nicht unser Feind?“ „Nein, das glaube ich nicht. In diesem Buch freuen sich alle über die Sonne. Guck! Sie singen, spielen und tanzen.“ Selbst auf der Spitze des kältesten Ortes auf Adal. „Die Sonne hat uns im Stich gelassen! Und wieso hat sie das? Weil sie uns hasst. Ja, ganz genau: sie hasst uns alle! Wir sollten uns alle vor ihrem Zorn in Acht nehmen. Auch ihr, meine lieben Schüler!“, dröhnt auf einmal in den Kopf des Jungen wieder. Aber ausgerechnet ER sprach diese Worte aus: Herr Geppel. „Liebe Schüler“?! Dass Pit nicht lacht … Nein, bei seinem diabolischen Lehrer bleibt ihm eher die Luft im Halse stecken, als dass er über diesen lachen könnte. Aber was ist, wenn Pauline recht hat? Was ist, wenn die Sonne überhaupt kein Problem darstellt, sondern ganz im Gegenteil: gut tut? Pit streckt leicht seinen rechten Arm aus. Der kleine Finger erhebt sich und das Grinsen im Gesicht von Pauline wird breiter. „Wirklich?“ Pit nickt ihr zu, woraufhin Pauline ebenfalls ihren kleinen, rechten Finger zu seinem führt. „Ehrenwort.“
So kommt es dazu, dass sie sich immer wieder treffen. Selbst in der Schule versucht Pauline ihren Freund zu verteidigen und umgekehrt. Denn nachdem sie sich Pit genähert hat, wird sie von Chris und den anderen, jungen Mobbern als Ziel erfasst. Herr Geppel schmiedet sicherlich Pläne, um gegen Pauline vorzugehen, die sich auf den Sohn der Ex-Arenaleiterin Aura eingelassen hat. Aber egal wie es kommt: Pauline steht immer wieder auf und lächelt. Im Gegensatz zu Pit, denn er verlernte es irgendwann innerhalb der Schulzeit zu lächeln. Aber durch Paulines Präsenz kann sie ihm erneut das geben, was er einst verloren hatte. Beide wirken beieinander schier unzertrennlich. Dennoch weiß der junge Trainer nicht, warum Pauline all das für ihn tut. Das Meiste was er kennt … ist Ignoranz und Verachtung ihm gegenüber. Doch da seine Freundin immer wieder als Ziel auserkoren wird, kommen ihm immer mehr Selbstzweifel auf. Eines weiteren, dunklen Tages bekommt Pit mit, wie diesmal nicht er, sondern Pauline für DEN benoteten Kampf auserwählt wird. Was bedeutet, dass Herr Geppel, Chris und seine Handlanger ihr kleines Pokémon Fatalitee – die Vorstufe von Mortipod – vollständig massakriert haben. Die unschuldig wirkende, handliche Geister-Tasse regt sich nicht mehr, als Pauline schlussendlich zu ihr gelangen und diese entsetzt in den Finsterball zurückrufen kann. So, wie es bei Pit und seinem Gramokles ständig der Fall gewesen ist … Nur durch ihn – so denkt er – ist es dazu gekommen …
Nach diesem schrecklichen Schultag sehen sich die Beiden erneut. Pauline lächelt … so wie immer. Sie lässt sich nichts anmerken. Leicht verstört blickt Pit sie an. Er weiß, was passiert ist, auch wenn sie es nicht bemerkt hat. Schließlich erzählte ihm sein Klassenlehrer zum Ende hin alles … Natürlich unter vier Augen, damit es ja kein einziger Schüler oder Lehrer mitbekam. Jedes einzelne, grausige Detail, was Chris und sein Zwirrlicht ihrem Pokémon angetan hatte, schlug er in den Kopf des Jungen psychisch brachial ein. Er weiß, wie verletzlich Pit ist, weshalb er dieses freundschaftliche Bündnis zu Pauline für seine Methoden ausnutzt. „Hey, was guckst du denn so?“, fragt die fröhlich wirkende Schülerin ihren Freund. Der Junge jedoch starrt nur den Boden an. Er kann ihr nicht mehr in die Augen sehen. „Ich … Ich …“ „Ja?“ „Ich will dich nicht mehr sehen!“, flüstert er ihr auf einmal verunsichert zu. Pauline erstarrt. „… Was?“ „Ja, ich kann dich nicht mehr leiden!“ „W-W-Wieso sagst du das?!“, schreit Pauline ihn beinahe völlig außer sich an. Sie lächelte und lachte alles weg, doch auf einmal ist es ganz anders. Die Worte von Pit bohren sich wie Messer in ihr armes, kleines, zerbrechliches Herz. „Ich … HASSE DICH!“, setzt er noch einmal stotternd nach. Stille … Doch nicht für lange. Wie ein plötzlich ausbrechender Geysir fängt Pauline lauthals an zu weinen. Einige Schüler blicken zu ihnen, kommen auf sie zu und versammeln sich um die Beiden. Ein weiterer Moment, den beide betroffene Schüler als extrem unangenehm empfinden. Nach wenigen Augenblicken flüchtet das Mädchen komplett aufgelöst vom Schulplatz. All das, was ihr an diesem Tag widerfahren ist, wurde ihr zu viel. Diejenigen im Hintergrund fangen an zu reden; zu lästern; zu kichern. Pit wird ganz flau im Magen. Es wirkt so, als müsse er sich jeden Moment übergeben. Was hat er getan? Soll er ihr hinterherrennen, oder … ? Nachdem er sich mehrfach unentschlossen umsieht, entdeckt er seinen widerwärtigen Lehrer, dessen Charisma bisher alles und jeden täuschen konnte. Verschmitzt lächelt der Brillenträger Pit an. Er könnte schwören, dass dessen Brillengläser aufgeblitzt haben. Doch die Reaktion vom Lehrer führt immerhin dazu, dass Pit sich ein Herz fasst und Pauline hinterherrennt. Sie ist doch seine beste Freundin?! Wie konnte er nur? „Ich bin so dumm!“, denkt sich Pit, während er ihr so schnell wie möglich hinterherrennt. Pauline mag zwar noch ein weiteres Stück von ihm weg sein, aber er kann sie immer noch von weitem sehen. Zumindest sieht er sie so lange, bis sie in den verbotenen, düsteren Wald hineinrennt. „Oh, nein! Oh, nein! Oh, nein! Der Dämmerwald?!“ Der Junge bleibt wie angewurzelt stehen. Tränen- und Schweißperlen Tropfen über sein Gesicht. Pit’s Atem wird schwerer. „Sie ist da drin …“ Soll er umkehren und den anderen Einwohnern von der Situation erzählen? Noch zögert er, doch dann: „Es ist meine Schuld! Ich kann nicht warten!“ Die Silhouette des Sohnes von Aura verschwimmt im finstersten Dickicht, was Adal anzubieten vermag.