Die Tage vergingen nur langsam für mich. Ich hatte zwar jetzt endlich wieder ein Dach über dem Kopf und meinen Partner Kaito, der versuchte, mich abzulenken. Wir verbrachten viel Zeit gemeinsam. Mal kuschelnd auf der Couch, mal machten wir einen Spaziergang im Freien. Er war stets an meiner Seite.
Trinken durfte ich nur noch unter seiner Aufsicht, und nicht zu viel. Das störte mich anfangs etwas, ich sah jedoch ein, dass er nur um mich besorgt war. Wenn Kaito arbeiten war, saß ich allein bei ihm Zuhause und wusste kaum etwas mit mir anzufangen. Ich war ja die meiste Zeit total blau gewesen, oder hatte meinen Rausch ausgeschlafen. Auch am heutigen Nachmittag war Kaito nicht da, er wollte einen neuen Trick einstudieren, hatte er gesagt. Ich saß auf der Couch im Wohnzimmer und starrte ins Leere. Ich versuchte mein Bestes, nicht ans Trinken zu denken. Seufzend stand ich nach einer Weile auf und schnappte mir ein Buch aus dem Regal. Meine Hände begannen zu zittern. So konnte ich wohl kaum lesen, dachte ich. Genervt stellte ich das Buch zurück.
Das war doch sinnlos. Ich beschloss, Kaito eine Freude zu machen und ihn von seinem Arbeitsort abzuholen. Er hatte gesagt, dass er gegen 17 Uhr Zuhause sein wollte, also hatte ich noch genug Zeit, ihn auf Arbeit abzupassen.
Ich machte mich auf den Weg, empfand tatsächlich so etwas wie Freude. Ich hatte eine Aufgabe, wenn auch nur eine kleine. Und der Mensch, der mir am wichtigsten geworden war, würde sich sicher freuen, mich zu sehen. Ich lief durch die Straßen, bis ich vor dem Theatergebäude stand, in welchem Kaito seine Shows veranstaltete. Er hatte mich schon einmal zusehen lassen, daher kannte ich den Weg dorthin.
Was ich dann sah, ließ mein Herz kurz aussetzen. Kaito war bereits draußen und unterhielt sich fröhlich mit einer jungen Frau, mit langen, braunen Haaren. Wer war das?! Ich versteckte mich hinter einer Hausecke und beobachtete die Beiden, sodass sie mich nicht sahen. Die zwei plauderten fröhlich und scherzten. Sie wirkten sehr vertraut miteinander. Konnte es sein das… Kaito mich nur verarscht hatte? Lief da etwas mit dieser Frau? Ich schluckte und mir wurde kalt. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, umarmte er sie auch noch! Die Braunhaarige gab ihm einen Kuss auf die Wange und winkte, bevor sie sich umdrehte und los lief. Kaito winkte ihr fröhlich zurück und machte sich auch auf.
Ich musste weg, weg von hier. Weg von ihm.
Ich lief so schnell ich konnte los, bedacht darauf, dass er mich nicht hörte. Meine Füße trugen mich wie automatisch in mein bekanntes Gebiet, in dem ich jahrelang unterwegs war. Ich stand atemlos vor dem Laden, in dem ich mich bis vor Kurzem immer eingedeckt hatte. Ich betrat zitternd den Laden, bemerkte kaum, wie etwas heißes mein Gesicht herunterlief. Meine Finger berührten das Nasse. Ich weinte also.
Ich lachte verbittert auf. An der Kasse bezahlte ich den bekannten Betrag und verließ den Laden. Meine Füße bewegten sich wie von alleine in die mir noch sehr bekannte Seitengasse, in der es so stank. Doch mir war gerade alles egal, ich wollte nur den Schmerz los werden.
Ich setzte die Whiskeyflasche an und trank. Schluck um Schluck brannte der Alkohol in meiner Kehle. Was für ein schönes Gefühl! Ich setzte die Flasche ab, um kurz darauf weiter zu trinken. Meine Welt begann sich zu drehen. Ich sank zusammen und rutschte an der Hauswand nach unten. Die Flasche wanderte erneut wie automatisch zu meinem Mund.
Irgendwann musste ich eingenickt sein, denn es war bereits dunkel, als ich wieder aufwachte. Ich trank erneut ein paar Schlucke. So musste die Zeit vergangen sein, mal schlief ich, mal trank ich.
Ich bemerkte am Rande, wie sich mir Schritte näherten und jemand meinen Namen rief.
Moment mal, jemand rief meinen Namen? Wer konnte das sein? Ich zitterte mittlerweile so stark, dass ich kaum mehr koordinieren konnte, was ich tat, und verschüttete etwas vom Alkohol auf meine Sachen. Meine Gedanken ließen sich kaum fassen. Ich sah mich um und versuchte zu erraten, wo ich war, doch ich hatte keine Ahnung. Mein Kopf dröhnte von der Stimme, die nach mir rief und jetzt nah bei mir war. Jemand zog mich nach oben, meine Welt begann gefährlich zu schwanken. Ich klammerte mich an die Person, die mich hielt, doch konnte sie kaum fassen. Auch konnte ich immer noch nicht erkennen, wer es war, denn mein Sichtfeld verschwamm ständig.
Wollte die Person mir schaden? Sie schüttelte mich leicht. Sicher wollte sie das! Ich nahm meine Kraft zusammen und stieß sie von mir weg. „Lass mich in Ruhe!“, lallte ich. Ich wollte los laufen, doch stolperte. Erneut hielt mich die Person fest. Ich vernahm die Stimme und langsam sickerte in mein Bewusstsein, dass es sich um Kaito handelte. „...Shinichi… Hör auf dich zu wehren, ich bin es doch nur...“, hörte ich mal deutlich, mal gedämpft. Wie als würde jemand an einem Radio die Frequenz einstellen.
Ich sank erneut zu Boden, gab den Widerstand auf. Eine Hand streichelte durch meine Haare. Die andere hielt mich fest. Als nächstes nahm ich wahr, dass sich uns mehrere Personen näherten. Ich schnappte medizinisch klingende Worte auf, wie „Delirium tremens und Clomethiazol”. Gleichzeitig piekste es in meinem rechten Arm. Man legte mich auf eine Bahre und plötzlich hatte ich etwas auf Mund und Nase liegen. Es wurde hell und ich bemerkte noch, wie einige Menschen um mich herum standen. Dann wurde es dunkel.
Ich kam langsam wieder zu mir, hielt aber die Augen noch geschlossen. Um mich herum ertönte leises Piepsen. Ich beschloss, sie langsam zu öffnen. Die Helligkeit des Raumes stach mir in die Augen und schnell verengte ich sie zu Schlitzen. Nach einer Weile hob ich leicht den Kopf und sah mich um. Neben mir standen technische Geräte und mehrere Betten. Ich sah an mir herunter. Auch ich lag in einem Bett. In meinem Kopf begann es, sich zu drehen. Ich stöhnte leise und legte mich wieder hin.
Doch irgendwann siegte meine Neugierde und ich erhob mich erneut, diesmal langsamer. An meinem Bettende lag jemand. Es war Kaito. Er hatte die Arme auf dem Bett liegen und hatte seinen Kopf darauf gebettet. Ich versuchte mir in Erinnerung zu rufen, was geschehen war, doch ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Kaito regte sich leicht und sah mich an. Er sah sich kurz überrascht um, schien dann aber zu wissen, wo er war und was er hier wollte. Er stand auf und streckte sich. Dann kam er zu mir und nahm meine Hand, in der keine Nadeln mit Schläuchen dran steckten.
„Shinichi, endlich bist du wach… Ich hab mir solche Sorgen gemacht“, sagte er leise.
„Kaito“, krächzte ich. Er reichte mir ein Glas Wasser. Dankbar trank ich daraus. „Was mache ich hier? Was ist passiert?“
„Du hattest ein Alkoholdelirium. Zum Glück habe ich dich noch rechtzeitig gefunden, sonst...“
„Was 'sonst'?“
„Du hättest sterben können!“, antwortete Kaito aufgebracht. Gleich darauf beruhigte er sich wieder. „Warum um alles in der Welt, hast du wieder damit angefangen? Du warst doch auf einem guten Weg… Ist es, weil ich dich allein gelassen habe?“ Er sah mich traurig an.
So langsam sickerten Erinnerungen zurück in mein Gedächtnis. „Warte mal… Ich hab dich gesehen, wie du… Ja, jetzt weiß ich es wieder! Du betrügst mich mit dieser jungen Frau und dann habe ich die Kontrolle verloren.“
Kaito sah mich verständnislos an. Er schien nachzudenken. „Wie? Ich betrüge dich nicht, Shinichi… Wenn du Aoko meinst, sie ist meine Sandkastenfreundin. Wir sind nur Freunde, nichts weiter, wirklich!“, beteuerte er.
„Das sah aber etwas anders aus...“, gab ich störrisch zurück.
Kaito seufzte leise und fuhr sich durch die Haare. „Es tut mir leid, dass du es falsch aufgefasst hast. Aber zwischen mir und ihr ist wirklich nichts Ernstes. Mensch Shinichi, rede doch mit mir!“ Er schien den Tränen nahe zu sein.
„So viel bedeute ich dir?“, fragte ich leise. Kaito sagte nichts, nahm mich stattdessen in den Arm. Dann küsste er mich, sanft und liebevoll.
Nach einer Weile lösten wir uns voneinander.
„Du bist wirklich ernsthaft krank, Shinichi… Die Klinik, in die du willst, hat sich noch nicht gemeldet, oder?“
„Nein, ich habe noch nichts von denen gehört...“, antwortete ich niedergeschlagen. Wir schwiegen bedrückt. Ich schien es tatsächlich übertrieben zu haben, wenn ich im Krankenhaus landete. Die Klinik, bei der wir angerufen hatten, war eine Entzugsklinik speziell für Alkoholkranke. Wenn es soweit war, würde ich ganze fünf Wochen dort bleiben müssen. Aber wenn es mir half mit dem Trinken aufzuhören, würde ich es angehen. Der Vorfall hatte mir gezeigt, wie labil ich war, und wie schnell ich in mein altes Trinkverhalten zurückgefallen war.
Die Zeit im Krankenhaus war unangenehm, da ich mit Entzugserscheinungen zu kämpfen hatte. Man gab mir zwar Medikamente, damit es nicht allzu schlimm war, doch die hatten recht wenig genützt. Wer mir wirklich geholfen hatte, war Kaito. Er war zur Besuchszeit immer an meiner Seite gewesen und hatte meine Hand gehalten. Wenn ich in der Lage war aufzustehen, hatte er mich in den Arm genommen. Geredet hatten wir nicht viel, wichtiger war unser Zusammensein gewesen. Es war dumm von mir gewesen zu glauben, dass Kaito mich betrügen würde. Er war für mich da, wie kein anderer. Ich entwickelte langsam ein tiefes Vertrauen zu meinem Partner.
Ein paar Tage später wurde ich endlich aus dem Krankenhaus entlassen. Wir liefen gemeinsam Hand in Hand nach Hause zu ihm. Mir war egal, was die Leute von mir dachten. Sollten sie doch reden, mein Ruf war sowieso schon im Eimer. Und ich wollte zu meinem Partner stehen, dem Menschen, der mir unheimlich wichtig geworden war. Kaito schien es ebenfalls nicht zu stören, was andere von ihm dachten. Er hakte sich bei mir unter und sagte mir, dass er mir unbedingt Aoko vorstellen wollte, damit es nicht wieder zu Missverständnissen kam. Ich brummte nur, da ich nicht wusste, was ich davon halten sollte.
Dann an diesem Nachmittag rief endlich die Klinik an. Ich sollte zu einem ersten Gespräch hin kommen, dann würden sie noch einige Tests mit mir machen. Zitternd legte ich am Ende des Gesprächs auf. Ich bekam kalte Füße. „Was ist, wenn sie mich doch nicht nehmen?“, fragte ich ängstlich.
„Sie werden dich nehmen. Denk gar nicht an etwas anderes“, versuchte Kaito mich zu beruhigen.
Wir packten eine Tasche mit meinen Sachen und machten uns am nächsten Tag gleich morgens auf den Weg zur Klinik.
Sie lag am Rande von Tokyo, im Grünen. Wir liefen auf mehrere, weiße Gebäude zu, bis wir vor einem stehen blieben und lasen. „Hauptgebäude und Anmeldung“, stand dran. Ich schluckte. Jetzt gab es kein zurück mehr. Kaito drückte aufmunternd meine Hand. Ich öffnete die Glastür und hielt sie ihm auf. Wir standen in einem großen Raum, der in freundlichen, hellen Farben gestrichen war. Vor uns saß eine junge Frau am Empfangstisch. Ich trat auf sie zu und sagte meinen Namen und mein Anliegen. Die Frau stand auf und führte uns durch die Gänge. Wir blieben vor einer grünen Tür stehen. „Zimmer 201“, las ich. Wir setzten uns auf die gepolsterten Stühle neben der Tür und warteten kurz, bis ich hereingerufen wurde. Ich sah Kaito stumm an, der mir zulächelte und den Daumen nach oben zeigte.
Der Arzt war ein älterer Mann, schätzungsweise in den frühen Fünfzigern. Er machte einen ruhigen, und kompetenten Eindruck auf mich.
Er fragte mich zunächst nach meinem Namen und meinem Alter, ließ mich dann meine Situation mit eigenen Worten schildern. Dann wollte er wissen, wie meine familiäre Situation war, ob ich Vorerkrankungen hatte, wie es zu meiner Sucht gekommen war, und so weiter.
Das Gespräch dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Ich hatte nicht erwartet, dass es mich so mitnehmen würde. Doch der Arzt hatte Empathie gezeigt, hatte mich nicht für meine Fehler verurteilt. Am Ende des Gesprächs schüttelten wir die Hände und er verwies mich zu einem weiteren Zimmer. Dort würde mir eine Schwester Blut abnehmen und testen, wie viel Alkohol ich im Blut hatte.
Ich trat hinaus. Kaito sprang so gleich auf und nahm mich in den Arm. Er fragte mich leise, wie es war, doch ich wollte jetzt noch nicht darüber reden. Stattdessen bedeutete ich ihm, mir zu folgen. Die Tests waren schnell gemacht und wir mussten einige Zeit warten. Wieder diese Ungewissheit. Wieder kam der Drang, etwas zu trinken…
Kaito und ich unterhielten uns leise, bis eine weitere Frau auf uns zu trat. „Hallo Herr Kudo, wir werden Sie aufnehmen. Bitte kommen Sie mit mir, zu Ihrem Zimmer.“, sagte sie freundlich. Ich war erleichtert. Der nächste Schritt war gemacht. Wir liefen ihr hinterher, sie führte uns aus dem Gebäude heraus, in ein Weiteres. „Dies ist Station E. Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“ Neugierig blickten wir uns um, sahen Patienten im Aufenthaltsraum sitzen, andere kamen uns entgegen. Man beobachtete uns, jedoch wie es schien, nicht ablehnend.
Schließlich war der Moment des Abschieds gekommen. Kaito würde nach Hause fahren und ich ohne ihn klarkommen müssen. Wir umarmten uns in meinem Zimmer, Kaito streichelte meinen Rücken. Er versicherte mir, dass wir telefonieren, und uns an den Wochenenden sehen würden. Ich nickte nur, da ich meiner Stimme mit dem Kloß im Hals nicht traute.
Die erste Zeit, in der ich wirklich nur Wasser oder Tee zu trinken bekam, war besonders hart. Man ließ mich völlig ausnüchtern, bevor die Therapien begannen. Diese Zeit war langweilig. Ich verbrachte die Tage damit, auf meinem Einzelzimmer zu sein und meinen Plan für die nächste Woche auswendig zu lernen.
In den darauffolgenden Tagen kam ich kaum dazu, meinen Partner oder das Trinken zu vermissen. Mein Tagesablauf war klar strukturiert. Um sieben Uhr aufstehen, Tabletten holen. Einmal in der Woche wiegen. Dann Morgensport, anschließend Frühstück. Bis zum Mittagessen verschiedene Begleittherapien und Gespräche mit Ärzten und Psychologen. Ich rannte also den ganzen Tag von einem Ort zum anderen. Die Gespräche verlangten mir Einiges ab, da es für mich nicht leicht war, über mein Problem zu reden. Doch man zeigte mir, dass ich nicht alleine war und dass ich mich nicht zu schämen brauchte.
Nachmittags dann kleine Unternehmungen mit anderen Patienten, oder einfach nur unterhalten. Wenn mir alles zu viel wurde, zog ich mich auf mein Zimmer zurück. Nach dem Abendbrot telefonierte ich dann mit Kaito und wir erzählten uns von unserem Tag. Um zweiundzwanzig Uhr war Bettruhe. Es fiel mir nicht schwer diese einzuhalten, da ich immer ziemlich kaputt war. So verliefen die Tage ähnlich und doch immer wieder anders.
In der Gruppentherapie lernte ich auch die Probleme meiner Mitpatienten näher kennen und merkte, dass es mir vergleichsweise noch gut ging zur Zeit. Es gab andere Alkoholkranke, manche waren Tabletten- oder Rauschgiftsüchtig. Schließlich kam der Moment, in dem auch ich etwas über mich erzählen musste. Ich nannte zögerlich meinen Namen und wartete gespannt auf Ablehnung, oder darauf, dass ich verhöhnt wurde. Doch nichts dergleichen geschah. Man hörte mir gespannt zu und ich bekam mitfühlende Kommentare. Keiner verurteilte mich, obwohl mein Leben derartig aus dem Ruder gelaufen war. Später erzählte ich auch von meinem Fels in der Brandung, dem Mann, der mir Halt gab. Auch dann wurde ich weder belächelt, noch runter gemacht. Die Therapie tat mir sehr gut.
Eine brenzlige Situation gab es allerdings. Ein Mitpatient hatte es irgendwie geschafft, dass ihm jemand Alkohol mitgebracht hatte. Er zeigte es uns am Abend im Aufenthaltsraum, als er dachte, dass keiner vom Pflegepersonal in der Nähe war. Ich schluckte. Ich spürte sofort den Durst und das Verlangen danach, zu trinken. Der Kerl sah es mir an und grinste dreckig. Er hielt mir die Flasche vors Gesicht, der Geruch des Schnapses stieg sofort in meine Nase. Ich leckte über meine trockenen Lippen. Doch kurz bevor ich zugreifen konnte, ging hinter uns die Tür auf. Man hatte uns erwischt. Den Patienten hatte ich an diesem Abend das letzte Mal gesehen. Ich kam mit einer Verwarnung davon.
Auf meinem Zimmer berichtete ich Kaito leise davon, da schon Nachtruhe war. Er echauffierte sich gleich und redete auf mich ein, dass ich echtes Glück hatte, dass im letzten Moment noch eine Schwester hereinkam. Sonst wäre ich wohl schwach geworden.
Doch nach diesem Zwischenfall gab es keine weiteren Situationen dieser Art mehr. Ich genoss am meisten die Sporttherapie, in welcher ich meinen heruntergekommenen Körper wieder trainieren konnte. Auch in meiner Freizeit hatte ich mir angewöhnt, laufen zu gehen. Mal spazierte ich auch nur und betrachtete meine Umgebung genauer. Ich genoss es, dass meine Sinne wieder schärfer wurden. Wenn ein neuer Patient kam, versuchte ich zu erraten, welchen Beruf er ausübte und welche Krankheit er wohl hatte. Meist lag ich richtig. An den Wochenenden besuchte mich Kaito regelmäßig. Er lobte mich für meine Fortschritte und war stolz auf mich. Wir verbrachten unsere gemeinsame Zeit meistens auf dem Zimmer, oder ich zeigte ihm die Umgebung. Mehr Zweisamkeit als zu kuscheln, traute ich mich jedoch nicht, da jederzeit jemand an die Tür klopfen, oder gleich reinkommen konnte. Für ihn war das ein Anreiz, ich wollte es jedoch nicht. Kaito schmollte dann leicht, aber er verstand mich.
Es war der Samstag in der dritten Woche, meiner stationären Therapie, als wir wieder auf meinem Zimmer waren und uns unterhielten. Es klopfte und die Schwester trat ein.
„Hallo Herr Kudo, Sie haben noch einen Besuch“, sagte sie und schien sich für mich zu freuen. Ich ahnte schon irgendwie nichts Gutes. Zögerlich stand ich auf und folgte ihr. Kaito kam mit etwas Abstand hinterher. Wahrscheinlich wollte er erst mal beobachten, was passieren würde. Ich staunte nicht schlecht, als ich Ran sah, die am Dienstzimmer stand.
„Hallo Shinichi, wir haben uns ja ewig nicht gesehen! Wie geht es dir?“, fragte sie gleich und lächelte mich an.
Mir stockte der Atem. Was wollte die denn hier?! „Ich ähm… Gut, danke“, sagte ich leise und beobachtete sie misstrauisch.
„Ich habe gehört, dass es dir schlecht ging. Ich freue mich ja so, dass du auf dem Weg der Besserung bist.“ Sie lief auf mich zu und umarmte mich. Mein Körper versteifte sich automatisch. Sie war es doch gewesen, die mich einfach weggeworfen hatte, und jetzt wollte sie mich wohl wieder zurück?
„Lass uns einen Neuanfang machen, Shinichi. Es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe. Bitte verzeih mir.“
Doch bevor ich antworten konnte, räusperte sich jemand hinter uns. Ran ließ mich endlich los. Ein finster dreinblickender Kaito trat neben mich und verschränkte die Arme. „Darf ich fragen wer du bist?“
„Ich bin Ran, Shinichis Freundin“, antwortete sie kühl und musterte Kaito von oben bis unten.
„Exfreundin...“, sagte ich leise. Ran überging das.
„Und du bist?“
„Kaito Kuroba, Shinichis Freund.“ Er betonte jedes Wort und sah sie herausfordernd an. „Wie ich gehört habe, hast du ihn einfach rausgeschmissen und sämtliche Kontaktversuche ignoriert. Und jetzt kommst du angekrochen?“
Ran sah mit aufgerissenen Augen zwischen uns hin und her. Kaito trat näher zu mir und legte besitzergreifend einen Arm um mich.
„D-Du… Der ist wirklich dein Freund?“, fragte sie leise und zeigte überflüssigerweise auf meinen Partner.
„Ja, ist er“, antworte ihr Kaito.
„Ich.. Das wusste ich nicht…“
„Du gehst jetzt besser. Ich möchte dich nicht mehr sehen“, sagte ich mit fester Stimme und legte demonstrativ einen Arm um Kaito.
Ran warf mir noch einen ungläubigen, traurigen Blick zu, dann drehte sie sich um und ging. Kaito und ich sahen uns an. Er rollte mit den Augen.
„Komm, lass uns wieder auf mein Zimmer gehen“, sagte ich leise.„Bist du eifersüchtig?“, fragte ich ihn, nachdem ich die Tür hinter uns geschlossen hatte. Kaito sagte nichts.
Er trat zu mir heran und küsste mich, fordernd und wild. Ich erwiderte den Kuss, hoffend, dass uns niemand erwischen würde.
Dann löste er sich von mir und sprach mit rauer Stimme: „Natürlich bin ich das… Was will die Schnepfe hier?“
Ich zuckte mit den Schultern und legte meine Arme um Kaito, zog ihn wieder zu mir heran. Unsere Lippen fanden erneut zusammen. Seine Hände wanderten unter meinen Pullover, strichen über meine Rippen. Seine Finger ertasteten meine Nippel und reizten diese. Ich keuchte in den Kuss, meine Hände fuhren über seinen Rücken. Als Kaito mich am Hals küsste, klopfte es auf einmal.
Wir fuhren erschrocken auseinander. Die Schwester von vorhin trat ein und erkundigte sich, ob alles in Ordnung war. Ich bejahte die Frage und konnte sie schnell abwimmeln. Kaito und ich sahen und an und lachten nervös.
„Das ging ja gerade noch mal gut, was?“, fragte er mich grinsend.
„Lass uns genau dort weiter machen, wenn ich hier raus bin, okay?
Kaito murrte leise, doch ich konnte ihn überzeugen. Wir kuschelten uns die restliche Besuchszeit aneinander und machten Pläne für die Zeit nach meiner Therapie. Er wollte mich bei seinen Auftritten dabei haben und wir wollten zusammen verreisen. Doch als Erstes wollten wir uns nach einer größeren, gemeinsamen Wohnung umsehen. Kaitos Hand fuhr durch meine Haare und streichelte mich sanft. Ich kuschelte mich an ihn.
„Du?“, fragte er mich plötzlich.
„Hmm?“, machte ich leicht schläfrig.
„Aoko will morgen zu mir kommen. Soll ich sie mit hier her bringen?“
„Nein, ich möchte das nicht, noch nicht. Dann sehen wir uns wohl erst nächstes Wochenende wieder...“, antwortete ich enttäuscht.
„Okay… Sorry, aber ich konnte sie nicht abwimmeln. Wir haben uns jetzt drei Wochen nicht mehr gesehen, und...“
„Schon gut. Triff dich mit ihr. Ich vertraue dir“, unterbrach ich ihn.
„Und du bist nicht sauer?“
„Es ist okay“, sagte ich nur.
Kaito küsste mich entschuldigend und schlang seine Arme um mich.
Leider gab es kurz danach auch schon Abendbrot und damit war Ende der Besuchszeit. Ich überlegte, ob ich Kaito einfach in meinem Zimmer verstecken sollte. Aber man würde uns auf die Schliche kommen, das wusste ich. Blöd, dass ich nicht abschließen konnte…
Die nächsten zwei Wochen zogen sich. Langsam wurde es wieder wärmer draußen und das Wetter besser, was ich nutzte, um mehr laufen zu gehen. Irgendwie musste ich mich ja beschäftigen. In den Gesprächen ging es jetzt hauptsächlich darum, wie ich in der Welt da draußen klar kommen sollte, um möglichst abstinent zu bleiben. Man empfahl mir eine Selbsthilfegruppe. Ich dachte mir, dass ich es erst einmal allein probieren wollte, bevor ich diese Hilfe in Anspruch nahm. In der Rollenspielgruppe probierte ich aus, wie ich die Einladung zu einem Bier, oder ähnlichem ablehnen konnte.
Und dann kam er endlich, der Tag, an dem ich entlassen wurde.
Ich packte meine Sachen, als es an der Tür klopfte. Kaito lugte herein und grinste mich fröhlich an. Ich begrüßte ihn mit einem Kuss und stopfte anschließend die letzten Klamotten in meine Tasche. Ich schnappte noch meinen Rucksack, dann machten wir uns auf den Weg. Meine Mitpatienten wünschten mir alles Gute, dann traten wir hinaus ins Freie. Die Sonne strahlte uns entgegen, ich hatte das schönste Wetter für meinen Entlassungstag erwischt.
„Ich bin noch für die Eingewöhnung Zuhause zwei Wochen krank geschrieben. In dieser Zeit wollte ich im Präsidium anrufen. Vielleicht brauchen die mich ja noch“, dachte ich laut.
„Klar. Du bist nicht mehr der alte, sondern du hast dich verändert. Zum Positiven. Ich denke schon, dass sie dich wieder haben wollen“, stimmte Kaito mir zu.
Zuhause angekommen, stellte ich meine Sachen ab und setzte mich auf die Couch. Tat das gut, wieder in meinem neuen Zuhause zu sein… Kaito setzte sich schweigend neben mich. Wir sahen uns stumm an und dachten beide dasselbe.
Keine Sekunde später lagen unsere Lippen aufeinander. Wir küssten uns verlangend. Schnell landeten die Klamotten auf dem Boden und Kaito auf mir. Jetzt war es an der Zeit, nachzuholen, was uns fünf Wochen lang gefehlt hatte…
Kaito verwöhnte meinen Hals mit Küssen, während seine Finger in mich eindrangen. Ich stöhnte vor Lust und krallte meine Finger in sein wuscheliges Haar. Kaito zauberte ein Kondom hervor. Woher auch immer er es so schnell hatte. Mit geübten Fingern öffnete er es und rollte es auf seinem Penis ab. Dann zog er seine Finger zurück und ersetzte sie durch seine Länge. Ich schlang ungeduldig meine Beine um ihn. So lange hatten wir darauf verzichten müssen, jetzt sollte es schnell gehen.
Kaito drang vorsichtig, aber nicht zu langsam in mich ein. Ich keuchte vor Schmerzen, wusste aber, dass sie gleich verschwinden, und der Lust weichen würden. Er begann, sich leicht zu bewegen. Wir küssten uns erneut voller Leidenschaft. Ich stöhnte in seinen Mund, als seine Stöße diesen einen Punkt in mir trafen. Meine Hand wanderte zu meinem Penis, doch Kaito drückte mich auf die Couch. „Nicht. Du sollst nur durch mich kommen“, sagte er mit rauer Stimme. Das jagte mir einen Schauer über den Rücken und ich zog ihn enger an mich.
Seine Stöße wurden schneller. Die Luft war erfüllt von unserem Stöhnen. Kaito drückte meine Hände in den weichen Stoff, sodass ich ihm ausgeliefert war. Doch das machte mich nur noch heißer. „Kaito… ich ...komme...“, stöhnte ich heiser.
„Komm für mich, Shinichi...“ flüsterte er in mein Ohr. Das reichte, um mich über die Klippe zu jagen. Mit einem Schrei kam ich. Wenige Sekunden später kam auch er tief in mir.
Einige Minuten lagen wir atemlos aufeinander, bis er sich zurückzog und das Kondom entsorgen ging. Er kam zurück mit einer Küchenrolle und säuberte erst mich, und dann sich von den Spuren unserer Liebe.
Kaito kuschelte sich an mich und ich legte meine Arme um ihn. Glücklich schliefen wir ein.
Die nächsten Tage und Wochen würden zeigen, ob ich ein Leben ohne Alkohol durchhalten würde. Doch mit Kaito an meiner Seite, war ich zuversichtlich, es zu schaffen.
~ Ende ~